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Serie

In einer Stunde von Köln
Sinzig – Wo einst Kaiser und Könige residierten

Lesezeit 6 Minuten
Serie HBF+1 - Sinzig

Steht an der Stelle der ehemaligen Kaiserpfalz: der Zehnthof in Sinzig

Heute ist das Städtchen am Mittelrhein ein geschichtsträchtiger, aber beschaulicher Ort, der mehr von sich präsentieren will als die Erinnerung an Barbarossa.

Der Name des Bahnhofs ist irreführend. „Sinzig (Rhein)“ heißt die Station, obwohl der Fluss weit weg ist. Er verläuft gut zwei Kilometer östlich des rheinland-pfälzischen Städtchens mit seinen rund 17.000 Einwohnern. Der RE5 nach Koblenz oder die RB26 nach Mainz halten hier, 47 oder 62 Minuten dauert die Fahrt vom Kölner Hauptbahnhof aus. Laut Fahrplan. Aber Matthias Röcke vom Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum in Sinzig hatte vorab gewarnt: „Die Züge im Rheintal fahren eher nach dem Zufallsgenerator als nach Fahrplan.“ Er sollte recht behalten.

Der Zugführer ist immerhin gut gelaunt, er gibt in regelmäßigen Abständen lustig formulierte Erklärungen ab, warum die Verspätung immer größer wird (vorausfahrender Zug im Weg, defekte Signalanlage am Bahnübergang, Vorfahrt eines Güterzuges). Wir harren geduldig der Dinge, schließlich haben wir uns aufgemacht, ganz entspannt die kleine Barbarossastadt im Mündungsgebiet der Ahr in den Rhein zu erkunden, die gerade nach Alternativen für ihren Beinamen sucht. Man habe so viel mehr zu bieten als die Erinnerung an den Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa, heißt es beim Stadtmarketings. Der kam hier ein paarmal vorbei, unter anderem im März 1152 auf dem Weg von seiner Wahl zum König in Frankfurt zu seiner Krönung in Aachen.

Ein kleiner Roboter mit Bildschirm auf der Brust steht in einem Museumsraum.

Bekanntschaft im Heimatmuseum: Roboter Pepper empfängt Besucher und gibt Auskünfte.

Aber nicht nur Staufer- und vor ihnen Karolinger-Könige haben Spuren hinterlassen in Sinzig, sondern auch die Römer. Im Heimatmuseum machen wir außerdem Bekanntschaft mit Pepper, einem ulkigen Roboter mit steifem Hals. Wir lernen etwas über uralte Holzpfähle aus der Ahr, besteigen einen Aussichtsturm und blicken von dort auf wunderbare Landschaft. Wir essen Quesadillas und leckeres Eis, bevor wir mit einem Römerbrot und einer Flasche Blanc de Noir im Gepäck (und mit Verspätung) zufrieden zurück nach Köln fahren.

Was man in Sinzig gesehen haben sollte

Die Pfarrkirche St. Peter: Der Kirchplatz bildet das malerische Zentrum des Städtchens am Mittelrhein, er ist vom Bahnhof aus problemlos zu Fuß zu erreichen. Die imposante Pfarrkirche St. Peter gilt als einer der bedeutendsten Sakralbauten der Spätromanik, sie entstand zwischen 1225 und 1241. „Damals war in Frankreich schon die Gotik in Mode“, sagt Matthias Röcke: „Beim Bau von St. Peter wurde daher alles angewendet, was die Romanik konnte. Das ist sozusagen eine Abschlussarbeit der Romanik.“

Die beiden Männer stehen an einem Geländer, dahinter ist weithin Landschaft mit Bebauung und Wäldern zu sehen.

Mit Aussicht: Matthias Röcke (l.) und Elmar Knieps vom Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum in Sinzig

Zehnthof/Kaiserpfalz: Neben der Kirche liegt der einstige Zehnthof, errichtet an der Stelle der ehemaligen Kaiserpfalz. 1978 sollte er abgerissen werden. Unter anderem, um das zu verhindern, gründete sich damals der Förderverein Denkmalpflege, der heute 120 Mitglieder hat. Ein Privatmann übernahm den Zehnthof und sanierte ihn, dessen Familie lebt bis heute dort. „Das war ein Segen für Sinzig“, sagt Röcke. So erhält der Besucher zwar keinen Zutritt, zumindest aber eine Ahnung von der Lage der einstigen Pfalz, die Sinzig zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert zu seiner Blütezeit verhalf.

Serie HBF+1 - Sinzig

Viele schöne Ansichten: Warum die kleine Stadt Sinzig einen Ausflug wert ist.

Abgesehen von Barbarossa residierten dort nachweislich 38 weitere Kaiser und Könige. In der damaligen Zeit übten sie ihre Herrschaft umherreisend aus, sie zogen von Stützpunkt (Pfalz) zu Stützpunkt.

