Dorothee Feller (CDU) spricht im Interview über mögliche Ursachen für den Serverausfall, der für die Verschiebung von Abiturprüfungen gesorgt hat.
Dorothee Feller zur Abi-Panne„So etwas darf nicht noch einmal passieren“
Frau Feller, ist die digitale Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen technisch nicht gerüstet für die heutige Zeit?
Das würde ich so nicht sagen. In den vergangenen Jahren hat es beim Abitur ja geklappt. Jetzt gab es in diesem Jahr eine gravierende technische Störung, die wir nicht rechtzeitig beheben konnten. Offenbar kamen hier mehrere Dinge zusammen. Es ist üblich, dass auf Datenservern in regelmäßigen Abständen Updates durchgeführt werden – das hat bei unserem externen IT-Dienstleister im Mai 2022 stattgefunden. Diese Neukonfiguration plus eine im vergangenen Jahr neu eingeführte Zwei-Faktor-Authentifizierung in Verbindung mit einem Video aus einer Chemieaufgabe hat anscheinend in Summe dazu geführt, dass die Lastspitze nicht ausgereicht hat, so dass der Server unseres IT-Dienstleisters der Belastung nicht mehr standgehalten konnte.
Ein Update macht man alle paar Tage auf jedem Smartphone, I-Pad oder Computer. In der Regel bricht dann nicht alles zusammen.
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Das werden wir in der Gesamtanalyse mit allen Beteiligten – QUA-Lis, Schulministerium, IT-Dienstleister – genau aufarbeiten. Wir werden das ganze Verfahren unter die Lupe nehmen und aus den Ergebnissen dann konkrete Maßnahmen ableiten. Im Moment konzentrieren wir uns aber darauf, dass wir das laufende Abiturverfahren gut hinbekommen und keine weiteren Störungen auftreten. Wenn das abgeschlossen ist, werde ich mir den gesamten Prozess anschauen im Hinblick darauf, was wir zwingend optimieren müssen. So etwas darf nicht noch einmal passieren.
Wie sicher ist es denn, dass dieses Update aus dem Mai 2022 tatsächlich als Ursache am Beginn des Desasters stand?
Das ist schon sehr sicher, dass das Update am Beginn einer Reihe von mehreren Dingen steht. So hat es uns auch unser IT-Dienstleister mitgeteilt.
Abi-Panne in NRW: Auch der zweite Server fiel aus
Noch einmal zum Stand der Digitalisierung in NRW. Da hat bereits die Corona-Krise viele Mängel aufgedeckt. Wie beurteilen Sie die Situation?
Richtig ist, dass wir an unseren Schulen in Sachen Digitalisierung in den vergangenen Jahren ein großes Stück vorangekommen sind. Gleichwohl sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen. Im konkreten Fall aber geht es nicht um die Ausstattung unserer Schulen, sondern um den Server bei einem IT-Dienstleister. Was uns hier zum Verhängnis wurde, war der Ausfall auch des zweiten Servers, der als Backup zur Verfügung steht. Unsere Aufgabe ist es jetzt, durch eine sorgfältige Analyse dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.
Es kam zu einer weiteren Panne. Sie haben in Ihrem Ministerium einen eigenen Server hochgefahren, der dann aufgrund einer verfrüht geschickten E-Mail zusammenbrach. Da häuft sich einiges, was Zweifel an digitaler Kompetenz weckt.
An diesem Tag kam vieles zusammen: Die Probleme bei dem IT-Dienstleister, und dass in einer Situation menschliche Fehler passieren können, auch davor sind wir alle nicht gefeit. Das alles dürfte nicht passieren, und doch kommt manchmal alles zusammen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie frustriert wir waren, als die Lösung schon zum Greifen nah war und man nur noch auf den Knopf zu drücken brauchte – und alles zerbröselte.
Geben Sie dem Dienstleister die Schuld?
Es geht mir derzeit nicht um Schuld – im Moment müssen wir uns darauf konzentrieren, das laufende Abitur störungsfrei hinzubekommen.
Die nächste Panne von Dorothee Feller: Kommunikation
Eine weitere Panne, so wird Ihnen vorgeworfen, war die Kommunikation am Dienstag, auch Ihre fehlende Entschuldigung in der Mitteilung, in der Sie die Verschiebung der Prüfungen mitteilten.
