Die „Holzordnung“ von 1537 war derart streng: Man hätte sie mit gutem Grund als „Halsordnung“ bezeichnen können. Für einen fremden Stamm im Bürgewald bezahlte man mit seinem Kopf. Wen sie auf frischer Tat ertappten, den nähten sie in eine Ochsenhaut und hängten ihn ins Feuer, bis das Geschrei vorüber war. Wanderer indessen mochten Nüsse sammeln im Hambacher Forst. Und um Pflug und Wagen auszubessern, durfte man sogar den Bäumen ans Gehölz. Heute ist die Holzordnung verschwunden. Und mit der Ordnung gleich der halbe „Bürgewald“ bei Jülich, denn seit 1978 ließ „Rheinbraun“ die Wälder roden. Kein Ochse musste länger seiner Pelle wegen zittern. Den Hambacher Forst ersetzte der Tagebau Hambach, der größte Tagebaubetrieb in Deutschland. Und wo gehobelt wird, das weiß der Volksmund, fallen Späne.
Keine Mammuts, aber Bäume
Auf der Abraumhalde dieser ausgekohlten Flöze wächst ein neuer Wald. Schon sieht die alte Halde nicht mehr ganz wie eine Halde aus, sondern fast wie eine Höhe der Natur: mit Buckeln, Gipfeln, Gipfelkreuz. Und heißt auch so: Sophienhöhe. Und nicht: Sophienhalde. Hier oben sind wir heute unterwegs. Rund 100 Kilometer Wanderwege hat die „RWE Energy“ auf der Sophienhöhe angelegt. Uns reichen davon reichlich zehn Prozent.
Anfahrt: Pkw: A 4 bis AS Düren, auf B 56 Richtung Jülich bis Niederzier-Krauthausen, dort rechts Richtung Niederzier und hinter Krauthausen links ab nach Hambach. Im Ort links und L 264 queren, geradeaus bis zum Parkplatz.Bahn: Mit der DB über Düren www.avv.de
Einkehren: Burg Obbendorf 52382 Niederzier-Hambach02428/901240www.burgobbendorf.de
Gaststätte Hambacher Hof Große Forststraße 61 02428/2492 Mittwoch Ruhetag
Vom Wanderparkplatz aus passieren wir die Absperrpfähle und die große Hinweistafel, auf der die RWE uns schmeichelt mit dem Hinweis auf ihren „subventionsfreien“ Strom. Von nun an folgen wir für lange Zeit dem Andreaskreuz („X“) des Eifelvereins mit dem Wanderweg 2. Wir queren den Weg, der den Sockel der Höhe umfährt und steigen halblinks auf, an Birken entlang, die in der Sonne leuchten. Gut 600 Meter weiter schwenken wir ein wenig rechts, vorüber am Rettungspunkt 10 vor einer einzelnen Kiefer, und steigen weiter auf. 300 Meter weiter biegt der Weg scharf rechts ab, bei einer grünen Bank nach weiteren 300 Metern wieder links – dabei stets hinauf mit dem vertrauten Zeichen („X“).
„Gipfelkreuzweg“
Am nächsten Scheitelpunkt passieren wir den Rettungspunkt 11 und schwenken rechts, noch weiter steigend, bis wir den „Oberen Randweg“ der Höhe erreichen. Ihm folgen wir wie dem Andreaskreuz ein Stück weit ohne Steigung weiter geradeaus. Bei einer Bank ist eine Schneise freigeschlagen: Zu sehen gibt es das Kraftwerk Weisweiler, das eine lange Wolke in den blauen Himmel bläst. Der Wanderweg beschreibt nun wieder einen scharfen Schwenk nach links und steigt als „Gipfelkreuzweg“ sacht bergan. An einem Wegekreuz vorüber, folgen wir dem Zeichen geradeaus, bis uns ein großes Holzschild links den „Mammutwald“ verspricht: Der deutliche Pfad macht mit uns einen kleinen Bogen und stößt beim nächsten Holzschild wieder auf den Wanderweg. Mammuts sind keine zu entdecken, aber Mammutbäume, jede Menge.
Ehe wir dann mit dem Wanderweg links den alten Gipfel der Sophienhöhe und das alte Gipfelkreuz erreichen, passieren wir noch eine Forsthütte am Wildgehege. Ein Foto vor dem Kreuz zeigt die Verhältnisse von 1981 auf dem „Monte Sophia“, als das Gelände vor uns abfiel in die alte Grube. Inzwischen haben die Absetzer die Höhe wachsen lassen: gleichermaßen in die Ebene wie in die Höhe. Wir folgen halblinks weiter dem Andreaskreuz Richtung „Römerturm“. Zur Linken fällt das Land nun ab bis in den „Silbersee“ und bietet freie Blicke auf das Wildgehege. 300 Meter nach dem Kreuz passieren wir ein Wegekreuz und folgen dann der Route nach rechts („Römerturm“).
