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„Ertrag und Qualität sind eine Katastrophe“Schlechtes Wetter vermiest Bauern in NRW die Ernte

Lesezeit 5 Minuten
Ein Traktor mit einer Spatenrollegge fährt über ein abgeerntetes Feld.

Zu nass, zu wenig Sonne: Besonders beim Weizen hat das Wetter zu hohen Ernteausfällen geführt.

Die Ernte im Rheinland enttäuscht auf ganzer Linie. Besonders Weizenbauern klagen. Wir haben mit Landwirten gesprochen.

Das Wetter meint es nicht gut mit Victor Dünn: „In den letzten Jahren hatten wir immer viel zu viel Trockenheit. Dieses Jahr war es aber zu nass.“ Auf den Feldern von Gut Clarenhof in Frechen sind in diesem Jahr bis zu 40 Prozent der Ernte ausgefallen. Beim Säen in Frühjahr sei es zu nass gewesen und der Weizen konnte keine Kraft entwickeln, um zu wachsen. Dann, im Sommer, war es zu trocken, als dass das Getreide nochmal einen Schub hätte bekommen können. „Es war einfach das falsche Wetter zum falschen Zeitpunkt“, erklärt Dünn.

Wie Victor Dünn geht es vielen Landwirten im Rheinland. Der Ertrag aus der Weizenernte sei im Vergleich zum Vorjahr um fast 27 Prozent zurückgegangen, schreibt das Statistische Landesamt Nordrhein-Westfalen. „Ertrag und Qualität sind eine Katastrophe“, kommentiert Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV) die maue Erntebilanz. Pro Hektar können Landwirte im Schnitt neun Tonnen Weizen ernten. In diesem Jahr lag der Hektarertrag allerdings nur bei 7,1 Tonnen. Heißt: So schlecht wie dieses Jahr fiel die Ernte seit den 1990er Jahren nicht mehr aus.

Rheinischer Landwirtschaftsverband: „Ertrag und Qualität sind eine Katastrophe“

Das liegt vor allem an der schlechten Qualität des Weizens: den Körnern fehlen Eiweiße und Korndichte. Aus ihnen kann später viel weniger Mehl gewonnen werden, als aus hochwertigem Weizen. „Letztlich bedeutet dies für unsere Landwirte, dass ein großer Teil der Weizenernte verfüttert werden muss,“ sagt RLV-Präsident Conzen.

Schuld an den schlechten Erträgen ist das Wetter. Hatten die Landwirte in den vergangenen Jahren mit Trockenheit und Hitze zu kämpfen, war es dieses Jahr zu nass. An vielen Messstationen wurde bis Juli die durchschnittliche Regenmenge eines ganzen Jahres erreicht. Viele Pflanzen hätten nicht überlebt, weil sie im Winter im Wasser standen.

Besonders Winterweizen war von den Ernterückgängen betroffen, 2024 wurden rund ein Drittel weniger als im Vorjahr geerntet. Anders beim Sommerweizen: Der Ertrag hat sich mit fast 56 000 Tonnen verfünffacht. Die Wetterbedingungen verändern sich – das bekommt Victor Dünn vom Gut Clarenhof zu spüren. Zu den heißen und trockenen Sommer kämen immer häufiger Starkregen und Hagelfälle. „Das gemäßigte Klima, das wir hier normalerweise haben, verschiebt sich und wird immer extremer“, sagt Dünn. Er müsse nun anbautechnisch reagieren und vor allem Getreidesorten anpflanzen, die hitzeresistent sind. Weil die Böden in der Kölner Bucht besonders fruchtbar sind, wurden hier vor allem Getreidesorten gepflanzt, die besonders viel Ertrag bringen. In trockenen Regionen wie Brandenburg hingegen muss das Getreide in erster Linie resistent gegen Hitze und Trockenheit sein. „Das sind ganz andere Strukturen“, sagt Victor Dünn. Mit welchen Getreidesorten er künftig im rheinischen Boden trotz Hitzephasen stabile Ernten einfahren kann, weiß es noch nicht.

