Der coolste Koch KölnsItalienische Leidenschaft trifft Berliner Schnauze
Lesezeit 7 Minuten
In unserer neuen Serie stellen wir statt Restaurants interessante Köche in Köln vor. Diesmal mit einem, der in der Kölner Gastroszene kaum zu übersehen ist.
Cristiano Riezer fällt mit seinen blau gefärbten Haaren sofort auf. Und auch sonst mag es der Koch aus dem "Pure White" gerne alles andere als gewöhnlich.
Wie der gebürtige Italiener neben seiner Leidenschaft fürs Kochen noch Zeit für Rad- und Kampfsport findet, lesen Sie hier.
Köln – Als ich Cristiano Rienzner 2014 kennenlernte wog er 53 Kilo mehr als heute. Damals 120 Kilo, heute 67. Er hatte damals auch weißes Haar und heute sind sie blau, doch dazu später. Denn der Gewichtsverlust ist der Schlüssel dazu, den Cristiano Rienzner von 2020 zu verstehen – und damit den coolsten Koch Kölns.
Rienzner vereint die Leidenschaft eines gebürtigen Italieners mit der „Schnauze“ eines langjährigen Berliners. Und im „Pure White“ lebt er seinen kompromisslosen Produktfetischismus voll aus: Fleisch vom Hoflieferanten der Queen, Wagyu, Meeresfrüchte so frisch, als säße man in einem Restaurant an der Küste. „Wenn du geile Sachen kaufen willst, ist es teuer. Wir sind aber nie von der Qualität runtergegangen, auch nicht, wenn es schlecht lief!“
Rienzner hat nicht aus Gründen der Eitelkeit abgenommen, er war schwer erkrankt. „Der Sport hat mein Leben gerettet.“ Und er hat noch mehr für ihn getan. „Seitdem bin ich ein ganz anderer Mensch, auch viel demütiger, wertschätze viele Sachen viel mehr.“ Rienzner fing mit Radfahren an. Und wenn er was anpackt, dann richtig. „Als Bengel mit 16 Jahren bin ich Bundesliga gefahren. Ich habe das Pure-White-Team gegründet in der Master-Liga, das sind die Amateure Ü39.“ 2018 wurden sie Weltmeister, 2019 Deutscher Meister.
Mittlerweile ist ein zweiter Sport dazu gekommen: MMA, die Abkürzung für Mixed Martial Arts. Die Kontrahenten kämpfen in einem Käfig und vereinfacht gesagt, ist alles erlaubt. Selbst im Bodenkampf kann geschlagen und getreten werden. „Die Verletzungsgefahr ist höllisch, ich hab mir gleich beim zweiten Mal den Fuß gebrochen.“ Rienzner trainiert dreimal pro Woche. „Mein Ziel ist es in zwei Jahren in Las Vegas zu kämpfen.“ Sein Kampfname: King Crab. Das passt zum Seafood und den Steaks aus seinem Schmelzofen von Josper-Grill. Die Haare hat er übrigens aquablau gefärbt, weil er das Meer gerade extrem vermisst. „Wenn ich in Ligurien auf die Bucht gucke, da sehe ich genau die Farbe.“
Cristiano Rienzner bietet Mi-Sa, 18-21 Uhr, einen Take-Away- und Lieferservice. Das Essen wird auf Porzellan geliefert und wieder abgeholt. Die Lieferzeit ist beim Kochen einberechnet, so dass die Gerichte mit idealem Garpunkt ankommen. Telefon 0221-29436507 pure-white-food.de
Geschmacksfragen
Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen und wie blicken Sie heute auf dieses Lieblingsgericht?
Mein absolutes Lieblingsgericht waren kleine Markknochen vom Kalb. Wie beim Mittelstück vom Ossobuco, das hat mir meine Oma Gigetta immer geschmort. Dazu gab es ein Tomatenrisotto. Sie schwor darauf das das gut für die Knochen ist. „Damit wirst du ein ganz starker Mann“, hat sie immer gesagt. Wir lebten in Venedig und ihr Restaurant war im Bezirk Giudecca. Das Gericht koche ich allerdings nicht im Restaurant, sondern nur zuhause für mich selbst. Für das „Pure White“ ist es mir zu einfach. Eigentlich nur Tomate, Oregano, Basilikum, Risotto und Markknochen.
Was hat Sie bewogen, Koch zu werden?
Meine Oma Gigetta war eine ganz berühmte Köchin in Venedig, sie musste erst mittags zur Arbeit in ihrer „Osteria da Fiore“ und hat vormittags vorgekocht, deshalb bin ich immer von den Küchendüften wach geworden. Hab ihr natürlich auch in der Küche zugeguckt, geholfen, bin einkaufen gegangen, zum Fischhändler, zum Gemüsemann, irgendwo blieb man immer auf einen Aperitif hängen, eine richtige Tour die man über zwei bis drei Stunden macht, das war ein totales Erlebnis. Das Restaurant hat mittlerweile einen Michelin-Stern und ist kreativer und internationaler geworden, meine Oma hat dagegen rustikal gekocht für die Einheimischen.
Welches Produkt finden Sie (zurzeit) besonders spannend?
Ein Produkt, für dass ich mich nie so richtig interessiert habe, und zwar Rhabarber.
Was kann man außerhalb des Mainstreams damit machen?