Alle Kraftwerke im Umkreis
Nach weiteren 450 Metern erreichen wir das nächste Wegekreuz, folgen dem Andreaskreuz nach links und steigen dann im Schwung nach rechts bis auf die höchste Höhe rings umher. Auf 301,80 Höhenmetern steht der sogenannte „Römerturm“. Ein Nachbau ohne Frage, denn zu Römerzeiten lag die Via Agrippinensis, an der ein solcher Turm gestanden haben mag, rund 200 Meter tiefer. Dafür ist das Panorama umso schöner. Und sorgfältig beschriftet: Alle Kraftwerke im Umkreis sind verzeichnet, Stichwort „heimische Energie“, darunter drei der fünf größten in Deutschland. Angegeben sind auch die Himmelsrichtungen und Entfernungen bis Malmö und Antalya sowie zum Kölner Karneval. Und wer bis Puerto Rico möchte: Einfach bis zum Kraftwerk Weisweiler und dann 7290 Kilometer weiter mit Bacardi-Feeling geradeaus. Wir sehen den neuen Turm des Wetterradars und auf dem Höller Horn die Kugelbake von Cuxhaven, ebenfalls als Nachbau. Schiffe sind hier oben eher selten.
Dort unten war es, wo Arnold aus Ginnizweiler, der Sänger Karls des Großen, seinem Herrn den Hambacher Forst abspenstig machte: Bei einem Jagdausflug erbat er so viel Land für sich, wie er in einer Mittagspause im Galopp umreiten könne. Karl stimmte zu, und Arnold preschte los. Er hatte allerdings in jedem Dorf ein frisches Pferd bereitgestellt und konnte so den ganzen Wald umrunden, während Karl sich gütlich tat an seinem Lunchpaket. Der Kaiser nahm die List nicht übel und schenkte seinem Musikus zum Wald noch einen herrschaftlichen Ring. Arnold gab das Land an seine Nachbarn weiter, die ihren Gönner nach seinem Tod als Heiligen verehrten. Schon im 10. Jahrhundert hieß Ginnizweiler „Arnoldsweiler“. Und selbst als „52353 Düren“ verehrt das Dorf noch Arnolds Grab.
Wir steigen vorsichtig die steile Treppe hinab und folgen in der Verlängerung dem Schotterweg, bis wir gleich wieder auf den Wanderweg mit dem Andreaskreuz gestoßen sind (Zeichen am Stein gegenüber). Ihm folgen wir ein letztes Mal nach rechts, durch eine Freifläche, dann wieder in den Wald, bis wir nach rund 600 Metern ein Wegekreuz erreichen (Rettungspunkt 39). Hier verlassen wir, vor dem Höller Horn, den Wanderweg 2 mit dem Andreaskreuz und folgen links nun dem „Kapellenweg“. 750 Meter weiter haben wir das nächste Wegekreuz erreicht und schlagen links den „Obstweg“ ein. Er wartet auf seiner Länge mit Äpfeln, Birnen und Maronen auf. Zur Obstbaumblüte verwandelt er die Strecke in ein Meer von Blüten.
Alte Römerroute
Beinahe eineinhalb Kilometer weit folgen wir ihr nach Südwest, passieren nach 400 Metern den zweithöchsten Gipfel, den Jülicher Kopf (285,80m), eine Erhebung auf der Linken, mit Birken und Wacholder hübsch bestanden, kreuzen bei Rettungspunkt 51 dicht an dicht zwei Wege, knapp einen halben Kilometer später noch einen Weg, und stoßen auf den „Oberen Randweg“, von wo aus wir durch eine Baumschneise aufs Umland blicken. Nun wenden wir uns links und wandern gut 300 Meter weit am Oberrand der Böschung auf der Rechten. Einmal sehen wir tief unter uns die alte Römerroute Via Belgica – von Heerlen, Jülich, Juliacum bis zur Kölner Schildergasse – auf der alten B55 schnurgeradeaus verlaufend, die jetzt vom Sockel der Sophienhöhe abgeriegelt ist. Nur wenig weiter, am Rettungspunkt 14, beginnen wir den Abstieg in engen Serpentinen. Nach der zweiten Kehre kommen wir in einen Nadelwald, erreichen den Rettungspunkt 13 und wandern im spitzen Winkel links zurück. Dann verfolgen wir den nächsten Weg im stumpfen Winkel nach links und wandern auf dem untersten Sockel der Höhe, ziemlich genau einen Kilometer weit bis Rettungspunkt 10. Hier geht es nun halbrechts hinab auf der Birkenallee und so zurück zum Ausgangspunkt, erneut vorüber an der großen Auskunftstafel: „Heimische Braunkohle versorgt in Deutschland jede vierte Steckdose mit Strom“, lesen wir da. Da mag es wie der Ausdruck einer großen Harmonie erscheinen, wenn auch jede vierte Handvoll Feinstaub in der näheren Umgebung sich dem Tagebau verdankt. Verbreitet hat die Zahlen übrigens ein Landesamt, kein Baumbesetzer und kein Klima-Aktivist.