Zwei Euskirchener Landräte im Interview„Aus Kreisen werden Regionen“
Der Kreis Euskirchen wird 50. Mit Rudi Blass, Josef Linden, Günter Rosenke und Markus Ramers hat es in dieser Zeit vier Landräte gegeben. Rosenke war 26 Jahre an der Spitze des Kreises. Mit seinem Nachfolger Markus Ramers hatte er sich auf Einladung der Redaktion im Kommerner Freilichtmuseum im Quelle-Bungalow getroffen. In dem historischen Ambiente ging es um die Vergangenheit, aber auch um Gegenwart und Zukunft des Kreises.Warum muss der Landrat ein Gespräch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet haben?Markus Ramers: Wir haben jetzt gerade die Stelle für einen Mobilfunkkoordinator ausgeschrieben. Wir haben immer noch Punkte im Kreis Euskirchen , wo mobiles Arbeiten oder einfaches Telefonieren nicht möglich ist. Ich merke das beispielsweise auf der Heimfahrt hinter der Autobahnabfahrt Blankenheim auf der L115 in Richtung Freilingen, meinem Heimatort. Ich weiß ganz genau, wenn ich bis zu einem bestimmten Punkt nicht fertig bin mit Telefonieren, bricht es ab. Das ist ärgerlich. Das zu verbessern, wird von zentraler Bedeutung sein. 5G wird die Mobilität in der Region verändern. Ich denke da beispielsweise an autonomes Fahren.
Günter Rosenke: Als ich Landrat geworden bin, hatte ich eine Art Koffer im Auto. Das war ein Mobiltelefon. Damit konnte man Gewichtheben machen. Mein erstes Handy bekam ich vom Oberkreisdirektor Dr. Ingo Wolf. Ich habe dann nachher gemerkt, er wollte das nicht mehr, weil es nicht mehr das neueste war. Das war ein Klapphandy mit dem man ausschließlich telefonieren konnte. Wenn man das richtige Netz hatte.
In der politischen Debatte, aber auch im Lebensgefühl hört man immer wieder vom Nordkreis und vom Südkreis. Haben wir tatsächlich zwei Kreise?
Rosenke: Man hat damals schon vom Nord- und vom Südkreis gesprochen. Das ist leider heute noch so. Deshalb habe ich immer vom südlichen und vom nördlichen Gebiet gesprochen, weil wir ein Kreis sind. Das denken für einen Kreis ist in vielen Köpfen drin. Dennoch: Als ich 1994 Landratskandidat war, war ich in Hellenthal und habe davon gesprochen, dass ich aus Weilerswist, also aus der nördlichsten Kommune des Kreises, komme. Ein Landwirt ist damals aufgestanden und hat sich echauffiert, dass jemand aus der Nähe von Hamburg hier Landrat werden will. Weilerswist lag für ihn näher an Hamburg als an Hellenthal.
Ramers: Das Dazugehörigkeitsgefühl zum Kreis haben wir in Losheim genauso wie in Metternich. Der Kreis Euskirchen ist zunächst einmal eine Verwaltungseinheit, die nicht unbedingt mit einem Lebensgefühl verbunden ist. Die Flutkatastrophe hat gezeigt, dass wir gemeinsam anpacken müssen. Aber ich habe gemerkt, dass nach der Flut die politischen Debatten in Richtung Süden oder Norden gingen. Ich bin gerne Freilinger, viele sagen, dass sie gerne Eifeler sind. Wir als Verwaltung sind dafür zuständig, dass die Menschen sich hier wohl fühlen, gerne hier leben.
Festakt zum 50-jährigen Bestehen
Mit einem Festakt im Kulturkino Vogelsang feiert der Kreis Euskirchen am Mittwoch, 22. Juni, mit mehreren Hundert geladenen Gästen sein 50-jähriges Bestehen.
Neben der Festrede von Landrat Markus Ramers stehen zwei Talkrunden im Mittelpunkt des Geschehens. Dabei werden Zeitzeugen zum einen den Zusammenschluss der Altkreise Euskirchen und Schleiden noch einmal Revue passieren lassen.
Zum anderen wird der heutige Kreis Euskirchen mit seinen Chancen und Perspektiven im Mittelpunkt stehen.
Musikalische Beiträge sowie ein Poetry-Slam-Beitrag runden den Festakt ab.
Im Vorfeld tagt ab 17 Uhr an historischer Stätte im Kulturkino in Vogelsang noch einmal der Euskirchener Kreistag, bevor es in die Sommerpause geht. (tom)
Wenn Sie an Ihre Anfangszeit als Landrat denken. Was fällt Ihnen ein?
Rosenke: Die Themen, die wir damals schon auf der Agenda hatten, sind immer noch aktuell und teilweise auch noch nicht abgeschlossen. Da kann mein Nachfolger nahtlos ansetzen.
Ramers: Ich finde es immer spannend, wenn ich ältere Mitarbeiter der Kreisverwaltung verabschiede, die die ersten Schritte nach der Kommunalen Neugliederung mitbekommen haben. Die Geschichte mit dem Neugliederungsbus finde ich beispielsweise völlig irre. Der in Schleiden losgefahren ist und die Mitarbeiter in den Südkreis-Kommunen eingesammelt hat und ins Kreishaus nach Euskirchen gebracht hat, weil ihr Arbeitsplatz eben nicht mehr im Kreishaus in Schleiden war.
