Streit um MillionenAldi-Erbe wirft Mutter und Schwestern Untreue vor
- Der Familienstreit bei Aldi geht weiter. Mitglieder der Familie sollen sich widerrechtlich Millionen aus dem Stiftungsvermögen des Konzerns angeeignet haben, lautet der Vorwurf von Nicolay Albrecht.
- Das nächste Kapitel um die Fehden einer der reichsten Handelsdynastien berührt einen tiefergehenden Zwist zwischen zwei Familienzweigen.
- Seit Jahren versucht der Konzernlenker Theo Albrecht junior, seine Nichten und Neffen aus dem mächtigen Stiftungsrat zu drängen.
Köln – Der Familienstreit bei Aldi-Nord nimmt tragische Züge an: Im August ging bei der Staatsanwaltschaft Kiel eine Strafanzeige gegen drei Erben aus dem Albrecht-Clan ein. Bei dem Urheber handelt es sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ um Nicolay Albrecht, den einzigen Sohn des verstorbenen Konzerneigners Berthold Albrecht – einer der beiden Erben des Aldi-Nord-Gründers Theo Albrecht senior.
Nicolay Albrechts Vorwurf: Mitglieder der Familie sollen sich mit Hilfe ihres Anwalts widerrechtlich Millionen aus dem Stiftungsvermögen des Konzerns angeeignet haben. Der Aldi-Enkel wirft seinen drei Schwestern Untreuehandlungen in Millionenhöhe vor. Auch seine Mutter Babette, die Witwe Bertholds, soll von unrechtmäßigen Ausschüttungen profitiert haben. Nach Informationen dieser Zeitung geht es um netto 25 Millionen Euro, die sich Nicolays Mutter und Schwestern zuletzt jährlich auszahlen ließen. Zuerst hatte „Business Insider“ über den Fall berichtet.
Aldi: Staatsanwalt bestätigt Ermittlungen
Oberstaatsanwalt Michael Bimler wollte sich zu dem Namen des Anzeigenerstatters nicht äußern. Er bestätigte allerdings entsprechende Untreue-Ermittlungen. „Wir prüfen derzeit, ob ein Anfangsverdacht besteht“, sagte der Behördensprecher. Weil es sich um eine Privatanzeige handele, müsse man zunächst ein Verfahren einleiten.
Allerdings enthalte die Anzeige, die gerade einmal eine Seite umfasst, derart spärliche Informationen, „dass man hier wohl nochmal den Anzeigenerstatter befragen und etliche Urteile und Akten hinzuziehen muss, um eine Entscheidung über etwaige strafprozessuale Maßnahmen zu treffen“.
Es ist das nächste Kapitel um die Fehden in einer der reichsten Handelsdynastien. Seit längerer Zeit bestehen offenbar tiefgreifende Differenzen in der Essener Milliardärsfamilie um Babette Albrecht und den einzigen männlichen Nachkommen Nicolay. Im vergangenen Jahr erschien der Sohn in Begleitung zweier Männer an der Villa seiner Mutter in Essen-Bredeney. Dort wurde ihm aber nicht geöffnet. Vielmehr verständigte man die Polizei. Die Beamten baten den Albrecht-Sprössling, wieder zu gehen. Über die Hintergründe wurde nichts bekannt.
Zwist zwischen Familienzweigen
Die Strafanzeige des Aldi-Enkels berührt einen noch weit tiefergehenden Zwist unter den beiden Familienzweigen im Discounter-Imperium. Im Kern geht es um die Herrschaft über die drei Stiftungen Lukas, Markus und Jakobus, die alle Unternehmensanteile halten und das zweistellige Milliardenvermögen des Aldi-Nord-Konzerns verwalten. Bei wichtigen Investments oder Entscheidungen müssen alle drei Stiftungsgremien zustimmen.
Um die Jakobus-Stiftung (19,5 Prozent Unternehmensanteile) tobt seit langer Zeit ein erbitterter Streit zwischen den Erben Bertholds und dessen älterem Bruder Theo Albrecht junior. Seit Jahren versucht der Konzernlenker, seine Nichten und Neffen aus dem Stiftungsrat zu drängen. Nach seiner Auffassung gehen seine Verwandten viel zu verschwenderisch mit dem Stiftungsvermögen um. Über einen längeren Zeitraum sollen sie sich insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag ausgeschüttet haben.
Nach Theo Albrechts Ansicht ganz im Gegensatz zum letzten Willen seines verstorbenen Bruders. Vor dessen Tod im Jahr 2012 hatte Berthold Albrecht die Satzung der Stiftung geändert, um den Einfluss seiner Nachkommen auf die Geschicke des Konzerns einzuschränken. Seine Erben klagten gegen die Stiftungsreform. Begründung: Der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Satzungsänderung nicht geschäftsfähig gewesen. Tatsächlich befand sich Berthold Albrecht zu jener Zeit lebensgefährlich erkrankt in einem Sanatorium in der Schweiz. Dennoch scheiterten Bertholds Witwe Babette und ihre fünf Kinder mit ihrer Auffassung in drei Instanzen – zuletzt mit ihrem Revisionsantrag vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Schwierige Modernisierung
In der Folgezeit hätte der Jakobus-Stiftungsvorstand neu besetzt werden müssen. Dazu hätten Bertholds Nachfahren Platz für zwei Konzernmanager im Gremium machen müssen. Diesen Schritt hat die zuständige Stiftungsaufsicht im Landkreis Rendsburg-Eckernförde Schleswig-Holstein bereits angemahnt. Geschehen ist bisher nichts dergleichen. Nach wie vor lenken Töchter Bertholds und ihr Anwalt die Geschicke der Jakobus-Stiftung. Ohne ihre Zustimmung kann der Konzern keine wichtigen operativen Entscheidungen fällen. De facto ist Theo junior nach wie vor auf das positive Votum seiner Nichten angewiesen. Und das in einer Phase, in der die Unternehmensgruppe in einem schwierigen Modernisierungsprozess steckt.
Nun also erhält der ältere Erbe Theo Junior ungeahnte Schützenhilfe von seinem Neffen. Der Gang zum Staatsanwalt befeuert den Kampf der Familienstämme. Die zivilrechtlichen Kabalen münden in strafrechtlichen Untersuchungen. Nicolay Albrecht wirft seinen Schwestern vor, dass sie sich Millionenbeträge aus der Jakobus-Stiftung zugewiesen haben, obschon sie auf Grund der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht dazu berechtigt gewesen seien.
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Eine Antwort der Berthold-Töchter steht noch aus. Ihr Anwalt war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. In der Vergangenheit hatte der Jurist stets betont, dass die Ausschüttungen der Stiftungssatzung und dem Testament Berthold Albrechts entsprächen und nicht zu beanstanden seien.
Es bleibt also abzuwarten, ob sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein Anfangsverdacht erhärten lässt. Bis dahin redet weiterhin der Berthold-Familienstamm über die Geschicke bei Aldi-Nord mit.