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Geburtstagsgrüße aus MoskauNordkorea sucht neue Freunde

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09.09.2024, Nordkorea, Pjöngjang: Die von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA am 10.09.2024 zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt nach Angaben von KCNA Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, während einer Rede zur Feier des nationalen Gründungstags der Demokratischen Volksrepublik Korea, wie die offizielle Landesbezeichnung lautet. Nordkorea will die Anzahl seiner Nuklearwaffen erhöhen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete, erklärte Machthaber Kim Jong Un, dass der Bestand «exponentiell» erhöht werden solle. Der Inhalt dieser Aufnahme ist so, wie er zur Verfügung gestellt wurde und kann nicht unabhängig überprüft werden. Das Wasserzeichen in koreanischer Sprache auf dem Bild lautet wie von der Quelle angegeben: «KCNA» ist die Abkürzung für Korean Central News Agency. Foto: Uncredited/kcna/kns/dpa

Pjöngjang: Die von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt nach Angaben von KCNA Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, während einer Rede zur Feier des nationalen Gründungstags der Demokratischen Volksrepublik Korea, wie die offizielle Landesbezeichnung lautet. (Archivbild)

Lange galt Nordkorea als der am stärksten isolierte Staat der Welt. Doch immer deutlicher zeigt sich ein anderes Bild: Die Verbindungen Pjöngjangs laufen in verschiedene Länder, etwa nach Südostasien und offenbar auch nach Osteuropa.

Für Kim Jong Un war die Woche ziemlich gut gelaufen. In Pjöngjang marschierten mal wieder die Soldaten durchs Stadtzentrum und salutierten in Richtung ihres „Obersten Führers“, wie sich der Diktator nennen lässt. Doch nicht nur auf dem riesigen, nach Kims Großvater und Nordkoreas Staatsgründer benannten Kim-Il-Sung-Platz wurde gefeiert. An anderer Stelle hat eine Ausstellung mit Briefmarken eröffnet, die die Konterfeis der Kim-Dynastie zeigen. Und vor Statuen von Kims Amtsvorgängern wurden viele Blumen niedergelegt.

Am 9. September vor 76 Jahren wurde die Demokratische Volksrepublik Nordkorea gegründet, international besser bekannt als Nordkorea. Dieses weitgehend arme Land griff kaum zwei Jahre nach seiner Gründung den damals ebenfalls jungen Staat Republik Korea südlich seiner Grenze an und verharrt bis heute formal im Kriegszustand mit jenem Südkorea. Dieser Tage gibt sich Nordkorea äußerst selbstbewusst, gar kampfeslustig. Für einen neuerlichen Krieg mit dem Süden wäre man bereit, hat Kim Jong Un wiederholt erklärt.

Sollte die Regierung in Sofia eine Delegation aus Pjöngjang empfangen, wäre dies für die EU ein diplomatisches Problem.
Felix Lill

Zumal Nordkorea immer mehr Freunde hat. Gratulationsgrüße zum Jahrestag der Staatsgründung sind nicht nur – wie erwartet – aus Moskau gekommen. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 haben sich Kremlchef Wladimir Putin und Kim Jong Un angenähert und ihren Austausch verstärkt. Nordkorea unterstützt Russlands Krieg nicht nur rhetorisch, sondern auch mit Waffenlieferungen.

Auch aus Peking traf ein freundlicher Brief in Pjöngjang ein. Laut dem „Rodong Sinmun“, einer Zeitung im Einparteienstaat Nordkorea, hat der chinesische Staatspräsident Xi Jinping den Wunsch ausgedrückt, die strategische Kommunikation mit Pjöngjang künftig zu stärken. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet allerdings, dass es die erste Nachricht von Xi seit acht Monaten war und diese vor dem Hintergrund zuletzt schwieriger Beziehungen zwischen China und Nordkorea zu betrachten sei.

China, das Nordkorea im Koreakrieg von 1950 bis 1953 unterstützte und mit dem Nordkorea seine längste Landesgrenze teilt, ist in der Vergangenheit der mit Abstand wichtigste Partner Pjöngjangs gewesen. Nordkorea wiederum hat diese Beziehung in den vergangenen Jahren strapaziert, indem das Land immer wieder Raketentests durchgeführt und gegenüber den verfeindeten USA und Südkorea wenig deeskalierend gewirkt hat. Peking wünscht sich mehr Ruhe, um internationale Wirtschaftsbeziehungen nicht weiter aufs Spiel zu setzen.

