AboAbonnieren

11.11. am ZülpicherKölner OB Reker verteidigt erneut Konzept – Wirte üben Kritik

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Auch am späten Nachmittag ist der Bereich um den Zülpicher Platz voller Jecken.

Köln – Die Wimmelbilder von der Zülpicher Straße an diesem bemerkenswerten 11.11. in Köln waren kaum entstanden, da machten sie schon die große Runde durch all die digitalen Echokammern und Teilchenbeschleuniger. Eine Runde, die recht schnell das Kölner Rathaus erreichte, zu dessen Füßen am Alter Markt zur gleichen Zeit noch vergleichsweise gesittet gefeiert wurde. Die Bilder, die aus Köln in die Welt gingen und die Zehntausende beim Feiern zeigten, das wurde schnell klar, haben die Stadtspitze in gehörige Erklärungsnot gebracht.

Neben dem Verweis auf die vielen Geimpften und Genesenen und eine „ganz andere Situation“ als im vergangenen Jahr betont Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Tag danach aber vor allem eines: „Den Menschen wurde immer versprochen, dass wenn sie geimpft sind, bekommen wir Schritt für Schritt unser normales Leben zurück. Dazu gehört es eben auch, das Brauchtum in Köln zu feiern.“ Wenn Geimpften und Genesenen das Feiern verboten worden wäre, hätte das negative Auswirkungen auf die Akzeptanz der Impfkampagne gehabt, glaubt die OB. „Als Stadt ist es unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu setzen. Letztlich muss dann jeder und jede für sich entscheiden, ob er oder sie feiern gehen möchte oder nicht.“ Reker also legt Wert darauf zu fragen, welche Wirkung denn die gegenteiligen Bilder ausgelöst hätten, Bilder von einer leeren Stadt, von verbotenen Feiern.

13.000 Menschen auf der Zülpicher Straße

Damit folgt Reker im Wesentlichen ihrer Linie, die sie schon am 11.11. selbst gegangen ist. Da nämlich hatte sie betont, dass mit den etwa 50.000 Feiernden in der Stadt auch nicht mehr Menschen zusammengekommen seien als etwa zu einem Fußballspiel im Rhein-Energie-Stadion. Allein in den Kernbereichen der Zülpicher Straße und der Roonstraße sowie den einmündenden Straßenkreuzungen hätten sich nach Einschätzung des städtischen Koordinierungsstabes etwa 13 000 Menschen im öffentlichen Raum aufgehalten, teilte die Stadt am Freitag mit. Wie groß die Auslastung in den Gastronomie-Betrieben war, könne die Stadt nicht erfassen.Der Koordinierungsstab unter der Leitung des Ordnungsamtes habe am 11.11. die Auslastung des Zülpicher Viertels „mittels ständiger Sichtung der Personendichte“ festgestellt, hieß es. Die Eingänge wurden um kurz nach 15 Uhr geschlossen. Die Frage, ob eine niedrigere Kapazitätsgrenze im Raum stand und ob deren Ablehnung ein Fehler war, ließ die Stadt Köln am Freitag unbeantwortet.

Alles zum Thema Henriette Reker

Der Kölner Onkologe Michael Hallek von der Uniklinik kritisierte die Feiern. Das Gedränge auf der Zülpicher Straße habe das Potenzial zu einem „Superspreading-Event“, sagte er dem WDR. Es gebe Anlass zur Sorge. Das Ergebnis werde man erst „in zwei Wochen sehen“. Kritik kam auch von Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag: „Ich wundere mich sehr, wie viele Leute den QR-Code des Impfnachweises offenbar mit bloßen Augen entschlüsseln können.“ Stadtdirektorin Andrea Blome, die auch den städtischen Corona-Krisenstab leitet, sagte, die Konzepte für den Sessionsbeginn seien „nach einer ersten Einschätzung aufgegangen“. Am Montag solle bei einer Sondersitzung des Krisenstabs gemeinsam mit der Polizei analysiert und beraten werden, was weniger gut und was besonders gut funktioniert hat, „damit wir für den Straßenkarneval in einigen Monaten nachsteuern können“. Ein Verbot von Karnevalsveranstaltungen für alle, so Blome, wäre nicht verhältnismäßig gewesen – und aller Wahrscheinlichkeit nach auch gerichtlich gekippt worden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Unterdessen hat der Verein „Gastro Kwartier Latäng“ seinen Unmut über die Bilder am Zülpicher Platz geäußert. „Der unkundige Beobachter glaubt, (eine volle Straße, Anm. d. Red.) wäre gut für uns Wirte, Nein, das ist es nicht. Wir hätten alle Kneipen zu machen können, das Bild auf der Straße an diesem Tag hätte sich kaum geändert“, schreiben die Gastronomen in einem Statement auf Facebook. Umso größer ist das Unverständnis darüber, dass offenbar an den Zugangsbereichen nicht gründlich kontrolliert wurde. Claudia Wecker, Betreiberin des Studentenclubs „Das Ding“ zeigte sich irritiert über das Vorgehen vor Ort. „Für eine richtige Kontrolle braucht man mindestens 60 Sekunden pro Gast: Wenn man die Cov-Pass-App checkt und den Personalausweis muss man sich zum Beispiel vergewissern, dass es sich um keinen Screenshot handelt“, so die Ding-Chefin. Noch mehr Zeit verstreiche für die Kontrolle, wenn jemand seinen Führerschein vorzeige oder sich mit einer Genesenenbescheinigung aus einer anderen Stadt präsentiere.

Erfahrungswerte ignoriert

„Wir blicken als Clubbetreiber auf neun Wochen Erfahrungswerte zurück und sind sehr streng an der Tür. Es ist schade, dass die Stadt Köln im Vorfeld den zweiten runden Tisch Karneval abgesagt hat, denn dort hätten wir Wirte einiges angesprochen.“ Zum Beispiel für 2G plädiert statt die Regelung erst drei Tage vorher zu beschließen. Oder worauf bei der Wahl des Security-Personals zu achten sei. „Wir hätten uns gewünscht, dass man uns zuhört, und sich früher und besser auf Augenhöhe austauscht.“ Weckers persönliche Bilanz: „Man muss da sicher differenzieren, ob es eine kleine Kneipe ist, die sonst nicht so arbeitet, oder ein Club. Für uns war schon an Halloween viel los. Und bisher ist uns 2G und 3G im Club noch nicht um die Ohren geflogen, man weiß jedenfalls von keinen größeren Ausbrüchen“.

Kölner Kneipe Stiefel auf der Zülpicher Straße blieb zu

Stiefel-Wirt Stephan Freund hätte sich gewünscht, dass im Zülpicher Viertel strengere Auflagen geherrscht hätten – mehr Open-Air-Programm, etwa an der Uniwiese, um die Massen zu entzerren. Bei allem Unmut zeigt er Verständnis für die Security an den Sperren: „Bei der Masse an Menschen besteht auch die Gefahr, dass die Stimmung kippt“, so Freund. Die Stadt habe sich eben einfach kein gutes Konzept überlegt. Seine Kneipe zu schließen, bereut er daher nicht. „Wenn von den Leuten, die ich habe, noch zwei krank werden, kann ich danach zwei bis drei Wochen schließen.“