Lange haben Bund und Länder um ein Wachstumspaket für die Wirtschaft gerungen. Die Union wollte Verbesserungen für Bauern erreichen. Doch erst einmal wird eine Subvention gekürzt.
WachstumspaketBundesrat beschließt Abbau von Agrar-Subvention und schärfere Bürgergeld-Sanktionen
Trotz heftiger Proteste von Landwirten hat der Bundesrat den Abbau von Agrardiesel-Subventionen beschlossen - und ein milliardenschweres Wachstumspaket für die Wirtschaft. Die Länderkammer gab am Freitag nach langem Ringen grünes Licht für beide Vorhaben der Ampel-Koalition.
Die Bundesregierung kündigte zugleich Unterstützung für die Landwirtschaft an. Doch weder Bauern noch Industrie und Mittelstand sind sonderlich zufrieden. Die großen Wirtschaftsverbände warnten unisono, die beschlossenen Steuerentlastungen und Bürokratieabbau brächten keinen echten Wachstumsimpuls.
Finanzminister Christian Lindner stellte nur Minuten nach dem Beschluss auf X (früher Twitter) weitere Maßnahmen in Aussicht. Das Wachstumschancengesetz sei zwar ein wichtiges Signal. „Aber sein Volumen ist wesentlich kleiner als ursprünglich von mir geplant“, erklärte Lindner. Es müssten nun weitere Schritte folgen, um die Lage der Wirtschaft zu verbessern. „Wir arbeiten daran“, versprach der FDP-Politiker.
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Wachstumspaket nur noch halb so groß
Ursprünglich sollte das Gesetz ein Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anregt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Bundestag war das Gesetz beschlossen worden, doch die Länder stoppten es im Bundesrat, weil sie hohe Einnahmeausfälle befürchteten.
Im Vermittlungsverfahren, in dem Vertreter von Bundestag und Bundesrat Kompromisse suchen, wurde das Volumen des Gesamtpakets von einst geplanten sieben Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden pro Jahr zusammengestrichen. Eine staatliche Prämie für Klimaschutz-Investitionen soll es nun doch nicht geben.
Geblieben sind unter anderem die steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Anrechenbarkeit von Verlusten bei der Steuererklärung und der Abbau bürokratischer Hürden. Meldeverfahren und Buchführungspflichten sollen vereinfacht und Daten statt auf Papier elektronisch übermittelt werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz wertete das Gesetz als „wichtiges Zeichen für unsere Wirtschaft und eine erfolgreiche Zukunft des Landes“. Es werde Unternehmen helfen, in angespannten Zeiten in Forschung, Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum zu investieren.
Wirtschaft sieht „Booster“-Effekt nur im Wohnungsbau
Der Industrieverband BDI zeigte sich angesichts des Hickhacks vor dem Beschluss zwar erleichtert, warnte aber zugleich: „Einen deutlich spürbaren Wachstumsimpuls werden diese steuerlichen Entlastungen nicht setzen.“ Dafür sei das Paket zu stark zusammengekürzt worden. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte noch vor der Sommerpause „eine konkrete Reformagenda mit Entlastungen, die schnell im betrieblichen Alltag ankommen.“
Der Immobilienverband ZIA begrüßte vor allen die steuerlichen Anreize für mehr Wohnungsbau. Sie könnten einen echten Schub auszulösen. Mit dem Gesetz kann die Bau- und Immobilienbranche Investitionskosten schneller steuerlich abschreiben. Das soll dafür sorgen, dass schneller wieder Geld für neue Investitionen zur Verfügung steht. Bauministerin Klara Geywitz erklärte: „Sechs Jahre lang jeweils fünf Prozent der Investitionskosten abschreiben – das ist ein richtig großer Impuls für den Wohnungsbau in Deutschland.“
Agrardiesel-Subvention wird trotzdem abgebaut
CDU und CSU hatten ihre Zustimmung zum Wachstumspaket zunächst davon abhängig gemacht, dass die Bundesregierung den Abbau von Subventionen für Agrardiesel zurücknimmt. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Um eine Milliardenlücke im Bundeshaushalt zu stopfen, hatte die Ampel-Koalition eine schrittweise Streichung beschlossen. Für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen soll es keine Subventionen mehr geben.
Dabei bleibt es nun trotz des Protests aus CDU und CSU. Die Länderkammer entschied sich dagegen, erneut den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, Katja Hessel (FDP), hatte die Union vorher deutlich kritisiert: „Ich kann aber nicht verstehen, wie man Sachen in Geiselhaft nehmen kann und dafür ein ganzes Land stillstehen lassen kann“, sagte sie. Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) hingegen erklärte: „Die Landwirtschaft muss sich wirklich bei dieser Bundesregierung verraten und verkauft fühlen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“
Entlastungen für Bauern in Aussicht
Die Länder erwarten nun, dass die Bauern auf anderem Weg entlastet werden. Man habe sich bereits auf einzelne Punkte verständigt, betonte Hessel. In einer Protokollerklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wurden zehn Punkte genannt, die „zügig umzusetzen“ seien. Dazu gehört etwa die Erleichterungen bei Düngeregeln und weniger Dokumentationspflichten für Tierhalter. Außerdem soll die sogenannte Tarifglättung für sechs Jahre wieder eingeführt werden. Bei der Berechnung der Einkommensteuer wird dann nicht nur ein Steuerjahr herangezogen, sondern mehrere. Dadurch können Ertragsausfälle zum Beispiel durch extremes Wetter ausgeglichen werden.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte, das werde Bäuerinnen und Bauern spürbar entlasten. Es sei gut, dass die Bundesländer Landesinteresse über Parteitaktik gestellt hätten. „Die Landwirtschaft ist mehr als nur ein Spielball parteipolitischer Interessen“, betonte Özdemir.
Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) sprach von einem hoffnungsvollen Weg - jetzt müsse es aber auch Ergebnisse geben. Unter anderem leide die Agrarbranche an Überregulierung: Die Bauern verbrachten inzwischen mehr Zeit im Büro als auf dem Feld und im Stall. Der Landwirtschaftsminister von Baden-Württemberg, Peter Hauk (CDU), dagegen hält die in Aussicht gestellten Entlastungen nicht für ausreichend. Er setzte sich weiterhin dafür ein, die Kürzungen beim Agrardiesel zurückzunehmen.
Auch der Bauernverband betonte, der Kampf um den Agrardiesel sei noch nicht vorbei. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Landwirtschaft im europäischen Binnenmarkt so massiv zu schwächen, ist vollkommen inakzeptabel“, erklärte Verbandspräsident Joachim Rukwied. Mindestens bis zur Bundestagswahl 2025 werde das Thema weiter eine Rolle spielen. „Wir werden ständig auf der Matte stehen, um der Politik beizubringen, wie wichtig eine gute Landwirtschaftspolitik ist“, sagte er später auf dem Bauerntag in Linstow bei Rostock.
Auch Änderungen bei Luftverkehrsteuer und Bürgergeld beschlossen
Mit dem Votum des Bundesrats sind auch weitere Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts 2024 beschlossen. Dazu gehören etwa eine höhere Luftverkehrsteuer und verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld. Sie sind eine Folge des Verfassungsgerichtsurteils vom vergangenen Herbst, das eine Milliardenlücke in die Ausgabenpläne des Bundes gerissen hatte. (dpa)