Düsseldorfer Messechef im Interview„Trotz Krise finden alle Messen statt“
- Wolfram Diener ist seit zwei Jahren Chef der Messe in Düsseldorf.
- Im Interview spricht er über: Start der Messe K, Energiekrise und Erholungskurs.
- Die Boot im Januar soll stattfinden – mit etwas kälteren Hallen und weniger Partys.
- Das Russlandgeschäft, fast 8 Prozent vom Umsatz, wurde aufgegeben.
Düsseldorf – Herr Diener, Corona hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren eine Vielzahl großer Leitmessen ausfallen lassen. Jetzt bedroht die Energie- und Gaskrise Ihr Geschäft. Wie ist Ihr Blick auf den Messe-Winter 22/23?
Die wichtigste Botschaft ist: Alle Messen in Düsseldorf finden statt. Wir haben diverse Energiesparmaßnahmen eingeleitet und sind energietechnisch gut aufgestellt. So haben wir in den vergangenen Jahren bereits 30 Prozent unseres Heizbedarfs und 20 Prozent unseres Strombedarfs gesenkt – trotz gewachsener Ausstellungsfläche.
Jürgen Trittin hat gefordert, das Skifahren einzustellen, um den aus seiner Sicht unnötigen Stromverbrauch der Hobby-Skifahrer einzusparen. Wäre es nicht konsequent, eine Freizeitmesse wie die Boot angesichts des hohen Energieverbrauchs in diesem Jahr zu kassieren?
Die Boot ist wie alle unsere Messen eine Business-Plattform. Diese bieten wir für diverse Wirtschaftszweige an: Sei es aktuell für die Kunststoffindustrie, demnächst für die Medizintechnikbranche – oder im Januar für die Wassersportwirtschaft. Boote dienen zwar der Freizeitgestaltung; doch die Messe ist ein wichtiger Branchentreff, der nach zwei Jahren Coronapause endlich wieder stattfindet. Das ist ja nicht Jux und Dollerei. Im Fokus stehen Produktpräsentation, Geschäftsanbahnung und -abschlüsse, Networking und Imagepflege.
Dennoch müssen Sie bei der Boot bei möglichen Minustemperaturen sehr energieintensiv ihre Hallen heizen, wo sparen Sie ein?
Wir haben bereits heute die Hallentemperatur auf 19 Grad gesenkt, was viel Energie spart. Unsere neuen HEPA-Filter, die 99,9 Prozent der Viren aus der Hallenluft entfernen, haben den positiven Nebeneffekt, dass weniger kalte Außenluft in die Hallen eingebracht werden muss und somit der Heizenergieverbrauch der Lüftungsanlagen sinkt. Unsere Außenbeleuchtung haben wir außerdem auf ein Minimum heruntergefahren. Aber auch unsere Aussteller sind gefragt. Nach Messeschluss werden die Stände häufig als Partyzonen genutzt. Für eine Party mit 60 Leuten auf vielleicht 1000 Quadratmetern eine ganze Messe-Halle bis Mitternacht zu heizen, ist sicher nicht mehr verhältnismäßig. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, Party für Kunden zu machen, aber eben mit geringerem Heiz- und Energieaufwand.
Corona war das bestimmende Thema Ihrer Branche, haben Sie noch Angst vor Corona?
Corona bereitet mir in Deutschland keine Kopfschmerzen mehr. Wir haben praktisch keine Auflagen mehr, nur Empfehlungen zu Abstand und Hygiene, die problemlos darstellbar sind. Die Null-Covid-Politik in China mit seinen wirtschaftlichen Stillständen bereitet mir mehr Sorge.
Messe auf Vorkrisen-Niveau – Besucher aus aller Welt
Am Mittwoch ist die Messe K, Weltleitmesse der Kunststoffindustrie, gestartet. Auf welchem Niveau ist sie verglichen mit den Vor-Corona-Zeiten?
Die Messe K ist erfreulicherweise zu 100 Prozent auf dem Vorkrisen-Niveau. Wir haben wieder Besucher aus aller Welt. Trotz allem Unken wegen angespannter Lage, China ist nach Italien das zweitgrößte Ausstellerland nach Hallenfläche.
Zur Person
Wolfram Diener ist seit 2020 Chef der Messe Düsseldorf und folgte dort auf Werner Dornscheidt. Seit 2018 gehört er der Geschäftsführung an. Viele Jahre lebte der Diplom-Betriebswirt in Asien. Der 1964 geborene Freiburger ist verheiratet und hat drei Kinder. (tb)
In welcher Lage ist die Kunststoffbranche aktuell?
Durch eine etwaige Gasmangellage ist die Kunststoffbranche sicherlich existenziell gefährdet. Gleichzeitig hat sie aber eine hohe wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Die ersten Dinge, die jeder täglich in die Hand nimmt – Zahnbürste, Handy – sind aus Kunststoff. Der Werkstoff spielt außerdem eine essenzielle Rolle für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Kunststoffe ermöglichen Leichtbau, Elektromobilität, die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie – und tragen so zum Klimaschutz bei. Die Branche hat sich intensiv der Kreislaufwirtschaft verschrieben und präsentiert auf der K ihre Innovationen. Das Material ist durch nichts zu ersetzen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Wie belastet der Ukraine-Krieg Ihr Geschäft?
Wir waren seit 60 Jahren in Moskau aktiv, Moskau machte rund zehn Prozent unseres Umsatzes aus. Aus moralischer Sicht war es richtig, unser Russland-Geschäft zu verkaufen. Zugleich ist China jedoch immer wichtiger geworden. In den vergangenen zehn Jahren von 2012 bis 2021 kamen insgesamt 1.032 Aussteller sowie 67.202 Besucher aus Russland auf die Düsseldorfer Fachmessen. Im gleichen Zeitraum kamen aus China 18.254 Aussteller sowie 74.082 Besucher. Wir haben aber die Option auf einen Rückkauf. Ich hoffe, der russische Markt ist für uns nicht für immer verloren.