Ideale Bild- und Tonqualität in optimaler Größendarstellung – das ist heute der Anspruch an ein gutes Fernsehgerät. Doch im ausgeschalteten Zustand harmoniert die schwarze Mattscheibe oft nicht mit der Inneneinrichtung.
TV-GeräteBei der Einrichtung geht der Trend zur Bildschirmtarnung
Die Queen zu Gast im Wohnzimmer. Was war das für ein Glanz selbst in der kleinsten Hütte, als am 2. Juni 1953 Bewegtbilder der Krönung von Elizabeth II. über die im Nachkriegsdeutschland noch rar gesäten Mattscheiben flimmerten! Menschen kamen wohnblockweise zusammen bei jenen, die sich ein Fernsehgerät leisten konnten beziehungsweise den Mut hatten, sich dieses Wunderwerk der Technik ins Haus zu holen. Denn zwischen Gummibaum, Nierentisch und Polstergarnitur wirkte das Gerät wie ein futuristischer Fremdkörper.
Auf das erste mediale Großereignis folgte ein Jahr später mit der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz das zweite TV-Spektakel. Wieder drängten sich Nachbarn, Bekannte und Verwandte in der guten Stube zum Eventglotzen. Spätestens von da an wollte kaum noch ein Haushalt auf das „Fenster zur Welt“ verzichten: Gab es 1952 in der Bundesrepublik offiziell nur 300 Fernsehteilnehmende, waren es 1955 schon 100?000. TV wurde zum Massenmedium.
Gleichwohl fügten sich die Geräte immer noch nicht so recht ein ins Mobiliar. Die Bautiefe der damaligen Röhrengeräte ließ diese klobig und sperrig erscheinen. Hinzu kamen abstehende Zimmerantennen. Da nutzten auch pastellfarbene oder holzähnliche Gehäuse wenig, um die Geräte ästhetisch aufzuwerten – vor allem für die Zeit, wenn sie nicht in Gebrauch waren. Angesichts der begrenzten Programmauswahl damals war die durchschnittliche Nutzungsdauer eher kurz.
Das Familienfoto auf dem Röhrenfernseher
Die meiste Zeit stand das Fernsehgerät stumm, aber dennoch sehr präsent in der Ecke. Für mehr Wohnlichkeit wurden zum Teil Tischdecken darübergebreitet, Blumenvasen und Familienfotos darauf abgestellt oder Vorhangkonstruktionen ersonnen. Es gab auch tragbare Geräte, die kurzerhand in den Abstellraum verbannt werden konnten.
Praktischer war jedoch die sogenannte Fernsehtruhe. Damit wurde die Glotze regelrecht zum Zauberkasten: Getarnt als Schrank lag der Fernseher wie ein Schatz verborgen hinter aufklappbaren, zum Teil sogar abschließbaren Türen. Und so wie sich im Kino oder im Theater der Vorhang fürs Publikum hebt, so wurde zur TV-Vorstellung feierlich der Schrank geöffnet. Und gleich einer Kristallkugel konnte man „in die Röhre gucken“, um zu sehen, wie es anderswo auf der Welt zuging.
TV als Fenster zur Welt
Der tschechisch-brasilianische Medienphilosoph Vilém Flusser (1920–1991) prägte mit seinem in den 1970er-Jahren verfassten Aufsatz über die „Phänomenologie des Fernsehens“ den Ausdruck vom „Fenster zur Welt“. Für ihn bedeutete Fernsehen „eine bessere Sicht, als sie durch herkömmliche Fenster gegeben ist“. Nach seinem Verständnis hätten die Sender für den klaren Blick auf die Wirklichkeit aber versuchen müssen, sich vom Einfluss des Kinofilms zu befreien, ansonsten verwende man das Fernsehen missbräuchlich „wie eine Art Wandgemälde“, schrieb er.
Heute sind Bildschirme und Wandgemälde oftmals eins – denn Tarnung ist wieder in. Zwar ist das Problem der Bildschirmtiefe gelöst, doch die Flachbildfernseher von heute können vielen gar nicht groß genug sein. Wenn das Heimkino allerdings mal nicht läuft, klafft an der Wand ein riesiges schwarzes Loch. Und wieder steht man vor dem Problem, das schon die Großelterngeneration beschäftigt hat: Das Fernsehgerät dominiert auch im ausgeschalteten Zustand den Raum und mag sich nicht recht ins Interieur einfügen.
Manchem reicht es, Bewegtbilder auf dem Laptop oder Tablet zu schauen, die man jederzeit zuklappen und verschwinden lassen kann. Doch gerade bei großen TV-Events oder Blockbustern gewähren solche Geräte nur das halbe Sehvergnügen. Das mag ein Grund für die nach wie vor hohe Beliebtheit des Fernsehens sein: Laut des Digitalisierungsberichts 2022 der Landesmedienanstalten ist es für 58 Prozent der Befragten das wichtigste Gerät zur Bewegtbildnutzung.
Getarnt als Gemälde
Gleichwohl wächst im digital dominierten Alltag das Bedürfnis abzuschalten. Dazu gehört auch, nicht ständig von Bildschirmen umgeben zu sein. In die Fernsehtruhe passt heute kein TV-Gerät mehr. Doch Möbelindustrie und Technikkonzerne basteln eifrig an noch attraktiveren Lösungen: Transparente OLED-Displays sehen abgeschaltet aus wie eine durchsichtige Glasscheibe. Gegen schwarze Löcher helfen auch gerahmte Flachbildschirme, die sich mit einem Kunstmodus nach dem Ausschalten wahlweise als Gemälde oder Fotografie tarnen lassen.
Auch das Verschmelzen mit der Umgebung ist möglich: Mit speziellen Apps können Wand und Bildschirm eins werden. Dafür wird mit dem Smartphone ein Foto vom TV-Gerät und der dahinter liegenden Wand aufgenommen. Die App erstellt ein virtuelles Tarnmuster für den Fernsehbildschirm
Wer das Fernsehgerät bei Nichtnutzung lieber komplett verschwinden lassen will, findet dafür mittlerweile Regalsysteme mit Schiebetürvorrichtungen. Noch eleganter sind Konstruktionen, bei denen sich der Bildschirm aus Lowboards ein- und ausfahren lässt. Das hat auf jeden Fall auch was von einem Zauberkasten. Womöglich ist aber die Zeit der Bildschirme gezählt: Apple jedenfalls bewirbt sein Mixed-Reality-Headset Vision Pro damit, dass es vollwertige Bildschirme ersetzen kann. Experten haben ihre Zweifel. Die Brille soll 2024 auf den Markt kommen.
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