Neue AuswertungNRW-Unternehmen gehen besonders häufig pleite
Düsseldorf – Die Insolvenzgefahr ist für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen größer als in fast allen anderen Bundesländern. Mit 76 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen gehörte das bevölkerungsreichste Bundesland in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erneut zu den Spitzenreitern im deutschlandweiten Pleiteranking der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Schlechter schnitten im bundesweiten Vergleich nur Bremen mit 116 und Berlin mit 92 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen ab, wie Creditreform am Montag in Düsseldorf mitteilte.
Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt registrierte die Wirtschaftsauskunftei nur 54 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen. Am geringsten war die Pleitegefahr bei Firmen in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern mit jeweils weniger als 40 Pleiten je 10.000 Unternehmen.
Zahlen insgesamt gesunken
Trotz der harten wirtschaftlichen Einschnitte in Folge der Corona-Pandemie ist die Zahl der Unternehmenspleiten in Deutschland zuletzt aber insgesamt gesunken. Nach Angaben von Creditreform ging sie im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,2 Prozent auf 8900 Fälle zurück. Im Verarbeitenden Gewerbe gab es aufgrund einer anhaltenden Konjunkturschwäche zwar keinen Rückgang der Pleiten, im Baugewerbe sank die Zahl dafür um 9,4 Prozent auf rund 1250 Fälle. Im Handel verringerte sie sich sogar um 10,2 Prozent auf rund 1850 Insolvenzen.
Dass sich diese Werte nicht mit der öffentlichen Wahrnehmung zu decken scheinen, hängt damit zusammen, dass unter den Unternehmen, die zuletzt Insolvenz anmelden mussten, auch viele Branchengrößen waren. Creditreform nennt zum Beispiel den Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, die Textilhändler Appelrath Cüpper und Hallhuber, den Modehersteller Esprit und die Restaurantketten Vapiano und Maredo. Mit Ausnahme von Hallhuber haben alle genannten Unternehmen ihren (Deutschland-)Sitz in NRW. Die Größe der Unternehmen ist auch ein Grund dafür, dass die Gläubigerschäden trotz sinkender Insolvenzen den höchsten Wert der vergangenen Jahre erreicht haben. Die Schäden wuchsen im ersten Halbjahr auf 12 Milliarden Euro; laut Creditreform hat jeder Insolvenzfall die Gläubiger im Schnitt mehr als 1,3 Millionen Euro gekostet.
Entkoppelte Zahlen
Die Auskunftei betont mit Blick auf die grundsätzlich sinkenden Zahlen, dass das Insolvenzgeschehen sich aktuell „von der tatsächlichen Situation der deutschen Unternehmen entkoppelt“ habe. Dafür nennt sie vor allem zwei Gründe: Zum einen hätte die Reduzierung der Arbeit in Folge der Pandemie bei vielen Insolvenzgerichten zu „erheblichen Bearbeitungsrückständen“ geführt.
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Zum anderen hätten die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen einen akuten Anstieg der Pleiten vor allem kleinerer Unternehmen vorerst verhindern können. Infolge der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht seien dabei aber auch Unternehmen, die bereits vor der Pandemie in wirtschaftlicher Schieflage gewesen seien, der Insolvenz vorübergehend entgangen. Creditreform spricht von „möglicherweise unerwünschte(n) Mitnahmeeffekte(n)“.
Die Fachleute gehen davon aus, dass der Anstieg der Zahlen nur vertagt worden sei. Das Risiko einer deutlichen Verschärfung des Insolvenzgeschehens in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr steige. Deutschland drohe „eine Insolvenzwelle von bisher nicht gekanntem Ausmaß“, falls sich die Wirtschaft nicht rasch vom Konjunktureinbruch erhole. Nach Meinung vieler Fachleute könne es einen Anstieg der Firmenpleiten um bis zu 20 Prozent geben, sagte der Hauptgeschäftsführer von Creditreform, Volker Ulbricht, am Montag. (mit dpa)