Gegen Starkregen und Hagel gibt es für seine Felder keinen Schutz. „Wir können nur so produzieren, wie wir es seit Jahrhunderten nach bestem Wissen und Gewissen machen“, sagt Victor Dünn. Zwar gebe es Versicherungen gegen Hagelschäden, die seien allerdings zu teuer. Die finanziellen Folgen durch den Ernteausfall beim Weizen müssen nun an anderer Stelle aufgefangen werden. Gut Clarenhof baut neben Getreide auch Obst und Gemüse an, hat einen eigenen Hofladen, ein Café und einen Weingarten. Zwar habe der Hof auch noch finanzielle Reserven vom letzten Jahr, bei einer zweiten schlechten Ernte könnte es allerdings finanziell schwer werden, sagt Bauer Dünn.

Äpfel, Erdbeeren, Kartoffeln – auch sie schwächeln beim Ertrag

Auch die Ernten von Kartoffeln, Äpfeln und Erdbeeren fallen in NRW dieses Jahr witterungsbedingt unterdurchschnittlich aus. Mit Folgen für die Verbraucher: Laut dem Datenportal Statista hat der Kartoffelpreis deshalb schon deutlich angezogen. Im Juli lag der Verbraucherpreisindex bei 168,1. Daraus ist abzuleiten, dass die Preise im Vergleich zum Jahr 2020 um 68,1 Prozent gestiegen sind. Der Index startete mit einem Wert von 100.

Die Landwirtschaftskammer Rheinland bestätigte den Preisanstieg. „Die Preise für Kartoffeln sind in der ersten Jahreshälfte angestiegen, allerdings beobachten wir, dass sie jetzt schon wieder rückläufig sind“, so ein Sprecher der Kammer. Die schlechte Ernte bei den rheinischen Äpfeln werde im Supermarkt kaum zu spüren sein. „Äpfel kommen bei uns aus allen Teilen der Welt, diese kompensieren unsere Ernteausfälle. Beim Gemüse sei vor allem bei Salaten, Kräutern, Zwiebeln und Zucchini eine schwache Ernte zu beobachten. Verbraucher würden das aber allenfalls auf Wochenmärkten mit regionalen Produkten an den Preisen spüren.

Roland Schmitz-Hübsch steht in seiner Apfelplantage.

Obstbauer Roland Schmitz-Hübsch ist mit seinem Ertrag zufrieden: Für ihn sei dieses Jahr nochmal alles gutgegangen.

Davon ist Roland Schmitz-Hübsch zum Glück nicht betroffen. Er bewirtschaftet einen Obstbaubetrieb in Bornheim und hat weniger mit Trockenheit als mit Frost zu kämpfen – auch in diesem Jahr. Doch gegen die Frostnächte Ende April konnte Schmitz-Hübsch seine Äpfel schützen. „Wir haben unsere Beregnungsanlagen eingeschaltet und sind damit gut durchgekommen.“ Der feine Sprühregen legt sich auf den Obstblüten ab. Wenn das Wasser gefriert, wird Wärme freigesetzt, die die Blüten schützt, erklärt er. Für ihn sei in diesem Jahr nochmal alles gut gegangen – andere Anbaulagen seien aber erfroren.

„Unsere Landwirte stehen vor der großen Herausforderung, die Lebensmittelversorgung unter immer schwierigeren Bedingungen zu sichern“, sagt RLV-Präsident Conzen und kritisiert: „Die Politik macht es uns leider nicht leichter. Statt sachgerechte Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft zu geben, regiert die Berliner Blase mit einem bürokratischen Klein-Klein aus Auflagen und Verboten."

Conzen hat bei seinen Forderungen vor allem das Thema Düngung und Pflanzenschutz im Blick: „Wir brauchen eine Düngung, die sich am Bedarf der Pflanzen orientiert, damit wir marktfähige Produkte erzeugen können. Wir brauchen eine ausreichende Zahl von Pflanzenschutzmitteln, um den Herausforderungen des Klimawandels mit immer neuen Pflanzenkrankheiten und Schädlingen angemessen begegnen zu können, und wir brauchen einen Innovationsschub in der Pflanzenzüchtung, damit die Klimaanpassung gelingen kann.