Auch deshalb galt Nordkorea bis vor Kurzem noch als der international am stärksten isolierte Staat. Dies schien umso mehr zuzutreffen, da seit 2017 vor dem Hintergrund von Raketentests und schwerer Menschenrechtsverletzungen noch härtere UN-Sanktionen gegen das Land mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern gelten. Auch China und Russland stimmten damals für die Sanktionen. In den meisten Bereichen ist der Handel mit dem ostasiatischen Land seither verboten – auch wenn dies in China und Russland weitgehend ignoriert wird.

Sanktionen für Russland sind Glücksfall für Nordkorea

Kim Jong Un lässt sich von alledem jedoch wenig beeindrucken. Gewissermaßen fährt er, dessen Land weit mehr als 90 Prozent seines Handels mit China abwickelt, gerade seine eigene De-Risking-Strategie. Während Deutschlands Regierung im vergangenen Jahr erklärte, seine große Abhängigkeit von China als Handelspartner reduzieren zu wollen, würde Nordkorea dies kaum auch nur auf verklausulierte Art formulieren. Aber de facto tut Pjöngjang dies gerade: Es fährt eine globale Diversifizierungsstrategie.

Die internationale Reaktion auf Russland, das nach dem Angriff auf die Ukraine wie Nordkorea mit harten Handelssanktionen belegt wurde, hat sich für Nordkorea als Glücksfall erwiesen. Moskau suchte den Kontakt zu Pjöngjang. Und neben Russland bauen Kim Jong Uns Diplomaten auch zu anderen Staaten die Verbindungen aus. Und dies gelingt zunehmend erfolgreich.

Zwar gilt Nordkorea im internationalen Vergleich weiterhin als isoliert. Im „Global Diplomacy Index“ des australischen Thinktanks Lowy Institute, der 66 Staaten vergleicht, davon die G20-Länder sowie Staaten Asiens, landet Nordkorea nur auf Platz 58. Ganze vorne stehen China und die USA, Deutschland folgt auf Platz acht. Doch mit den Kontakten, die Kims Regime dieser Tage stärkt, könnte Nordkorea sich deutlich besser vernetzen.

Vor Kurzem erst reiste eine Delegation Nordkoreas in Richtung mehrerer südostasiatischer Staaten. Laut dem japanischen Sender NHK sollen in Vietnam, Thailand und Indonesien Kontakte geknüpft werden. Diese drei Staaten werden selbst überwiegend autoritär regiert und gelten als Wachstumsmotoren der Region.

Reise nach China, Laos und Vietnam

Im Frühjahr war eine Delegation nach China, nach Laos und damals auch schon nach Vietnam gereist, wo wie in Nordkorea jeweils eine Partei an der Macht ist, die sich als kommunistisch versteht. Zu dem Zeitpunkt hieß es, die Staaten wollten ihre Freundschaft stärken und vertiefen. Ebenfalls in diesem Jahr waren bereits Delegationen in der Mongolei und im Iran.

Südostasien ist eine Region, die sich seit Jahrzehnten darum bemüht, nicht in Abhängigkeit von Großmächten zu geraten und stattdessen Handel mit jedem Land zu betreiben – ungeachtet ideologischer Ausrichtung. Offizielle aus Nordkorea sind offenbar aber auch auf dem Weg nach Osteuropa. Unter anderem soll es laut dem Sender NHK in den EU-Staat Bulgarien gehen. Auch hier dürfte Pjöngjang beabsichtigen, für stärkeren Handel und Austausch zu werben.

Über Jahrzehnte ist es die Politik von Russlands Präsident Putin gewesen, Skepsis gegenüber liberalen Bündnissen wie der EU oder der Nato zu nähren und stattdessen Nähe zu Moskau zu kreieren. Nun scheint Nordkorea in eigener Sache aktiv zu werden. Nicht nur zahlreiche Staaten in Südostasien sind von westlichen Ländern – die teilweise einst Kolonialmächte in der Region waren – oft desillusioniert.

Auch in Bulgarien ist Skepsis gegenüber der EU und der Nato weit verbreitet, obwohl das Land seit Jahren Mitglied in beiden Bündnissen ist. Bulgariens Präsident Rumen Radew, dessen Regierung im Krieg zwischen der Ukraine und Russland Unterstützungen der Ukraine eher bremst, blieb zum Beispiel dem Nato-Gipfel im Juli in Washington fern. Sollte die Regierung in Sofia nun tatsächlich eine Delegation aus Pjöngjang empfangen, wäre dies für die EU ein diplomatisches Problem – für das vermeintlich isolierte Nordkorea aber ein Coup.


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.