Rosenke: Wir hatten 1994 noch keinen Computer. Die Kreisverwaltung war computerfreies Gebiet. Bis auf die Geschäftsstelle der CDU-Fraktion, wo ich Geschäftsführer war (lacht). Im Kreishaus war es unheimlich laut, weil in jedem Büro mindestens eine Schreibmaschine gelaufen ist. Manche hatten panische Angst, dass sie ihre Maschinen abgeben müssten.
EU- oder SLE-Kennzeichen?
Rosenke: Ich war da nicht für. EU ist ein tolles Kennzeichen. Wenn wir nach Brüssel gefahren sind, haben die Pförtner sofort die Schranken aufgemacht. Wir hatten schließlich EU auf dem Nummernschild. Ich war nicht der Befürworter für SLE.
Ramers: Ich finde es eine spannende Diskussion, die ich auch politisch mitbekommen habe. Als Kind habe ich im Auto mit meinem Vater auf den langen Urlaubsfahrten nach Italien immer überlegt, woher die Autos so kommen. Mein Opa hatte an seinem alten Traktor ein SLE-Nummernschild. Ich bin da relativ leidenschaftslos. Ich finde EU ist ein tolles Kennzeichen, weil es auch die Europakomponente hat.
Warum ist Zalando besser als der Kreis Euskirchen?
Ramers: Die Unterschriftsmappen türmen sich bereits, wenn ich mal zwei Tage nicht im Büro bin. Diesbezüglich müssen wir Arbeitsprozesse einfach besser digitalisieren. Bestimmte Serviceleistungen können bereits digital genutzt werden. Nur wenn der Mitarbeiter das ausdrucken muss, dann sind wir nicht digital aufgestellt.
Ein Beispiel für die Belastung: Ziemlich viele Menschen müssen ihren Führerschein umtauschen. Und es gibt sogar eine digitale Lösung, aber die Bundesdruckerei hat gewisse Anforderungen an die Qualität der eingescannten Passbilder. Und aufgrund dieser Qualitätsstandards ist es schwierig, die Fotos zu digitalisieren. Uns steht in Deutschland der Datenschutz in vielen Bereichen im Weg.
Wenn ich bei Zalando etwas bestelle, kann ich das mit meinem Amazon-Account bezahlen oder ich melde mich mit meinem Facebook-Account an. Das funktioniert mit zwei separaten Unternehmen. Alle Daten, die ich benötige, um einen Führerschein zu erneuern, liegen in der Gemeindeverwaltung vor. Es ist aber nicht möglich, dass die eine staatliche Ebene, nämlich die Gemeindeverwaltung, auf Antrag an uns weiterleitet, wir drücken auf einen Knopf und machen einen Führerschein daraus. Das ist ein Punkt, den verstehe ich nicht.
Wie sieht der Kreis im Jahr 2040 aus?
Rosenke: Die Zeit der Zusammenlegung wird wiederkommen. Ich hätte damals nichts dagegen gehabt, wenn man Nettersheim, Dahlem und Blankenheim zur einer Kommune zusammengelegt hätte. Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Wir haben bereits die Städteregion Aachen. Das Konzept ist mittlerweile erfolgreich. Ich glaube, dass aus Kreisen Regionen werden. Wir fühlen uns ja bereits als eine Region. 2040 wird das noch nicht der Fall sein, aber in ferner Zukunft sicherlich.
Also bleibt alles anders?
Ramers: Ich teile die Ansicht nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den Kindergartenbedarfsplan oder Taxibuslinien aus Köln oder Aachen vernünftig steuern können. Ich hoffe, dass es 2040 einen Landrat geben wird, der genauso viel Freude haben wird wie Günter Rosenke und ich, auf Feuerwehrfeste und Veranstaltungen zu gehen. Wir werden anders leben und arbeiten. Die Digitalisierung wird zunehmen. Ich hoffe, dass wir 2040 weiter sind, was die Versorgung mit erneuerbaren Energien angeht. Wir werden aber auch dann noch eine moderne Kreisverwaltung haben.
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Apropos Kreisverwaltung – wann hatten Sie den ersten Kontakt zur Kreisverwaltung?
Ramers: Als ich meinen Führerschein abgeholt habe. Also da habe ich die Kreisverwaltung bewusst wahrgenommen.
Rosenke: Da war ich aber schon Landrat, oder? (lacht)
Ramers: Das war 2005. Da habe ich meinen Führerschein gemacht. Da warst du schon zehn Jahre Landrat.
Wie schafft es der Kreis, künftig wirtschaftsfähig zu sein?
Ramers: Wir haben eine Vision. Wir wollen den Kreis zu einer Modellregion für nachhaltige Ökonomie machen. Für einen Flächenkreis ist das neu. Dazu gehört natürlich Wasserstoff. Aber nachhaltige, grüne Ökonomie bedeutet auch Digitalisierung. Brauchen wir die Pendlerströme in 20 Jahren noch oder setzen wir beispielsweise auf Co-Working-Spaces? Wir müssen einfach attraktiv bleiben.