Interview mit dem neuen Chef der IHK Köln„Niemand soll mehr als Verlierer dastehen“
Herr Vetterlein, in der Vergangenheit gab es viel Streit in der Industrie- und Handelskammer Köln. Wie gehen Sie damit umUwe Vetterlein: Ich blicke nicht zurück. Ich möchte gar nicht erst den Versuch einer Bewertung machen, sondern arbeite an sachlichen Lösungen. Schuldzuweisungen sind so gar nicht meine Sache. Ich arbeite lieber an einer nüchternen Bestandsaufnahme und entwickle Alternativen.
Sie waren früher selbst Geschäftsführer in der Kölner Kammer. Wie haben Sie den Streit von außen wahrgenommen?
Als Wahl-Kölner habe ich mitgelitten, ich hatte stets eine Verbundenheit zu Stadt und Kammer, aber ich habe mich bewusst nicht eingemischt.
Was werden Sie tun, damit sich das nicht wiederholt?
Es kann so nicht weiter gehen. Ich werde alles tun, die Kammer diesbezüglich für Sie unattraktiv zu machen (lacht). Schlechte Nachrichten sind gut für die Presse, aber nicht für die Industrie- und Handelskammer zu Köln. Ich erinnere mich an Ihre Darstellung der IHK-Akteure als Denver-Clan am Rhein. Das hoffe ich so nicht wieder lesen zu müssen.
Danke für Ihre treue Leserschaft. Was aber werden Sie konkret tun?
Mich intensiv um die wirtschaftlich wirklich wichtigen Dinge in der Region kümmern. Also themen- und sachbezogen, und nicht „in eigener Sache“. Wir müssen unsere interne Kultur im demokratischen Sinne stärken. Wir brauchen, besonders in der Vollversammlung, eine parlamentarische Herangehensweise. Das heißt, dass jeder dort anderer Meinung sein darf. Und das heißt, dass ein Kammermitglied oder eine Gruppe mit anderer Meinung nach einer verlorenen Abstimmung nicht als „Verlierer“ dastehen darf und sich beschädigt fühlt. Wir müssen wieder alle Vertrauen zueinander finden, auch im Sinne der Mitarbeitenden. Dass die Vollversammlung dazu in der Lage ist, zeigt nicht zuletzt mein eigenes Wahlergebnis. Ich kenne viele Akteure von früher und baue auf breite Integrität.
Uwe Vetterlein (61) studierte VWL in Tübingen. Nach Promotion und Tätigkeiten bei der EU-Kommission wechselte er 1991 zur IHK Karlsruhe als Geschäftsführer. Von 1996 bis 2003 war Vetterlein bei der IHK Köln tätig. 2004 wurde er zum Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt berufen. Der Vater von zwei Kindern lebt mit seiner Frau in Köln. (tb)
Sie wollen den parlamentarischen Gedanken in der IHK stärken, gleichzeitig aber sind die Öffentlichkeit und vor allem die Presse bis heute noch immer von den Vollversammlungen ausgeschlossen. Das klingt nicht sehr demokratisch. Was haben Sie zu verbergen? Werden Sie Presse bald zulassen?
Alle Mitglieder der IHK können an Sitzungen der Vollversammlung teilnehmen. Wir sehen die Vollversammlung als geschützten Raum. Dort müssen Unternehmer frei sprechen können, auch über ihre wirtschaftliche Lage, ohne befürchten zu müssen, dass die Informationen am nächsten Tag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ stehen. Denn dieser Input macht unsere Stellungnahmen für Politik wertvoll.
Die Presse erfährt aber doch immer Teile von dem, was in der Vollversammlung vor sich geht. Besteht da nicht die Gefahr, dass ein Zerrbild entsteht. Wäre das Thema Transparenz, mit dem IHK-Präsidentin Grünewald einst angetreten ist, nicht auch für Sie besser?
Es ist sicher eine Frage der Abwägung. Im nächsten Jahr wird das Ehrenamt dieses Thema im Zuge der Überarbeitung der Satzung neu diskutieren. Die Unternehmerschaft entscheidet diesen Punkt selbst.
Die IHK besitzt derzeit zwei Immobilien, das alte Gebäude in der Innenstadt und einen Neubau in Mülheim. Der Umzug dorthin im kommenden Jahr wurde aber gestoppt. Wie wollen Sie das Dilemma der Häuserfrage lösen?
Bei diesem Thema hat man sich offensichtlich emotional verhakt. Deshalb haben wir bereits im April einen neuen, professionellen, nur an der Sache orientierten Prozess aufgesetzt, der extern begleitet wird. Ein erstes entscheidendes Element dieses Prozesses war eine Befragung der Mitglieder der Vollversammlung und weiterer Stakeholder, was für sie eine IHK ausmacht. Dieses Ergebnis liegt vor. Die weit überwiegende Mehrheit sieht die IHK als Ort der Vernetzung und des Austauschs, der politischen Willensbildung in Gremien, der Beratung und Bildung. Der beauftragte Dienstleister entwickelt daraus in Workshops mit den Nutzern ein Konzept bis hin zu einem präzisen Raumprogramm: Tagungsräume, Veranstaltungsflächen, Büros und vieles andere mehr. Auch ich sehe die IHK vor allem als Ort, wo sich die Unternehmer der Region treffen und austauschen können. Zudem ist das Thema berufliche Bildung so elementar mit der Marke IHK verbunden, dass sie zumindest in die räumliche Nähe gehört.
