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OrchideenIn der Zucht anspruchsvoll, in der Pflege genügsam

Lesezeit 4 Minuten
Illustration: Orchideen als Muster im Tapeten-Stil

Die ersten tropischen Orchideen brachten spanische Seefahrer nach Europa – und damit begann die Verzückung europäischer Pflanzenfans über die außergewöhnliche Blüte.

Sie gehören zu den meistverkauften Zimmerpflanzen in Deutschland. Vom Discounter über den Fachhandel bis zum Baumarkt – Orchideen sind mittlerweile so gut wie überall erhältlich. Das war nicht immer so.

„Orchideen wachsen auf allen Kontinenten, außer in der Arktis. Auch in Deutschland gibt es wild wachsende Sorten. Die Topfpflanzen, wie wir sie kennen, kommen aber ursprünglich aus dem südostasiatischen Raum und aus Südamerika“, erklärt Jörg Frehsonke, Inhaber der Orchideengärtnerei Lucke im nordrhein-westfälischen Neukirchen-Vluyn und Experte für die exotischen Pflanzen. Weltweit gibt es mehr als 25?000 verschiedene Orchideenarten.

Für die Zucht brauchte die Pflanze einen Pilz

Die ersten tropischen Orchideen brachten spanische Seefahrer nach Europa – und damit begann die Verzückung europäischer Pflanzenfans über die außergewöhnliche Blüte. Was die exotischen Orchideen noch exklusiver machte? Hiesigen Botanikern gelang es zunächst nicht, die Pflanze zu vermehren. Wer eine Pflanze besitzen wollte, musste sie importieren. „Die Herausforderung bei der Orchideenzucht liegt darin, dass eine einzige Samenkapsel zwar zwei bis drei Millionen Samenkörner enthält – aber kein Nährgewebe“, sagt Frehsonke. Alleine sind die Samen nicht keimfähig.

Vor rund 100 Jahren machten Wissenschaftler die entscheidende Entdeckung: In den tropischen Heimatgefilden der Orchideen versorgt ein bestimmter Ammenpilz die Keimlinge mit Nährstoffen. Diese Erkenntnis brachte Botaniker dazu, Orchideen fortan auf besonderen Nährböden zu züchten, gemeinsam mit einem Pilz, der den Samen versorgte.

Auch in Deutschland gibt es wild wachsende Orchideensorten.
Jörg Frehsonke, Zierpflanzengärtner

„Seit den 1980er-Jahren können wir die Orchideenkeime ohne Pilz in speziellen Laboren vermehren“, so Frehsonke. Dieses Verfahren ist es, das die Orchidee schließlich fensterbanktauglich für jedermann machte. Die Pflanze wurde mit den Jahren von Menschenhand optimiert, und neben den Naturorchideen kamen sogenannte Hybride auf den Markt. Die bekannteste ist die Schmetterlingsorchidee. Die Hybride sind wesentlich robuster, haltbarer und tragen größere Blüten – im Vergleich zu den Naturorchideen oft sogar das ganze Jahr.

Insgesamt sind Orchideen relativ pflegeleicht. Laut Frehsonke gibt es nur eine Handvoll Regeln zu beachten, damit die Pflanzen sich wohlfühlen. Dazu gehört der richtige Standort. Orchideen mögen es hell, viele Sorten vertragen aber keine direkte Sonne. Am besten eignen sich Fensterbänke in Richtung Osten oder Nord-Westen. Wer nur Südfenster hat, sollte die Pflanze durch ein Plissee schützen.

Sie klammern sich mit Wurzeln an Bäumen fest

Die tropischen Orchideen wachsen in ihrer Heimat als sogenannte Aufsitzer in Bäumen. Das bedeutet: Sie klammern sich mit ihren Wurzeln an den Bäumen fest, um so in luftiger Höhe mehr Tageslicht zu erhaschen. Das Regenwasser, das am Baumstamm herabfließt, nährt sie. Was für die meisten anderen Pflanzen ein Todesurteil ist, finden Orchideen also famos: Ein frisches Lüftchen um die Wurzeln statt eines Erdballens. Diese kuriose Vorliebe teilen Orchideen in tropischen Wäldern mit den gezüchteten Hybriden in hiesigen Blumentöpfen.

Für die Pflege gilt daher: Die Pflanzen nicht in Blumenerde setzen. Sie wachsen am besten in einem Substrat aus Pinienrinde und Kokos. Orchideen werden in der Regel in durchsichtigen Plastiktöpfen angeboten. „Die Ursprungsidee dahinter war, dass die Wurzeln Licht bekommen“, erklärt der Experte. Tatsächlich können Orchideen mit ihren Wurzeln Photosynthese betreiben.

In der Praxis kommt laut Frehsonke aber oft nicht allzu viel Licht an die Wurzeln, weil die Pflanzen in der Gärtnerei sehr dicht stehen oder die Orchidee zu Hause in den Übertopf gesteckt wird. Die Pflanze wächst laut des Zierpflanzengärtners trotzdem – für Hobbygärtner hat der durchsichtige Topf aber noch einen anderen Nutzen: So lässt sich erkennen, ob die Orchidee Wasser braucht. Als Faustregel gilt: Die Orchidee einmal wöchentlich wässern. Überstehendes Wasser unbedingt abgießen, denn sie mag partout keine nassen Füße.

Im Winter reicht einmal pro Monat eine Portion Dünger

Was ihre Nährstoffversorgung betrifft, haben die Exoten keinen großen Anspruch. Von Frühling bis Herbst sollte die Pflanze alle zwei Wochen mit Flüssigdünger gedüngt werden, im Winter reicht einmal monatlich eine Portion Dünger. Unbedingt einen Orchideendünger verwenden. Normale Zimmerpflanzendünger sind für Orchideen viel zu stark dosiert.

Alle zwei Jahre brauchen die Pflanzen einen neuen Topf, weil das Substrat veraltet und verdichtet – und damit weniger Luft an die Wurzeln lässt. Die Pflanzen am besten direkt nach der Blüte umtopfen, dann bilden sie neue Triebe. Luftwurzeln, die aus dem alten Topf heraus wuchern, dürfen mit in das Substrat getopft werden.

Auch auf heimischen Wiesen wachsen Orchideenarten. Weltweit stehen Orchideen unter Schutz – wild wachsende Exemplare sind im Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen aufgeführt und dürfen weder in Deutschland noch in Urlaubsländern gepflückt oder ausgebuddelt werden. Es gibt jedoch eine Art, die sogar landwirtschaftlich kultiviert wird: Die Vanillepflanze – eine besondere Orchidee, deren Samenkapsel fermentiert und aus der so das kostbare Gewürz gewonnen werden kann. (RND)


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.