Bald soll Schluss sein mit dem Flickenteppich im Bahnverkehr. Die Verkehrsverbünde könnten so S-Bahnen und Regionalzüge einfacher beschaffen und betreiben, und auch die Fahrgäste würden von niedrigeren Kosten profitieren.
NRW plant BahnreformRegionalverkehr auf der Schiene soll neu organisiert werden
Die Landesregierung will den Regionalverkehr in Nordrhein-Westfalen auf der Schiene neu organisieren und plant eine Strukturreform. Der Betrieb von Regionalzügen und S-Bahnen soll künftig landesweit einheitlich geplant und weiterentwickelt werden. Dazu sollen der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), go.Rheinland und der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) zu einer Einheit verschmelzen, die in den Händen der Kommunen bleibt.
Was plant das NRW-Verkehrsministerium genau?
Der Regionalverkehr auf der Schiene in Nordrhein-Westfalen soll künftig aus einer Hand organisiert werden, also Regionalexpress-Züge, Regionalbahnen und S-Bahnen. Die Landesregierung hatte dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben, das seit dieser Woche vorliegt. Die Bahnen kommunaler Verkehrsbetriebe wie der KVB in Köln oder der Rheinbahn in Düsseldorf sind von den Plänen nicht betroffen.
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Wie läuft das bisher?
Bisher kümmern sich drei sogenannte Aufgabenträger, der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), go.Rheinland und der Nahverkehr Westfalen-Lippe, um den Regionalverkehr. Sie planen den Zugverkehr, schreiben die Strecken aus, um deren Betrieb sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen bewerben können, vergeben die Aufträge und kontrollieren, ob die Fahrleistungen auch wie vereinbart erbracht werden. All das soll nun in einer Stelle zentralisiert werden.
Warum will die Landesregierung das bewährte System ändern?
Weil sie es für nicht mehr zeitgemäß hält und es im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen so vereinbart wurde. „Der Zusammenschluss der drei Aufgabenträger macht aus vielen Gründen Sinn“, sagt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer auf Anfrage. „Wir sind viel zu ineffizient unterwegs, müssen komplizierte Abstimmungen bei Ausschreibungen miteinander vornehmen. Das hat zuletzt für das S-Bahn-Netz Köln, das mit Linien bis nach Essen in das VRR-Gebiet hineinreicht, sieben Jahre gedauert.“
Im vergangenen Jahr hatten VRR und go.Rheinland gemeinsam ein Auftragspaket im Wert von fünf Milliarden Euro für 90 neue S-Bahnzüge einschließlich Betrieb und Wartung an Alstom vergeben. „Das hätten wir drei Jahre schneller und vermutlich auch preiswerter haben können“, sagt Oliver Wittke, Vorstandschef der VRR. „Unsere Marktmacht wäre größer, wir hätten weniger Koordinationsbedarf und bräuchten weniger Arbeitsgruppen, um solche Projekte zu verhandeln.“ Am Ende profitieren auch die Fahrgäste davon: Wenn weniger Kosten entstehen, muss weniger an die Endkunden weitergegeben werden.
Warum gründet man nicht einfach eine Landeseisenbahngesellschaft nach bayrischem Vorbild?
Den gesamten Schienenpersonenverkehr im bevölkerungsreichsten Bundesland aus einer Hand zu organisieren, ist aus Sicht von Wittke nicht zielführend. „Die Verkehrsverbünde müssen erhalten bleiben. Man kann einen regionalen und lokalen Bahn- und Busverkehr für Euskirchen und Minden nicht aus einer Hand organisieren.“
Beim Zugverkehr muss das funktionieren, sagt Krischer: „Wir haben in NRW bei der S-Bahn und den Regionalzügen bis auf wenige Ausnahmen nur Linien, die über die Verbundgrenzen fahren und somit von drei Aufgabenträgern betreut werden. In Zeiten, in denen der Druck groß, das Geld knapp und die Betriebsqualität wichtig ist, brauchen wir eine andere Lösung aus einem Guss.“ Weil der Nachfragemarkt in NRW aus drei Teilmärkten besteht, sei die Verhandlungsposition gegenüber den großen Bahnunternehmen wie DB Regio NRW oder National Express geschwächt. Das Land müsse da mit einer Stimme sprechen.
Ist die geplante Reform eine Folge der Einführung des Deutschlandtickets?
„Das Deutschlandticket beschleunigt den Handlungsdruck“, so Krischer. „Wir haben jetzt eine ÖPNV-Flatrate und mit eezy.nrw ein weiteres Ticketangebot, das unschlagbar praktisch ist für alle Fahrgäste, die nur ab und zu den ÖPNV nutzen. Insofern kommt auf mehreren Ebenen Bewegung in die Tarife. Der VRR hat damit begonnen, die Anzahl von Tickets zu reduzieren und go.Rheinland macht sich auch auf den Weg. Die Tarifhoheit liegt bei den Verkehrsunternehmen beziehungsweise Verkehrsverbünden.“
Wie sieht man bei go.Rheinland die angestrebte Fusion der drei Aufgabenträger zu einer Organisation in kommunaler Trägerschaft?
Sehr kritisch. Seit der Auflösung der Deutschen Bundesbahn in den 1990er-Jahren hätten die Aufgabenträger wie go.Rheinland den Regionalverkehr um 30 Prozent ausgebaut, moderne Fahrzeuge etwa beim Rhein-Ruhr-Express bereitgestellt und finanziert. Man habe „den Wettbewerb auf der Schiene immer weiter vorangetrieben und dabei stetig mehr Verantwortung für das System übernommen“, teilt go.Rheinland auf Anfrage mit. Der Aufgabenträger go.Rheinland sorge für „einen Nahverkehr aus einem Guss“, bestelle die Züge, kümmere sich um den Ausbau der Infrastruktur, übernehme für die Kommunen die Weiterentwicklung der Mobilität und organisiere die Tarife, den Vertrieb und das Marketing.
Sollte der Schienenpersonennahverkehr wie jetzt geplant herausgelöst werden, sei „dieses Zusammenspiel“ gefährdet. Man könne den Anspruch der Landesregierung nachvollziehen, zu mehr Effizienz beim Schienenverkehr zu kommen, heißt es bei go.Rheinland. Sollte das Gutachten „mögliche Schwachpunkte der heutigen Organisationsstruktur in Fragen der Effizienz konkret“ aufzeigen, müssten daraus Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet werden.