Ob Cannes oder Kühlungsborn – was wären beliebte Badeorte ohne ihre Strandpromenaden? Dabei gewähren sie sowohl den Blick aufs weite Meer als auch auf die Sommermode: Seit jeher ist die Flaniermeile auch illustrer Laufsteg.
Flanieren im SommerurlaubSchaulaufen auf der Strandpromenade
Flanieren ist eine Art Lektüre der Straße“, hat der Autor und selbst ernannte Berliner Flaneur Franz Hessel (1880–1941) mal gesagt. Im Sommer ist die Strandpromenade ein besonders vielversprechender Ort, um wie in einem spannenden Buch immer wieder auf neue Gesichter und Geschichten zu stoßen.
Unter Palmen, Laternen und Markisen kann man oft kilometerlang spazieren, den Blick über Strand und Meer schweifen lassen, sich zwischendurch auf Bänken oder in Cafés und Restaurants ausruhen und erfrischen – und andere Menschen treffen, vor allem aber beäugen. Denn die Strandpromenade ist auch gemacht fürs Schaulaufen.
Kein Wunder also, dass es trotz unterschiedlicher Wortherkunft eine enge Verbindung gibt zwischen Prominenz (vom lateinischen prominere für hervorragen) und Promenade (abgeleitet vom französischen Wort promener für spazieren). Schöne, Reiche und Berühmte bevorzugten auch für die Ferien schon immer gern Orte des Sehens und Gesehenwerdens.
Als sich im 19. Jahrhundert Tourismus und Badekultur entwickelten, wurden Küstenorte und Inseln zu mondänen Urlaubszielen. So wie etwa Kühlungsborn an der Ostsee, das sich der längsten Strandpromenade Deutschlands rühmt. Im britischen Brighton zählte man bereits 1898 jährlich rund 80.000 Touristen. Heute kommen im Jahr acht Millionen.
Die Stadt am Ärmelkanal, deren einstiger Glanz als Nobelort vor allem in den 1980er-Jahren ziemlich abgeblättert war, ist das größte Seebad Englands – und hat sich mittlerweile wieder etwas mehr herausgeputzt. Ruhe findet man dort eher nicht. Die Uferpromenade gleicht einem Rummelplatz – immerhin einem, der schon viele Prominente anzog: Hugh Grant und Robbie Williams sollen hier schon gesichtet worden sein. Gitarrist Gary Moore wohnte gar in Brighton, ebenso wie Cate Blanchett oder Paul McCartney.
Engländer in Nizza: Auf der Promenade des Anglais
Überhaupt sind es die Engländer, die das Promenieren am Strand vielleicht nicht erfanden, aber immerhin populär machten: So heißt eine der ältesten und berühmtesten Strandpromenaden der Welt nicht zufällig Promenade des Anglais. Diese Flaniermeile der Engländer befindet sich am Strand von Nizza, das im 19. Jahrhundert als Winterquartier reicher Briten so beliebt war, dass der französische Schriftsteller Alexandre Dumas einst beklagte, der Ort sei im Grunde eine englische Stadt, in der man nur hin und wieder Einheimische treffe.
Immerhin erwiesen sich die Besucherinnen und Besucher als nützlich: Sie begannen 1824 damit, einen Fußweg aus Steinen am Meer anzulegen. Die Franzosen führten das Projekt fort. „La Prom“, wie der Weg im Volksmund heißt, ist heute sieben Kilometer lang, gesäumt von Luxushotels – und den charakteristischen „Chaises Bleues“, blauen Stühlen zum Verweilen für jedermann.
Wo viel Licht ist, ist bekanntlich auch viel Schatten: Am 14. Juli 2016 wurde die Promenade Ziel eines terroristischen Anschlags durch einen IS-Attentäter, der mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast war. Mehr als 80 Menschen kamen dabei ums Leben. Ein anderes tödliches Ereignis geschah 1927: Als die US-amerikanische Ausdruckstänzerin Isadora Duncan in einem Cabrio auf der Promenade mitfuhr, verfing sich ihr weißer Seidenschal in der Felge. Sie wurde erdrosselt. Die Schriftstellerin Gertrude Stein soll den Unfall mit dem heute noch häufig zitierten Satz „Affektiertheit kann gefährlich sein“ kommentiert haben.
Keinen weißen Schal, dafür einen weißen Spitz hatte die Frau, die dem Bankangestellten Dmitrij Dmitritsch Gurow in Anton Tschechows Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“ den Kopf verdreht: Er entdeckt sie zum ersten Mal auf der Strandpromenade von Jalta, eine „kleine Blondine mit einem Barett …; hinter ihr her lief ein weißer Spitz“. Mag sein, dass die junge Frau den Hund nur dabeihatte, um besonders aufzufallen, quasi als Accessoire.
Mehr als 120 Jahre später hätte sie stattdessen vielleicht zu einem Entwurf von Balmain gegriffen, denn eleganter kann man kaum ins Auge stechen: Die Sommerkollektion wird bestimmt von Kleidern mit optischer Täuschung als Stilmittel. So sehen die Prints von Renaissancegemälden auf fließendem Stoff wie Körperbemalung aus.
Flowerpower und Ballonseide
Weniger extravagant, aber nicht weniger auffällig: Flowerpower. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang kann man mit blumig gemustertem Kleid oder Jumpsuit auf der Strandpromenade zum Blickfang werden. So wie Schauspielerin Brie Larson bei den jüngsten Filmfestspielen auf der Croisette in Cannes, ebenfalls einer so prächtigen wie berühmten Promenade. Für Männer gibt es zwei gute Nachrichten: Dank Armani ist der Ballonseideauftritt in diesem Sommer auch abseits sportlicher Betätigung salonfähig.
Jogginghosen, Boxershorts und Trainingsjacken lassen Flaneure wie Strandläufer aussehen. Wem das zu warm ist, der kann es mit transparenten Shirts probieren, die ebenfalls angesagt sind. Durchaus möglich, dass derlei Outfits in manchen Hotelrestaurants nicht gern gesehen werden – aber wozu hat man die Lokale und Bars entlang der Strandpromenade? (RND)
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