Sommer- und Winterurlaub unsicherWieso sich das Reisen erst 2022 normalisieren könnte
- Normale Urlaubsreisen wie in Zeiten vor der Pandemie könnten weiter in der Ferne liegen als befürchtet: Ein Experte erwartet frühestens 2022 eine Rückkehr zum „relativ unbeschwerten Reisen“.
- Er glaubt, dass dieser Sommer schwieriger verlaufen wird als der des vergangenen Jahres.
- Der Deutsche Reiseverband ist optimistischer.
Köln – Die Rückkehr zu einem normalen Reisegeschehen könnte einer Experten-Einschätzung zufolge noch bis zum Jahr 2022 andauern. „Man kann davon ausgehen, dass wir frühestens in einem Jahr wieder relativ unbeschwert reisen können“, sagte Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Rheinland, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwoch. „Nicht nur hinter dem Sommer-, sondern auch hinter dem Winterurlaub stehen derzeit noch große Fragezeichen.“
Es sei davon auszugehen, dass die Durchimpfung der Bevölkerung erst im späten Herbst erreicht werde. Für Kinder gebe es derzeit noch gar keinen Impfstoff, mit ihm sei erst im Sommer zu rechnen. Außerdem erschwerten die Mutationen die Bekämpfung des Pandemiegeschehens zusätzlich. „Ich bin überzeugt, dass dieser Sommer weniger unbeschwert sein wird als der des vergangenen Jahres – wo wir deutlich niedrigere Infektionszahlen hatten“, so Preis weiter.
„In keinem Szenario denkbar“
Realistisch wäre ein ausschweifender Sommerurlaub aber auch bei einem schnelleren Impfgeschehen kaum gewesen: Auch in den Ländern, die zügiger impften als Deutschland, seien Dosen nicht unbegrenzt verfügbar. „Wenn wir heute allen Menschen ein Impfangebot machen könnten, wären wir im Sommer durch. Das hätte aber in keinem Szenario klappen können.“
Er weist darauf hin, dass dennoch dringend die Orte ausgeweitet werden müssten, an denen eine Impfung möglich sei. Bislang seien das Problem mangelnder Dosen – dann, wenn mehr produziert würde, könnte allerdings die Logistik knapp werden: „Schon im April oder Mai werden die Impfzentren nicht mehr genügend Kapazitäten haben. Spätestens dann müssen auch Hausärzte und in einem späteren Schritt auch Betriebsärzte und gegebenenfalls Apotheken mit einbezogen werden.“
Urlaub im Inland
Mit Blick auf den Sommerurlaub geht Preis davon aus, dass er sich im Jahr 2021vor allem im Inland abspielen werde. Im Ausland würden Schnelltests – die es in der vergangenen Sommersaison noch nicht gab – eine wichtige Rolle spielen. Dort wären aber natürlich auch örtliche Regelungen und Infektionsgeschehen ein wichtiger Faktor.
Und genau diese Regelungen könnten für deutsche Urlauber zu einem Problem werden: Denn zuletzt mehren sich die Stimmen anderer Länder, Einreisen im Sommer an einen Impfnachweis zu koppeln. Spanien beispielsweise brachte das gerade erst für Urlaubsorte wie Palma, Alicante oder die Costa Brava ins Spiel. Auch Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis forderte bereits ein Impf-Zertifikat für Urlauber.In europäischen Ländern wie Polen, Rumänien und Estland gelten bereits Sonderregeln für Geimpfte: Sie sind von Quarantäneregelungen und Testpflichten befreit.
Impfwettbewerb provoziert
Bernd Schabbing, Leiter des Tourismus-Studiengangs an der International School of Management, befürchtet, dass solche internationalen Regelungen in Deutschland einen Impfwettbewerb provozieren könnten. „Möglicherweise werden wir sogar einen Impftourismus sehen“, sagte der BWL-Professor: Manche Menschen könnte es dann in jene Bundesländer und Regionen ziehen, in denen gerade besonders schnell und unkompliziert geimpft werde. „Der Sommer wird von großen Unsicherheiten geprägt sein“, meint Schabbing. Er gibt aber auch zu Bedenken, dass Länder wie Spanien und Griechenland massiv abhängig vom Tourismus sind – und sich deshalb die Frage stelle, ob die ins Gespräch gebrachten Impfnachweise auch tatsächlich umgesetzt werden.
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Wie der Deutsche Reiseverband (DRV) geht er selbst aus heutiger Sicht allerdings von einer deutlichen Verbesserung des Reisegeschehens im Spätsommer aus. Man könne derzeit jedoch nur auf Sicht fahren, vieles hänge davon ab, wie sich das Pandemiegeschehen weiterentwickeln werde. Schabbing verweist auf eine aktuelle Tourismusanalyse, der zufolge rund die Hälfte der Deutschen planen, in diesem Jahr auch unabhängig vom Infektionsgeschehen zu verreisen. Unter dem Strich würde 2021 somit für die Reisewirtschaft vermutlich ähnlich laufen wie das vergangene.
Reiseverband erwartet Verbesserung
Der DRV hofft unterdessen sogar auf eine Verbesserung der Geschäfte. Beim Verband nennt man die Diskussion um Lockerungen für Geimpfte zum jetzigen Zeitpunkt „sehr theoretisch“. „Zum einen wird es noch dauern, bis alle Menschen, die geimpft werden möchten, auch geimpft werden konnten. Zum anderen muss noch geklärt werden, dass geimpfte Personen das Virus nicht mehr weitergeben“, sagte Sprecherin Kerstin Heinen. Reisefreiheit sei außerdem kein politisch zu gewährendes Privileg, sondern ein Grundrecht.
Man dürfe sich bei der Debatte um den Urlaub nicht ausschließlich auf das Impfgeschehen fokussieren. Auch Hygiene- und Sicherheitskonzepte sowie eine umfassende Teststrategie seien wichtige Bausteine. „Wir sind der festen Überzeugung, dass es dieses Jahr einen Nachholeffekt geben wird“, sagte Heinen. Erst im Inland – und später dann auch bei europäischen Zielen wie Spanien und Griechenland.
Pauschalreisen besser abgesichert
Wer eine Pauschalreise bucht, soll derweil künftig über einen millionenschweren Fonds besser gegen eine Pleite des Reiseveranstalters abgesichert sein. Die Veranstalter selbst sollen in diesen Sicherungsfonds einzahlen, wie das Kabinett am Mittwoch in Berlin beschloss. Damit soll die bisherige Absicherung durch Versicherungen oder Bank-Bürgschaften grundsätzlich abgelöst werden. Ausnahmen soll es für kleine Unternehmen geben.
Hintergrund ist die Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook im September 2019. Die Versicherung hatte damals nur einen Bruchteil der Kosten ersetzt, weil die Haftung insgesamt auf 110 Millionen Euro im Jahr begrenzt war. Der Staat musste einspringen und zahlte bis Mitte November fast 40 Millionen Euro an Thomas-Cook-Kunden aus, deren Reisen geplatzt waren. Dieser Fall habe gezeigt, dass eine Haftungsbegrenzung zu Unsicherheit führe und dass Reisende damit möglicherweise nicht ausreichend entschädigt würden, sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). (mit dpa)