Der Zweckverband go.Rheinland fürchtet, dass die Finanzierung für die Verkehrswende komplett wegbrechen könnte.
Hochleistungsnetz hat VorrangDeutsche Bahn stoppt Sanierung ihrer Brücken in Köln
Beim Ausbau des Kölner S-Bahnnetzes drohen erhebliche Verzögerungen. Die Deutsche Bahn hat den seit langem feststehenden Zeitplan für den Austausch von zum Teil mehr als 100 Jahre alten Brücken in Köln vorerst gestoppt und will auch den Ausbau der Infrastruktur sowie die anstehenden Streckensanierungen im Großraum Köln neu eintakten. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Fortführung der Arbeiten nicht terminiert“, teilt ein Bahnsprecher in Düsseldorf auf Anfrage mit.
Eine Sanierung blockiert die nächste
Grund ist die geplante Generalsanierung des sogenannten Hochleistungsnetzes, die mit der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim zwischen Juli und Dezember 2024 begonnen hat. Insgesamt sollen bis 2030 bundesweit 40 Streckenabschnitte in Deutschland mit einer Gesamtlänge von 4000 Kilometern unter Vollsperrung auf Vordermann gebracht werden. Darunter sind auch die für den Fernverkehr wichtigen Korridore Köln-Aachen, Köln-Bonn-Koblenz und Köln-Wuppertal-Hagen.
Weil sich diese Arbeiten mit den Ausbauplänen für das S-Bahnnetz zeitlich überschneiden und sämtliche Großbaustellen auf Hauptstrecken immer Auswirkungen auf den Bahnknoten Köln haben, kann die DB InfraGO derzeit keinen Zeitpunkt nennen, wann das Sanierungsprogramm wieder aufgenommen wird, zumal die Generalsanierung des Hochleistungsnetzes davon abhängt, ob „im künftigen Bundeshaushalt die Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen“, heißt es weiter.
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Doch was bedeutet das konkret für Köln? Der Austausch von insgesamt vier Eisenbahnbrücken zwischen dem Bahnhof Köln-Messe/Deutz und der Lanxess-Arena, der eigentlich bis 2029 abgeschlossen sein sollte und rund 100 Millionen Euro kosten soll, ruht auf unbestimmte Zeit.
Bisher ist dort erst eine Brücke im April 2021 erneuert worden. Die Deutz-Mülheimer Straße wird auf einer Länge von etwa 120 Metern von insgesamt 13 Gleisen und sechs Brücken überführt. Vier der Überführungen sind mehr als 100 Jahre alte Stahlbogenkonstruktionen. Sie haben eine zu niedrige Durchfahrtshöhe und entsprechen nicht mehr den modernen Anforderungen an die Infrastruktur. Unter diesen sogenannten Idiotenbrücken fahren sich immer Lastwagen fest, reißen dabei teilweise die Fahrdrähte der KVB-Stadtbahnen herunter.
Unklar ist auch, was mit der Sanierung der Bahnbrücken zwischen dem Kölner Hauptbahnhof und Hürth-Kalscheuren, der sogenannten Westspange der S-Bahn, geschieht, die von Juli 2028 bis Dezember 2029 geplant war. Dabei handelt es sich um die vier Bahnbrücken an der Venloer, Vogelsanger, Zülpicher und Luxemburger Straße, die auch laut Aussagen des Zweckverbands go.Rheinland nach rund 100 Jahren „am Ende ihrer Lebensdauer angekommen“ sind und zumindest modernisiert werden müssen.
Der Zweckverband go.Rheinland, der den S-Bahn- und Regionalverkehr im Großraum Köln/Aachen organisiert, hatte schon im November 2024 davor gewarnt, dass dieses Projekt auf der Kippe stehen könnte, weil es ohne eine Totalsperrung nicht durchzuführen und wegen der anderen Baumaßnahmen völlig unklar sei, ob die Südbrücke als Ausweichroute zur Umfahrung in den Knoten Köln genutzt werden kann.
Fraglich ist auch, was mit den maroden Bahnbrücken geschieht, die laut Plan in den Jahren 2030 und 2031 nach Abschluss der Arbeiten in Deutz erneuert werden sollten. Dabei geht es um die Eisenbahnüberführung an der Hartwichstraße/Liebigstraße in Nippes, der Berliner Straße in Mülheim und der Wasserwerkstraße in Holweide.
In der Chefetage von go.Rheinland ist man alarmiert. „Die Aussage der DB, dass die Arbeiten an den noch zur Sanierung anstehenden Brücken über die Deutz-Mülheimer Straße neu eingetaktet werden müssen, erfüllt uns mit Sorge“, sagt Geschäftsführer Norbert Reinkober.
„Wir sehen die Gefahr, dass anstehende Projekte – ob Sanierung oder Ausbau – miteinander konkurrieren, Verzögerungen entstehen, Finanzierungen wegbrechen. Zudem haben wir Sorge, dass sich eine neue Bundesregierung nicht an die Zusagen der scheidenden gebunden fühlen könnte. Wir werden unseren Einfluss auf allen politischen Ebenen geltend machen, um zu erreichen, dass die dringend notwendigen Sanierungs- und Ausbauprojekte in der Region wie geplant umgesetzt werden.“ Das sei nicht nur im Interesse der Fahrgäste elementar. „Ohne den Ausbau der Infrastruktur stünde auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts auf der Kippe“, so Reinkober weiter.
Mit dem Ausbau der S-Bahn und der Ertüchtigung des Bahnknotens Köln verfolgt go.Rheinland das Ziel, dass zwischen Köln-West und Hürth-Kalscheuren die S-Bahnen auf ausschließlich für sie reservierten Gleisen fährt und so 24 statt bisher 18 Züge pro Stunde und Richtung unterwegs sind. Schnellere Fernzüge, Regionalbahn und Güterzüge sollen von der S-Bahn getrennt werden und sich nicht mehr gegenseitig behindern.
90 neue S-Bahnzüge schon bestellt
Das ist die Voraussetzung, um komplett neue S-Bahnlinien einzuführen oder ehemalige Regionalbahn-Linien wie die RB 38 zwischen Bedburg und Köln auf S-Bahn-Niveau zu heben. S-Bahnen fahren grundsätzlich elektrisch und in einem dichteren Takt.
Zu den neuen S-Bahn-Strecken zählt auch die S 6 zwischen Leverkusen, Köln, Pulheim und Mönchengladbach, die bisher nur zwischen Worringen und Essen Hauptbahnhof fährt und vier neue Haltepunkte bedienen soll. Zwei davon liegen in Köln: in Bocklemünd und an der Berliner Straße in Mülheim.
90 neue Züge für das erweiterte S-Bahnnetz sind beim Zughersteller Alstom bereits bestellt. Sie kosten einschließlich Wartung und Instandhaltung für einen Zeitraum von 30 Jahren rund fünf Milliarden Euro. Der Probebetrieb soll 2029 beginnen.
Anfang 2025 kalkuliert man für den S-Bahnausbau im Kerngebiet von Köln mit 2,3 Milliarden Euro. Davon trägt der Bund 75 Prozent, das Land hat 900 Millionen Euro zugesagt. 100 Millionen Euro sind zu diesem Zeitpunkt bereits in die Planungen geflossen.