Damals wird auf dem Hügel gehöriger Trubel geherrscht haben, denn die hohen Herren kamen stets mit großem Gefolge, das verköstigt und unterhalten werden musste. Für das Sinzig von heute gilt eher dieser Spruch, den Röcke und sein Kollege Elmar Knieps vom Förderverein Denkmalpflege und Heimatmuseum augenzwinkernd zum Besten geben: „Ist es auch klein und winzig, schön ist es in Sinzig.“ Beide mögen die geschichtsträchtige Ruhe des Ortes bei gleichzeitiger Nähe zu den Ballungsräumen Köln, Bonn und Koblenz.

Sinziger Schloss mit dem Heimatmuseum: Das Sinziger Schloss gehörte einst dem Kölner Kaufmann Gustav Bunge, er ließ es zwischen 1854 und 1858 in neugotischem Stil als Sommervilla erreichten. Es steht auf den Grundmauern einer 1689 von den Franzosen zerstörten Wasserburg der Herzöge von Jülich-Berg. Heute können sich dort Paare in altehrwürdigem Ambiente trauen lassen. Außerdem beherbergt das Schloss das Heimatmuseum Sinzig mit einer sehr schön gestalteten Sammlung an Keramik-Fundstücken aus einer Terra-Sigillata-Manufaktur. Das römische Tafelgeschirr wurde am Sinziger Rheinufer hergestellt.

Schlossturm mit weiss blühendem Baum und Steinmauer in Sinzig am Rhein sind zu sehen.

Das Heimatmuseum ist auch herrschaftlich beherbergt im Schloss Sinzig.

Im Eingangsbereich des Museums wartet Pepper, ein kleiner Roboter ganz in Weiß. Er reagiert auf die menschliche Stimme und gibt Auskunft zu den Ausstellungen. Nur der stets zur Seite geneigte Kopf irritiert, da spielt die Technik offenbar verrückt. Zu sehen sind noch Gemälde und Informationen zur Stadtgeschichte. Außerdem werden – ganz aktuell – teils uralte Holz-Brückenpfähle gezeigt, die 2021 bei der Hochwasserkatastrophe emporgespült wurden.

„Nicht für die Ewigkeit – Brücken im Ahrtal“ heißt die Sonderausstellung, für die das Alter der Pfähle mit Hilfe dendrochronologischer Analysen bestimmt wurde. Mit historischen Karten und Dokumenten wird so über den Brückenbau und den Umgang mit Hochwasser in früheren Jahrhunderten erzählt. Es ist auch ein Pfahl aus den Zeiten Napoleons dabei.

Wo man in Sinzigs City essen und trinken kann

Wer vom Kirchplatz aus ostwärts durch die Innenstadt Sinzigs schlendert, dem bietet sich manche Einkehrmöglichkeit: Angefangen mit dem schicken Restaurant „Feinschliff“, in dem vor allem am Abend ohne Reservierung kaum ein Platz zu bekommen ist. Gegenüber lädt das bodenständigere „Laguna“ ein und direkt daneben die „Pizzeria Piccolo“.

Am Ende der Bachovenstraße liegt die „La Bodega Latina“, hier genießen wir in einem gemütlichen Innenhof selbst gemachte Limonade und leckere Quesadillas. Nur ein paar Häuser weiter liegt das „Eiscafé am Markt“. Bei der „Bäckerei Hippchen“ gibt es immer donnerstags das „Römerbrot“ nach einer alten Rezeptur, und zurück am Kirchplatz lohnt sich ein Blick in den Buch- und Weinladen „Lesezeit“. Hier decken wir uns mit einer Flasche Blanc du Noir aus dem Ahrtal ein, ein aus Rotweinsorten gekelterter Weißwein.

Eine Barbarossa-Statue ganz in Rot steht vor einem Haus.

Barbarossa ganz in Rot heutzutage in Sinzig: 1252 kam König Friedrich von Hohenstaufen hier durch, gerade in Frankfurt gewählt deutschen auf dem Weg zum Krönungsort Aachen.

Wandern rund um Sinzig

Die Landschaft rund um Sinzig lässt Wanderer-Herzen höherschlagen, Möglichkeiten für schöne Touren gibt es viele: So endet der Rotweinwanderweg kommend aus Altenahr im Sinziger Stadtteil Bad Bodendorf, und der Ahrsteig, der in Blankenheim beginnt, endet am Sinziger Bahnhof.

Durch Sinzig und seine Ortsteile führen die beiden Barbarossaschleifen, eine grüne und eine blaue. Die längere blaue (18,8 Kilometer) geht über den Mühlenberg, dort können ein Waldspielplatz und der Feltenturm erobert werden. Von oben ist die Aussicht wunderbar und direkt neben dem Turm lädt an den Wochenenden die Cäcilia-Hütte zur Einkehr ein.

Veranstaltungen in Sinzig

31. August: Konzert im Schloss mit dem Gitarrenduo GolzDanilov

6. September: First Friday After Work Wein

www.vinophorie.de/events

13. bis 15. September: Barbarossamarkt rund um das Schloss (Mittelaltermarkt)

www.wir-helfen-ev.de/veranstaltungen/

Auch der Wilhelmshof in Sinzig bietet regelmäßig Veranstaltungen, zumeist für Kinder. Ansonsten lohnt sich ein Einkauf im Hofladen.

www.wilhelmshof-sinzig.de/

Weitere Infos: www.sinzig-info.de