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Adios, verrückter Pablo

Lesezeit 9 Minuten

Sülz – Neben dem kornblumenblau gerahmten Gitterfenster an der Marsiliusstraße führte eine schmale Eingangstür in eine schummrige Höhle. Dort quetschten sich die Besucher bei Kerzenlicht an winzige Tische und verzehrten diverse Gerichte auf kleinen Tellern. Die Tapas-Bar mit Spelunkencharme war jahrzehntelang ein Veedels-Liebling, heiß geliebt und in Foren viel diskutiert. Ob Frauen mit einer Kleidergröße jenseits der 42 ein Besuch empfohlen werden kann und ob das Angebot wirklich spanisch ist? So lauteten nur zwei der vielen Fragen, die im Zentrum der Debatten standen. . Zu streng war man mit dem „Kleinen“, so die deutsche Übersetzung von Pablo, nie. Schließlich war er ein Künstlerkind und hatte eigentlich deswegen seinen Namen: Die Kölner Malerin und Bildhauerin Stella Angelini hatte das Lokal 1994 gegründet und ihm den Vornamen ihres großen Vorbilds Picasso verpasst. 25 Jahre später ist es Geschichte. Seit März vergangenen Jahres hängt ein weißer Zettel mit einer schnörkellosen Nachricht an der Tür: „Liebe Gäste, das Pablo bleibt geschossen. Wir bedanken uns bei allen. Servus.“

Peter Brisack hat sein Lokal dicht gemacht. Seitdem herrscht dort Friedhofsstille – seit nun anderthalb Jahren. Doch die viele Fans trauern Pablo in den sozialen Netzwerken noch immer nach. Im Oktober vor 20 Jahren hatte Brisack es von Angelini übernommen. Eigentlich war er damals als Immobilienkaufmann tätig. Doch als er das Pablo kennenlernte, konnte er sich plötzlich ein Leben als Gastronom vorstellen. Bald nach der Eröffnung heuerte er auch die richtige Crew an, um den kleinen Laden auf Vordermann zu bringen: Momo Bouhaddouz, heute Inhaber des Meister Gerhards am Rathenau- und Clodwigplatz, und den spanischen Koch Fernando.

Der Laden avancierte zum Geheimtipp, war jeden Abend rappelvoll, eine Räucherbude, in der Tapas, Cocktails und allerlei Leckereien über die Theke gereicht wurden. „Das waren ein paar verrückte Jahre“, erinnert sich Brisack. Einen Haken an der Sache gab es von Anfang an: In der pablo-eigenen Miniküche konnte man die Speisen nicht herstellen. Fernando und die anderen Köche bereiteten sie in zwei Restaurants in der Nähe vor. Doch die machten später zu.

Momo machte dann bald sein eigenes Lokal auf, Fernando fing beim 4 Cani in der Innenstadt an. Eine kolumbianische Köchin übernahm das Zepter, zauberte Paella, spezielle Fischgerichte – und bereitete die Gerichte nun zuhause zu. Das Ordnungsamt machte zunehmend Druck und forderte, dass das Pablo eine eigene Küche erhält. „Man hätte eine Abluftanlage anbauen und 20 000 Euro investieren müssen“, schildert Brisack. „Das hätte ich natürlich mit dem Eigentümer klären müssen, weil die Anlage über die Hauswand zum Giebel geführt hätte.“

Doch damals begannen schon die Schwierigkeiten mit der Hausverwaltung und mit Mietern im Haus. „Wir hatten das Gefühl, dass sie es darauf anlegten, uns herauszudrängen“, erzählt Brisack. Belege für diese These hat er aber nicht. Post sei verschwunden. Wichtige Unterlagen, wie Rechnungen, seien nicht angekommen. „Im Keller wurden Lebensmittelpakete so aufgerissen, dass man den Eindruck haben konnte, Nagetiere seien am Werk gewesen“, sagt Brisack. Am nächsten Tag sei das Ordnungsamt gekommen – aufgrund eines anonymen Hinweises, dass in den Lagerräumen mit dem Fleisch etwas nicht in Ordnung sei.

„Ich hatte die Manipulation bemerkt und die Pakete weggeschmissen, bevor das Amt kam“, sagt Brisack. Sein ehemaliger Mitarbeiter Zacharia Sharidou erinnert sich: „Wir hatten plötzlich kein Wasser mehr und haben festgestellt, dass jemand im Keller den Hahn zugedreht hat.“ Vielleicht war alles aber auch nur ein unglückliches Zusammentreffen unliebsamer Ereignisse. Bei Brisack bleibt jedenfalls ein schaler Beigeschmack.