Momentan hat man ja viel Zeit, ob man will oder nicht. Ich hab mir eine Produktliste gemacht und experimentiere mit den Sachen rum. Ich bin sehr ungeduldig. Dass nichts passiert, ist für mich total abstrus. Rhabarber, Erdbeere und Mascarpone ist eine tolle Kombination, die wird es auch auf die Karte schaffen.
Für mich persönlich ist das Thema Brotbacken momentan sehr wichtig. Das ist ja auch ein bisschen in Vergessenheit geraten. Früher als ich jung war, da war es selbstverständlich, dass man sein Brot gebacken hat. Es ist gar nicht so zeitaufwendig, man braucht nur einen Plan und kann schnell Brot backen. Gerade experimentiere ich bei Brot mit Nüssen und Pistazien. Wenn ich das „Pure White“ wieder aufmache, will ich nur selbstgebackenes Brot anbieten. Focaccia auch, das kann ja keiner mehr.
Was ist ein unvergessliches Missgeschick am Herd?
Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, was ich ausprobiert habe, war Gänseleber im Josper zu braten. Die war dann flüssig. Hat sich komplett aufgelöst. Bis man die perfekte Performance mit so einem Grill hinbekommt, braucht man locker fünf Jahre. Die meisten Restaurants, die ich kenne, die auch so einen Grill haben, benutzen ihn nicht, weil er ihnen zu heiß ist. Oder häufig tun sie die Sachen zuerst in den Grill, danach in den Kombidämpfer. Wenn schon, sollte man es richtig machen.
Welches Gericht wollten Sie schon lange mal wieder kochen und warum?
Was ich gerne wieder machen würde und was supergeil im Josper wird, ist eine Paella, oder eine Nudelpaella, eine Fideuà. Diese beiden Sachen werde ich auf jeden Fall im Restaurant kochen, wenn man im Sommer aufmachen kann. Dann mit Seafood, das wir an Bord haben. Das Wichtigste sind die Zutaten, der richtige Reis, in welcher Reihenfolge man die Sachen zubereitet, und dass es unten eine Kruste bildet und leicht anbrennt, das ist das Geheimnis.
Ihr Haus-Rezept für unsere Leser?
Maishähnchenkeule aus dem Ofen. Die Kombi ist nämlich echt geil, das heiße Hähnchen aus dem Ofen mit der kalten Panna cotta. Basilikum und leichtes Geflügel passen auch sehr gut zusammen, sehr frühlingshaft und lecker. Und es ist auch ein Gericht, von dem man nicht supersatt wird. Ich koche jeden Mittag für meine Frau. Sie weiß vorher nicht, was ich koche, immer neue Sachen, das ist eines ihrer Lieblingsgerichte.
REZEPT: Maishähnchenkeulen „Monterosso“ nach Ligurischer Art
(für 4 Personen)
Zutaten:4 Bio-Maishähnchenkeulen4 Tomaten (in Viertel geschnitten )250 ml trockener Weißwein50 g getrockneter Oregano3 rote Zwiebeln (fein gehackt)1 ganze Knoblauchknolle (längs geschnitten)1 Stück Ingwer (in Scheiben geschnitten)4 kleine Chilis (fein gehackt), 50 g weißer Sesam150 g braune Champions (in Scheiben geschnitten)Gutes Salz (z.B. Maldon Salz)Exotische Pfeffermischung (Bio)
Zubereitung:Den Ofen auf 220 Grad (Umluft) vorheizen. Die Maishähnchenkeulen in der Pfanne von beiden Seiten goldgelb in Olivenöl anbraten, dann salzen und pfeffern. Die Keulen in einen Bräter setzen mit Weißwein übergießen und alle Zutaten vorsichtig über die Keulen geben. Den Bräter für 18-20 Minuten in den Ofen geben. Nach der Hälfte der Zeit alles nochmal gut vermengen und die Keulen einmal umdrehen.
Dazu werden Panna Cotta von Basilikum und Ziegenkäse mit Rhabarber-Chutney serviert.
Panna cotta von Basilikum
Zutaten4 Einweggläser300 g Sahne (Bio)300 ml Milch (1,5%, Bio)60 g Zucker, 12 g Gelatine1/2 Bund Basilikum (nur die Blätter)60 g Ziegenhartkäse gerieben
ZubereitungSahne, Milch und Zucker einmal aufkochen. Basilikum fein hacken und in der Masse 20 Minuten abgedeckt ziehen lassen. Alles durchsieben und den geriebenen Ziegenkäse dazugeben. Anschließend die Gelatine (vorher gut ausdrücken) hineingeben. In die Einweggläser füllen und mindestens drei Stunden im Kühlschrank durchkühlen lassen.
Rhabarber-Chutney
Zutaten2 Esslöffel weißer Aceto Balsamico2 Schalotten (fein gehackt)350 g Rhabarber (gewaschen und in feine Scheiben geschnitten)200 g Zuckersirup (100 g Wasser und 100 g Zucker, 4 Minuten kochen lassen)30 g guter Honig , 2 Prisen gutes Salz30 g Olivenöl
ZubereitungDie Schalotten im Olivenöl anschwitzen (sehr vorsichtig, sie dürfen nicht braun werden). Anschließend den Rhabarber dazugeben und ca. 1 Minute kochen. Mit Zuckersirup ablöschen, Honig und Essig dazugeben, leicht salzen. So lange vorsichtig weiterkochen bis eine sirupartige Konsistenz erreicht ist.