Sehen Sie das neue Haus in Mülheim als ungeeignet an?
Es geht jetzt nicht um Mülheim oder nicht, es geht darum, ob sich ein aus den Rückmeldungen der Vollversammlungsmitglieder ergebendes Anforderungsprofil im Lofthaus unterbringen lässt oder nicht.
Wie läuft der Entscheidungsprozess?
Das genannte Beratungsunternehmen ist, wie gesagt, dabei das Anforderungsprofil bis hin zu einem konkreten Raumprogramm auszuarbeiten und wird den alten Standort Unter Sachsenhausen, das neue Lofthaus und einen fiktiven Neubau auf Eignung und Machbarkeit prüfen. Einen Zwischenbericht erhält die Vollversammlung am kommenden Montag, die fachliche Unterstützung soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Denn es soll nicht wieder eine unendliche Geschichte werden. Hier baue ich auf die Klugheit der Gremien.
Was wird aus dem dann nicht mehr benötigten Standort, sei es der alte oder der neue?
Wir werden auf Dauer sicher nicht zwei Gebäude behalten. Vermietung von Immobilien ist kein Kerngeschäft einer Handelskammer. Aber auch eine Vermietung ist nicht auszuschließen, wenn es die wirtschaftlichste Lösung ist. Rechtlich sehe ich kein Problem. Die Düsseldorfer IHK etwa ist aus der Historie heraus Vermieter der Düsseldorfer Börse. Ein Haus mit Verlust zu verkaufen, nur weil es kein Kerngeschäft der IHK ist, wird sicher auch kein Rechnungsprüfer von uns verlangen.
Nehmen wir an, die Entscheidung fällt pro Altbau in Unter Sachsenhausen aus. In welchem Umfang müssen Sie das teildenkmalgeschützte Gebäude renovieren und woher kommen die Mittel?
Die Mittel können aus dem Verkauf der anderen Immobilie stammen. Bei der möglichen Sanierung der alten IHK-Zentrale geht es aber nicht nur um das Gebäude selbst. Es geht um die Entwicklung des gesamten Quartiers mit seinen alt-ehrwürdigen Bankgebäuden in zentralster Lage Kölns.
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Was waren Ihre ersten Schritte im Amt?
Die waren natürlich stark von Corona geprägt. Beim Einzelhandel in Köln und dem Kammerbezirk sind die Reserven aufgebraucht. Da stellt sich die Frage: Was wird aus den Innenstädten. Das zweite brennende Thema war natürlich die Juli-Flut und die Abwicklung der Fluthilfen durch die Kammer. Rund 1200 Betriebe sind betroffen, die meisten in Erftstadt und Umgebung, aber auch große Unternehmen im Bergischen. Die NRW-Bank hat dankenswerter Weise die finanzielle Abwicklung der Hilfen übernommen, hat aber selbst keine Strukturen für die fachliche Antragsbearbeitung. Das übernehmen wir für die Landesregierung und helfen etwa bei der Vermittlung von Sachverständigen und Gutachtern. Wir beraten die Unternehmen und prüfen die Anträge auf Plausibilität und Vollständigkeit, bevor diese an die NRW-Bank gehen. Auch mit den Kölner Versicherungen haben wir sehr gute Gespräche geführt, um auch hier für die betroffenen Unternehmen Hilfe zu erhalten.
Wo lagen die Probleme bei der Fluthilfe?
Das Land will zeitnah helfen, aber viele Fragen waren offen, etwa, mit welchen Werten zerstörte Maschinen angesetzt werden können (inzwischen geklärt: mit dem Beschaffungspreis von Gebrauchtmaschinen) und vieles andere mehr. Gewissheit haben wir schon beim Gewinnausfall, der wird auf sechs Monate in Höhe des Durchschnitts der vergangenen fünf Jahre berechnet, wobei das beste und das schlechteste Jahr herausgestrichen werden.
Werden manche Firmen ihre Standorte gar nicht wieder aufbauen?
Es gibt Industrie-Standorte, wo es mögliche bauliche Maßnahmen gegen ein neues Hochwasser geben wird. Aber in Erftstadt im Flachland war es der Starkregen, da hilft kein starker Damm, das kann überall passieren. Es gibt aber auch Standorte von Betrieben, die an Ort und Stelle nicht wieder entstehen können, einfach weil die Risiken zu hoch sind. Wir stellen aber fest, dass sich die Versicherungen sehr konstruktiv verhalten. Häufig werden Policen nach einem großen Schadensfall gekündigt, davon sehen die meisten Versicherer diesmal nach unseren Informationen ab.