In der Dombauhütte durchlaufen gerade drei Azubis die Ausbildung zur Steinmetzin. Die Zahl der Bewerbungen sinkt – dafür kommen immer mehr Frauen.
Ausbildung zur SteinmetzinSo arbeiten die Azubis in der Kölner Dombauhütte
Die Lehrwerkstatt der Dombauhütte ist erfüllt von einem steten Klopfen. Lara Maria Scheuren und Judith Wittmann stehen an ihren Arbeitsflächen, Lärmschutzkopfhörer auf den Ohren, Holzhammer und Eisenwerkzeug in den Händen. Mit rhythmischen Bewegungen bearbeiten sie die Steinblöcke vor ihnen auf dem Tisch. Ein Abzugsrohr saugt den aufgewirbelten Staub ein, an den Wänden hängen Skizzen und Modelle kleiner Steinfiguren. Irgendwann einmal werden die beiden auch derart filigrane Arbeiten anfertigen. Sie durchlaufen gerade die Ausbildung zur Steinmetzin – und das an einer der bekanntesten Kirchen Deutschlands: dem Kölner Dom.
Scheuren hat die Ausbildung frisch im August begonnen. Der Block aus Sandstein vor ihr ist quadratisch, ihre Aufgabe ist es, gerade Flächen zu schaffen: „Das ist das erste, was wir hier lernen“, sagt sie. Dafür muss sie zunächst am Rohblock die gewünschte Höhe festlegen und markieren. Anschließend arbeitet sie sich durch die verschiedenen Eisenwerkzeuge: „Man fängt mit dem Sprengeisen an und haut grobes Material weg“, erklärt Scheuren. „Dann kommt das Spitzeisen, das Zahneisen, das Schlageisen für Randschläge und dann das Scharriereisen. Damit bekommt man die Fläche glatt. Wichtig ist, dass die Fläche am Ende gerade, waagerecht und winkelig ist.“
Etwa 1000 Euro im ersten Lehrjahr
Insgesamt fünf Mal hat Lara Maria Scheuren sich bei der Dombauhütte beworben, bevor sie den Ausbildungsplatz bekam. Die 24-Jährige war schon als Kind fasziniert vom Kölner Dom, kam mit ihrer Familie immer mal wieder aus Rheinland-Pfalz nach Köln, um Führungen mitzumachen. Nach einem Praktikum in einer Steinbildhauerei und dem Abitur machte sie ein freiwilliges soziales Jahr in der Denkmalpflege und schließlich eine Lehre zur Bauzeichnerin. „Aber ich habe gemerkt, dass ich nicht den ganzen Tag am PC sitzen möchte. Als Bauzeichner ist man auch einfach nicht kreativ – man hält sich bloß an die DIN-Norm. Ich brauche ein Objekt vor mir, was ich bearbeiten kann.“
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Es gibt drei Steinmetz-Azubis in der Dombauhütte, das entspricht einer Stelle pro Ausbildungsjahr. Derzeit sind alle drei von Frauen besetzt. Bezahlt werden sie nach Kirchentarif, wodurch sie finanziell etwas besser gestellt sind als die Steinmetzazubis in der freien Wirtschaft. Im ersten Lehrjahr bekommen sie etwa 1018 Euro, im letzten 1114 Euro.
Zahl der Bewerbungen hat abgenommen
Früher kamen auf den jährlichen Ausbildungsplatz 50 bis 70 Bewerbungen, doch auch an der Dombauhütte gehen Fachkräfte- und Azubimangel im Handwerk nicht vorüber. Aktuell gehen noch etwa 20 Bewerbungen pro Jahr ein, erzählt Ausbildungsleiter Stephan Wieczorek. Die Quote ist also stark rückläufig – auch wenn die Chance, genommen zu werden, noch immer bei 20 zu eins liegt.
„Mir war schon als junges Kind klar, dass ich etwas Technisches und Handwerkliches machen möchte“, sagt Judtih Wittmann. „Aber am Gymnasium wird einem die Ausbildung überhaupt nicht als Möglichkeit nahegelegt. Ich habe also anfangs gedacht, dass ich dann wohl einfach studieren werde, obwohl ich wusste, dass mir das nicht liegt.“
Arbeit hat sich kaum verändert
Letztlich informiert sich die heute 19-Jährige selbst über Ausbildungsmöglichkeiten. Schon vor dem Abitur bewirbt sie sich auf ein Praktikum in der Dombauhütte und bekommt es. „Obwohl ich wesentlich früher raus musste, habe ich gemerkt, dass ich viel lieber morgens aufgestanden bin als für die Schule“, sagt Wittmann. Sie ist mittlerweile im zweiten Lehrjahr und arbeitet an diesem Morgen an einem Stück Basaltlava, in das sie bereits einen Bogen geschlagen hat. Eine Vorlage auf Papier, ein Stift, Winkel, Klöpfel und Scharriereisen – mehr braucht sie nicht für die Arbeit.
„Bei uns hat sich die Art, wie wir arbeiten, im Laufe der Jahre kaum verändert“, sagt Ausbildungsleiter Wieczorek, der selbst seit 39 Jahren in der Dombauhütte arbeitet. Einzig die Druckluft als Hilfsmittel sei neu. Laien fragten manchmal, wieso sie nicht auch CNC-Fräsen nutzten: „Das mag zur Vorbereitung funktionieren, aber die Nachbereitung macht es häufig viel komplizierter. Das rentiert sich nicht.“
Gerüste als Lebensadern des Doms
Und so bleibt Handarbeit in der Dombauhütte zentral. 25 Steinmetze arbeiten hier – und weil die Zahl der Stellen begrenzt ist, bedeutet eine Ausbildung nicht, dass man auch übernommen werden kann. Dafür müsste erst einmal jemand in Rente gehen.
Lara Maria Scheuren und Judith Wittmann machen sich noch nicht so viele Gedanken über ihre Zukunft, auch wenn sie gern bleiben würden. Sie sind noch immer fasziniert vom Bauwerk Dom – je näher sie ihm kommen, desto mehr. „Ich konnte mir das Michaelsportal vom Gerüst aus anschauen – und es war das letzte Mal, dass ich wirklich baff war im Leben“, sagt Wittmann über den zentralen Eingang des Nordquerhauses des Kölner Doms. Es sei schon von unten betrachtet imposant. „Aber erst wenn man davor steht, sieht man, wie filigran alles gearbeitet ist.“ Und diese wahnsinnig filigranen Arbeiten brauchen Erneuerung, immer und immer wieder. Das ist auch der Grund dafür, wieso die Arbeit am Dom nie enden wird. „Man kann den Dom nicht einfach so stehen lassen“, sagt Scheuren. Denn die Steine verwittern. „Die Gerüste sind die Lebensadern des Doms.“