Die Lage spitzte sich zu. Am 28. Februar 2018 bekam das Pablo abends den schicksalhaften Besuch vom Ordnungsamt. Brisack erinnert sich genau an die Situation: „Gerade kam eine Kellnerin mit Patatas und Gambas aus der Küche“, erzählt er. „Ich dachte mir schon, das könne jetzt kompliziert werden, denn sie hatten mir schon mehrfach untersagt, dort zu kochen.“ Brisack bekam eine Anzeige, die später zurückgenommen wurde. Für ihn war endgültig Feierabend. Er beendete seinen Gastauftritt in der Gastronomieszene. „Wenn Dinge zu sehr gegen einen laufen“, so meint der Ex-Wirt, „dann muss man einfach eine andere Richtung einschlagen.“ Brisack schloss das Pablo – vorübergehend, wie er dachte. Es gab viele, die es gerne übernehmen wollten. Eine ehemalige Mitarbeiterin und eine Profigastronomin vom Eigelstein interessierten sich dafür, ein Mitarbeiter seines ehemaligen Kompagnons Momo Bouaddouz. „Beide hätten sofort eine Küche gehabt, wo man hätte produzieren können“, betont Brisack. Und das Ordnungsamt sei grundsätzlich sehr kooperativ gewesen und hätte mit ihm nach einer Lösung gesucht. Dass die Behörde darauf bestehen muss, dass Regeln eingehalten werden, versteht Brisack.

Leider sei aber die Hausverwaltung auf keinen der Vorschläge eingegangen. Sie habe nicht auf Anrufe reagiert, vereinbarte Termine abgesagt, Interessenten Monate lang warten und alle auflaufen lassen. „Wir haben uns auch an den Eigentümer gewandt“, so Brisack. „Er sagte, er habe nichts damit zu tun. Das macht die Hausverwaltung.“

Die war auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sowie zu den Ereignissen in der Vergangenheit und was mit dem kleinen Lokal an der Marsiliustraße geschieht zu keiner Auskunft bereit. So steht es weiterhin leer und nichts im Inneren deutet darauf hin, dass sich dieser Zustand bald ändert.

Die Tapas-Bar mit Spelunkencharme musste schließen – und wird auch über ein Jahr später noch von vielen Fans vermisst

Neben dem kornblumenblau gerahmten Gitterfenster an der Marsiliusstraße führte eine schmale Eingangstür in eine schummrige Höhle. Dort quetschten sich die Besucher bei Kerzenlicht an winzige Tische und verzehrten diverse Gerichte auf kleinen Tellern. Die Tapas-Bar mit Spelunkencharme war jahrzehntelang ein Veedels-Liebling, heiß geliebt und in Foren viel diskutiert. Ob Frauen mit einer Kleidergröße jenseits der 42 ein Besuch empfohlen werden kann und ob das Angebot wirklich spanisch ist? So lauteten nur zwei der vielen Fragen, die im Zentrum der Debatten standen. . Zu streng war man mit dem „Kleinen“, so die deutsche Übersetzung von Pablo, nie. Schließlich war er ein Künstlerkind und hatte eigentlich deswegen seinen Namen: Die Kölner Malerin und Bildhauerin Stella Angelini hatte das Lokal 1994 gegründet und ihm den Vornamen ihres großen Vorbilds Picasso verpasst. 25 Jahre später ist es Geschichte. Seit März vergangenen Jahres hängt ein weißer Zettel mit einer schnörkellosen Nachricht an der Tür: „Liebe Gäste, das Pablo bleibt geschossen. Wir bedanken uns bei allen. Servus.“

Peter Brisack hat sein Lokal dicht gemacht. Seitdem herrscht dort Friedhofsstille – seit nun anderthalb Jahren. Doch die viele Fans trauern Pablo in den sozialen Netzwerken noch immer nach. Im Oktober vor 20 Jahren hatte Brisack es von Angelini übernommen. Eigentlich war er damals als Immobilienkaufmann tätig. Doch als er das Pablo kennenlernte, konnte er sich plötzlich ein Leben als Gastronom vorstellen. Bald nach der Eröffnung heuerte er auch die richtige Crew an, um den kleinen Laden auf Vordermann zu bringen: Momo Bouhaddouz, heute Inhaber des Meister Gerhards am Rathenau- und Clodwigplatz, und den spanischen Koch Fernando.