Man fragte mich, wie leid mir die Panne wirklich tue. Ich muss sagen: Sie tut mir außerordentlich leid. Und das meine ich auch wirklich so. Wir waren alle einmal in einer Prüfungssituation und können uns gut in die Abiturientinnen und Abiturienten hineinversetzen. Wir alle wissen, dass sich Schülerinnen und Schüler auf den Punkt vorbereiten und sich einen Fahrplan zurecht gelegt haben. Mir tut es wirklich leid, dass wir das alles durcheinander gebracht haben und ich bedaure das sehr. Das bringt Unruhe in das ganze Verfahren. Schülerinnen und Schüler, die ohnehin sehr angespannt sind, wurden noch mehr verunsichert. Dann aber zu sagen, mir fehle es an Empathie – das hat mich getroffen. Nichts anderes als Empathie lag dem Entscheidungsprozess vom Dienstag zugrunde. Wir haben ständig abgewogen, ob wir das Abitur verschieben und damit die Schülerinnen und Schüler belasten, oder ob wir die Entscheidung noch offen halten, um alles zu versuchen, dass die Prüfungen geschrieben werden konnten – auch in dem Wissen, dass die Lehrkräfte vor dem Rechner sitzen und auf die Prüfungsunterlagen warten.
Sie sind kalt erwischt worden?
Die Probleme vom Dienstag sind zuvor nie aufgetaucht, auch mit dem Dienstleister haben wir immer gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet – auch wenn mal etwas ruckelte, waren seine Einschätzungen stets verlässlich. Probleme konnten immer behoben werden. Wir hatten also keine Anzeichen, dass es solche Schwierigkeiten geben könnte. Aber, auch das muss man fairerweise sagen: Krisen kommen immer aus dem Nichts, sie kommen ohne Ankündigung, doch auch dann müssen wir in der Lage sein, darauf gut zu reagieren und die Probleme zu lösen, auch was die Kommunikation betrifft. Da müssen wir besser werden.
Gab es keine Alternative dazu, den neuen Termin auf den Freitag zu legen, den Tag also, an dem Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens ihren hohen Feiertag, das Ende des Fastenmonats begehen?
Auch diese Entscheidung haben wir uns nicht einfach gemacht. Wir wollten vermeiden, dass die Schülerinnen und Schüler drei Klausuren pro Woche schreiben müssen. Das wäre bei einem Ersatztermin in der kommenden Woche der Fall gewesen. So bleibt es für die Abiturientinnen und Abiturienten bei maximal zwei Klausuren pro Woche. Mir war es jedoch wichtig, dass sich muslimische Schülerinnen und Schülern für das Zuckerfest beurlauben lassen können.
Kann es nicht zu rechtlichen Problemen kommen, zum Beispiel zu dem Vorwurf, dass diese Kandidaten eine längere Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen konnten, oder dass die Aufgaben nicht vergleichbar sind?
Nein, es kann ja auch sein, dass am Freitag jemand krank wurde und nachschreiben muss. Und selbstverständlich haben alle Klausuren das gleich Anforderungsniveau.
Am Freitag gab es Hinweise auf Fehler in den Aufgaben. Was hat es damit auf sich?
Das ist nun tatsächlich nichts Besonderes. Wenn Lehrkräfte sich nach dem Download die Aufgaben anschauen, kam es auch in der Vergangenheit immer wieder vor, dass den Lehrkräften noch kleinere Fehler auffallen – minimale Dinge wie eine falsche Nummerierung von Abbildungen etwa. Die Lehrkräfte melden uns diese Fehler, woraufhin Vertreter der Fachkommissionen tätig werden. Dann wird eine Korrektur vorgenommen, und die Seiten werden mit einem erneuten Download ausgetauscht. Das ist ein übliches Verfahren.
Was bedeutet der 18. April für Sie politisch? Sind Sie beschädigt?
Das mögen andere beurteilen – ich habe mich auf jeden Fall sehr geärgert. Dass diese Ereignisse sich so entwickelten, hat mich sehr betroffen gemacht, und ich werde noch länger darüber nachdenken, welche Schlüsse ich daraus für meine tägliche Arbeit ziehe. Bereits eingeräumt habe ich, die Öffentlichkeit über die Medien früher zu informieren. Wir hatten uns anders entschieden, weil wir mit einer offiziellen Mitteilung nicht verunsichern, sondern Ergebnisse kommunizieren wollten. Das nächste Mal greifen wir schneller zum Hörer; vor allem würde ich heute die schulpolitischen Sprecher und Sprecherinnen der Fraktionen früher informieren.
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