Kritischer Blick auf die IndustrieNRW ist Spitzenreiter bei Treibhausgas-Emissionen
Köln/Düsseldorf – Wenn nicht jetzt, wann dann – wenn das die Schlussfolgerung aus dem neuen Bericht des Weltklimarats ist, sollten sich auch Politik und Wirtschaft in NRW sofort zum Handeln entschließen. So fordern es Umweltorganisationen nicht erst seit der Hochwasserkatastrophe im Juli, die eher wahrscheinlich als vielleicht als Vorbote einer neuen Normalität der Wetterextreme gesehen werden kann. Umgehend müsse damit begonnen werden, die Treibhausemissionen drastisch zu minimieren, mahnen die Autoren des sechsten IPCC-Berichts.
Von „alles gut“ noch weit entfernt
Und da muss sich Nordrhein-Westfalen deutlich angesprochen fühlen. Zwar sinken die Ausstöße von klimarelevanten Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan, Lachgas – den sogenannten CO2-Äquivalenten – seit Jahren stetig. Von „alles gut“ ist das aber weit entfernt.
Die aktuellsten Zahlen liegen beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) vor: 203,5 Tonnen CO2-Emissionen in 2020 bedeuten eine Reduktion von rund elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Wert zeigt aber auch, dass etwa 27 Prozent der bundesweiten Emissionen im Industrie-Land Nordrhein-Westfalen entstanden sind und es damit mehr emittiert, als jedes andere Bundesland.
Bei der NRW-Klimabilanz entfällt die mit Abstand größte Last auf die Energiewirtschaft, namentlich die Braunkohle. Das LANUV gibt (noch vorläufig) 86,5 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten an. Die Industrie emittierte demnach im vergangenen Jahr rund 47 Millionen Tonnen, der Verkehr rund 28 Millionen.
Kritische Blicke auf den Energiesektor
Angesichts der Dringlichkeit zu handeln, richten sich kritische Blicke auf den Energiesektor. Bisher ist geplant, dass Deutschland bis spätestens 2038 aus der Stromgewinnung mit Kohle aussteigt. „Wir brauchen den Kohleausstieg bis 2030, und der ist auch machbar“, sagt Holger Sticht, NRW-Vorsitzender beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Sticht betont aber auch, dass sich bei einer alleinigen Konzentration auf die Gase ein nachhaltiges Bild nicht zeigen wird. „Eine Wende muss komplett gedacht werden – weg von der Verbrauchs-, hin zur echten Kreislaufwirtschaft. Und das beinhaltet auch den Arten- und Flächenschutz, also den Stopp der Flächenversiegelungen, der durch das Jahrhundert-Hochwasser wieder mehr öffentliche Aufmerksamkeit erfährt“, so Sticht.
Was den drittgrößten Treiber Verkehr anbelangt, fordern Umwelt- und Klimaschützer vor allem die Reduzierung des Individualverkehrs. „Verkehrswende bedeutet ein Moratorium für Straßenneubauten, das betrifft beispielsweise auch Kölner Projekte wie den geplanten Brückenneubau über den Rhein“, sagt der BUND-Landesvorsitzende. „Den Verkehr zu multiplizieren können wir uns nicht mehr leisten.“
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Besonders kritisch sieht der BUND die Selbsteinschätzung der Landesregierung, bei den erneuerbaren Energien Vorreiter zu sein. Es sei zwar richtig, dass es in 2020 bei der Windkraft einen Brutto-Zubau von 314 Megawatt gegeben habe. Aber die Versorgungsleistung bleibe mit weniger als zehn Prozent weit unter dem Bundesdurchschnitt. Erschwerend hinzu kommt eine Gesetzesänderung, in der die Landesregierung festlegt, dass der zukünftige Mindestabstand von einer Windenergieanlage zur nächsten Bebauung 1000 Meter betragen soll – eine hohe Hürde für den Ausbau.
CO2-Preise treiben die Industrie
Derweil bewegt sich bei den Industrieunternehmen in der Region einiges in Sachen Klima- und Umweltschutz. Getrieben von steigenden CO2-Preisen, die auf Bilanzen drücken, und dem Wissen um die tragende Rolle beim Wandel des Klimas, wurden in den vergangenen Jahren reihenweise Nachhaltigkeitsstrategien verabschiedet zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen.
Der Leverkusener Covestro-Konzern etwa hat sich einerseits der Kreislaufwirtschaft verschrieben und will die Mammutaufgabe bewältigen, dass seine Kunststoffe künftig wiederverwendet werden, statt in der Umwelt zu landen; andererseits setzt er in der Herstellung bereits vereinzelt auf nicht-fossile Rohstoffe. Das Dax-Unternehmen bindet in Pilotprojekten Kohlenstoffdioxid in bestimmte Produktionsprozesse – zum Beispiel von elastischen Textilfasern – so ein, dass bis zu 20 Prozent Erdöl eingespart werden. So wird das schädliche CO2 zum Rohstoff für nachhaltigere Kunststoffe.
Bonus-Zahlungen mit CO2-Reduktion verknüpft
Covestro hat sich vorgenommen, seine Treibhausgas-Emissionen bis 2025 im Vergleich zu 2005 zu halbieren. Eine andere ehemalige Bayer-Tochter, der Kölner Spezialchemiekonzern Lanxess, will bis 2040 sogar ganz klimaneutral sein. Sogar Bonus-Zahlungen werden mit dem Ziel CO2-Reduktion verknüpft.
Und auch der Stahlriese Thyssenkrupp wandelt sich: Dessen Duisburger Stahlwerk wurde in der Vergangenheit vom Umweltbundesamt als Industrieanlage mit den höchsten CO2-Emissionen in Deutschland eingestuft. Künftig soll in der Stahlproduktion vermehrt Kohle durch grünen Wasserstoff ersetzt oder Schrott statt Eisenerz verwendet werden. So kann auf Koks und Kohle als Reduktionsmittel verzichtet werden, sodass kaum noch Kohlenstoffdioxid entsteht. Das Ergebnis: mehr oder minder grüner Stahl.