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Kölner Medienrechtler über Trumps Twitter-Sperre„Ein fundamentales Demokratieproblem“

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Donald Trump Symbolbild

Donald Trump

Köln – Über soziale Netzwerke kann man Menschen in Echtzeit anstacheln oder bremsen. Der noch amtierende Präsident der USA Donald Trump hat den Mob auf diesem Weg ermutigt, in das Parlamentsgebäude der USA einzudringen. Facebook und Twitter haben eingegriffen. Was ist davon zu halten? Prof. Rolf Schwartmann, Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, kritisiert Mängel in der Regulierung.

Vor Trump-Tweets warnen, sie löschen, sperren und Trump dauerhaft vom Dienst fernhalten – das waren die gestuften Maßnahmen nach dem Hausrecht der Netzwerke. Sie erfolgten situativ, ad hoc und in Eigenregie. Nach welchen Regeln Meinungen, die die Weltpolitik beeinflussen, in ihren Netzwerken untersagt oder verbreitet werden dürfen, entscheiden die Anbieter selbst. Soziale Netzwerke greifen per Programmierung ihrer Algorithmen zwangsläufig in das, was über ihre Kanäle verbreitet wird, ein. Sie können so dafür sorgen, dass Inhalte bevorzugt angezeigt oder Aussagen unterdrückt werden.

Dürfen Unternehmen in den freien Meinungsaustausch eingreifen?

Aber dürfen die Unternehmen in den freien Meinungsaustausch eingreifen? Dürfte der Betreiber einer Veranstaltungshalle, in der ein Präsident Bürger zu Gewalt aufruft, ihm das Mikrofon abstellen, die Veranstaltung verbieten und dem Präsidenten Hausverbot erteilen? Ja, das dürfte und das müsste er. Denn zu Straftaten darf auch der Präsident nicht aufrufen. Aber kann man weltweite, digitale Kommunikationsräume mit körperlichen Veranstaltungsorten vergleichen? In gewisser Weise schon, denn gleich ob online oder in der körperlichen Welt sind Aufrufe zu Gewalt verboten. Wer diese Räume beherrscht, der muss dort für Ordnung sorgen. Dafür muss es aber staatliche Regeln geben.

Zur Person

Prof. Rolf Schwartmann, 1965 in Düren geboren, ist Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Technischen Hochschule Köln und Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit und seit 2018 Mitglied der Datenethikkommission, die die Bundesregierung berät. (hge)

In Deutschland finden sie sich unter anderem im Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Es benennt Straftatbestände wie Beleidigung und Volksverhetzung und verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke dazu, Verbotenes auf deren Plattformen zu unterbinden. Aber an dieser Stelle offenbart sich ein Problem. In der Praxis löschen die Unternehmen nämlich viele Inhalte, die zwar unfreundlich und unerwünscht, aber deshalb nicht gleich verboten sind. Verbote ergeben sich häufig nur aus dem Hausrecht der Anbieter, das strenger ist als das Gesetz. Nach dem NetzDG findet dann gar keine Prüfung mehr statt.

Der Fall „Trump und der Sturm auf das Kapitol“ zeigt einerseits, dass die Betreiber der sozialen Netzwerke nicht tatenlos zusehen dürfen, wenn Worte zu Waffen werden. Auf der anderen Seite offenbart sich hier ein Dilemma. Denn darüber, wo die rechtlichen Grenzen der Äußerungsfreiheit liegen und nach welchen Regeln sie gewahrt werden, muss im Rechtsstaat der demokratisch legitimierte Gesetzgeber entscheiden. Hier unterscheiden sich öffentliche, digitale Kommunikationsräume unter privater Herrschaft wie Facebook und Twitter von Kneipen und Veranstaltungshallen. Meinungen werden dort nämlich nicht für einen begrenzten Kreis, sondern potenziell weltweit, viral und dauerhaft abrufbar verbreitet.

Der Staat muss Regeln vorgeben

Auch Stammtische in Kneipen mögen Kommunikationsräume sein. Sie sind aber anders als Medien nicht Multiplikator von Meinungen. Deshalb sind sie für die Meinungsfreiheit und damit für die demokratische Willensbildung nicht systemrelevant. Auch beherrscht der Wirt keinen Algorithmus, mit dem er Meinungen lenken kann. Die Steuerungsmöglichkeit der Dienstbetreiber und dass dort grundsätzlich jeder ungehemmt sagen kann, was er will, macht Internetplattformen gefährlich.

Wie beim Rundfunk und bei der Presse muss der Staat auch Regeln für die Verbreitung von Inhalten in sozialen Netzwerken vorgeben.

Jeder Despot und jeder Hassprediger, der als Verfassungsfeind nie eine Rundfunklizenz nach unserem Recht bekommen würde, darf über soziale Netzwerke und YouTube ohne rechtliche Grundlage weltweit Hass, Lügen und Gewalt säen. Die Staaten schauen in aller Welt nur zu. Das Spiel dauert, wie beim „Sturm des Kapitols“, so lange, bis die Plattform – und nicht der Staat – den Stecker zieht. Bis dahin herrschen private Anbieter über erlaubte und verbotene, über harmlose und gefährliche Aussagen.

Genau in dieser unregulierten Entscheidungshoheit privater Unternehmen liegt ein fundamentales Demokratieproblem. Gleich ob Eingriffe in die Meinungsfreiheit im Netz rechtlich geboten sind oder nicht. Niemals kommen sie demokratisch legitimiert zustande. Solange Wirtschaftsunternehmen der Meinungsindustrie die Grenze zwischen erlaubt und verboten im Netz ungebremst selber ausloten und deren Einhaltung durchsetzen, löst dort eine Willkürherrschaft privater Unternehmen die Mechanismen des Rechtsstaats ab.

Eine vielversprechende Neuerung

Zu Beginn des Wahljahres 2021 geht es auch in Deutschland um die Hoheit über die Festlegung der Grenzen der Meinungsfreiheit im Netz. Sie liegt beim Staat, er muss sich hier behaupten. Es geht darum, soziale Netzwerke bei der Ausgestaltung und Anwendung des Hausrechts, beim Löschen und Sperren von Inhalten wirksam auf gesetzliche Vorgaben zu verpflichten.

Dazu kann das NetzDG künftig einen wichtigen Beitrag leisten. Dessen jüngste Novelle ist so gut wie beschlossen. Sie enthält eine vielversprechende Neuerung. So sollen sich Nutzer künftig gegen Lösch-Entscheidungen der sozialen Netzwerke wehren können. Das soll auch dann der Fall sein, wenn die Löschung mit den Gemeinschaftsstandards der Netzwerke begründet werden. Auf diese Weise werden Facebook, Twitter & Co gezwungen, sich für ihre Eingriffe in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Diese Begründungspflicht ist neu. Auch der im Dezember 2020 veröffentliche Entwurf des Digital Services Act der EU-Kommission geht in diese Richtung. Er verlangt nämlich von Diensteanbietern, transparent und verständlich zu erklären, was die Maßnahmen ihres Hausrechts sind und wie sie wirken.

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Das NetzDG soll es künftig Forschern zudem erlauben, Daten darüber zu bekommen, wie und warum sich illegale Inhalte im Netz verbreiten. Auch der Blick in die Karten der Herren über die Algorithmen kann ein wichtiger Baustein werden, um die Mechanismen der Entstehung von verbotenem Hass im Netz zu verstehen und zu unterbinden.