Der Laden avancierte zum Geheimtipp, war jeden Abend rappelvoll, eine Räucherbude, in der Tapas, Cocktails und allerlei Leckereien über die Theke gereicht wurden. „Das waren ein paar verrückte Jahre“, erinnert sich Brisack. Einen Haken an der Sache gab es von Anfang an: In der pablo-eigenen Miniküche konnte man die Speisen nicht herstellen. Fernando und die anderen Köche bereiteten sie in zwei Restaurants in der Nähe vor. Doch die machten später zu.

Momo machte dann bald sein eigenes Lokal auf, Fernando fing beim 4 Cani in der Innenstadt an. Eine kolumbianische Köchin übernahm das Zepter, zauberte Paella, spezielle Fischgerichte – und bereitete die Gerichte nun zuhause zu. Das Ordnungsamt machte zunehmend Druck und forderte, dass das Pablo eine eigene Küche erhält. „Man hätte eine Abluftanlage anbauen und 20 000 Euro investieren müssen“, schildert Brisack. „Das hätte ich natürlich mit dem Eigentümer klären müssen, weil die Anlage über die Hauswand zum Giebel geführt hätte.“

Doch damals begannen schon die Schwierigkeiten mit der Hausverwaltung und mit Mietern im Haus. „Wir hatten das Gefühl, dass sie es darauf anlegten, uns herauszudrängen“, erzählt Brisack. Belege für diese These hat er aber nicht. Post sei verschwunden. Wichtige Unterlagen, wie Rechnungen, seien nicht angekommen. „Im Keller wurden Lebensmittelpakete so aufgerissen, dass man den Eindruck haben konnte, Nagetiere seien am Werk gewesen“, sagt Brisack. Am nächsten Tag sei das Ordnungsamt gekommen – aufgrund eines anonymen Hinweises, dass in den Lagerräumen mit dem Fleisch etwas nicht in Ordnung sei.

„Ich hatte die Manipulation bemerkt und die Pakete weggeschmissen, bevor das Amt kam“, sagt Brisack. Sein ehemaliger Mitarbeiter Zacharia Sharidou erinnert sich: „Wir hatten plötzlich kein Wasser mehr und haben festgestellt, dass jemand im Keller den Hahn zugedreht hat.“ Vielleicht war alles aber auch nur ein unglückliches Zusammentreffen unliebsamer Ereignisse. Bei Brisack bleibt jedenfalls ein schaler Beigeschmack.

Die Lage spitzte sich zu. Am 28. Februar 2018 bekam das Pablo abends den schicksalhaften Besuch vom Ordnungsamt. Brisack erinnert sich genau an die Situation: „Gerade kam eine Kellnerin mit Patatas und Gambas aus der Küche“, erzählt er. „Ich dachte mir schon, das könne jetzt kompliziert werden, denn sie hatten mir schon mehrfach untersagt, dort zu kochen.“ Brisack bekam eine Anzeige, die später zurückgenommen wurde. Für ihn war endgültig Feierabend. Er beendete seinen Gastauftritt in der Gastronomieszene. „Wenn Dinge zu sehr gegen einen laufen“, so meint der Ex-Wirt, „dann muss man einfach eine andere Richtung einschlagen.“ Brisack schloss das Pablo – vorübergehend, wie er dachte. Es gab viele, die es gerne übernehmen wollten. Eine ehemalige Mitarbeiterin und eine Profigastronomin vom Eigelstein interessierten sich dafür, ein Mitarbeiter seines ehemaligen Kompagnons Momo Bouaddouz. „Beide hätten sofort eine Küche gehabt, wo man hätte produzieren können“, betont Brisack. Und das Ordnungsamt sei grundsätzlich sehr kooperativ gewesen und hätte mit ihm nach einer Lösung gesucht. Dass die Behörde darauf bestehen muss, dass Regeln eingehalten werden, versteht Brisack.

Leider sei aber die Hausverwaltung auf keinen der Vorschläge eingegangen. Sie habe nicht auf Anrufe reagiert, vereinbarte Termine abgesagt, Interessenten Monate lang warten und alle auflaufen lassen. „Wir haben uns auch an den Eigentümer gewandt“, so Brisack. „Er sagte, er habe nichts damit zu tun. Das macht die Hausverwaltung.“

Die war auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sowie zu den Ereignissen in der Vergangenheit und was mit dem kleinen Lokal an der Marsiliustraße geschieht zu keiner Auskunft bereit. So steht es weiterhin leer und nichts im Inneren deutet darauf hin, dass sich dieser Zustand bald ändert.

Peter Brisack, Ex-Gastronom