Kölner Kulturangebote leiden unter dem Sparkurs in der Stadt. Der Jeisterzoch richtete am Samstag den Blick auf die Probleme der Kulturszene.
Alternativer KarnevalGeisterzug macht am Eigelstein Krach für Kölner Kultur

Die Mitglieder der KG Tote Funken nahmen zum zehnten Mal am Geisterzug teil.
Copyright: Martina Goyert
Unter dem Motto „Mer bruche Jeld för Kultur, do sin mer Jeister stur“ wurde beim Geisterzug am Samstagabend gegen finanzielle Kürzungen im Kulturbereich demonstriert. Begleitet von Trommelgruppen und Trillerpfeifen setzten sich zahlreiche als Geister, Dämonen und Skelette verkleidete Demonstrierende gemeinsam in Bewegung, um auf das „Sterben der Kulturszene“ aufmerksam zu machen. Vom Eigelstein zog der Geisterzug bis zum Apostelnkloster, wo ab 21 Uhr die Abschlusskundgebung stattfand.

Teilnehmerin des Geisterzugs im Nachtfalter-Kostüm.
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Organisator: Kölner Kultur wird „systematisch zerstört“
Bemängelt wurden Kulturkürzungen für Tanz-, Theater- und Musik-Angebote. „In der freien Szene nagt man in Teilen bereits am Hungertuch“, sagte Erich Herrmanns, Vositzender des Ähzebär un Ko e.V. und Organisator des Geisterzugs. Auch wenn einige Kürzungspläne in den letzten Wochen nach Demonstrationen wieder im Stadtrat vom Tisch genommen wurden, viele städtische Kulturangebote seien aufgrund von Finanzierungslücken und fehlender Sanierung weiterhin bedroht: Museen sollen zusammengelegt, andere geschlossen werden. Die Kölner Kultur werde in der Folge „systematisch zerstört“, so Hermanns. Dagegen demonstriere der Geisterzug in diesem Jahr.

Die Demonstrierenden forderten Geld für die Kölner Kultur.
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Mit dabei: freischaffende Künstler, Artisten und Schausteller. „Wir fühlen uns zurzeit, als würden wir in einem schwarzen Loch versinken“, beschreibt Luftartistin Leonie Mersmann ihre Situation. Pädagogische Kurse, die sie bisher unterrichten konnte, seien beispielsweise von der Liste finanzieller Förderungen gestrichen worden. Und auch die politische Lage mache ihr zu schaffen. Deshalb sei sie mit dem Geisterzug auf der Straße. Die Demo gebe ihr und anderen Betroffenen etwas Hoffnung, man fühle sich nicht allein und habe das Gefühl, gemeinsam etwas zu schaffen, einander zu unterstützen in der schweren Zeit.
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Luftartistin Leonie Mersmann (Mitte) macht die politische Lage zu schaffen.
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Viele Zuschauer stehen am Straßenrand dicht gedrängt, als sich der Zug am Eigelsteintor ab 19 Uhr in Bewegung setzt. Ein Mann aus Sülz hält ein Schild in die Luft. „Janz Kölle und der Geisterzoch blieven stur für die Kultur“. Darunter ist ein kleiner Sarg abgebildet „Kultur“ steht auf dem Deckel. Er suche bereits seit einer Stunde nach seinem Freund, habe ihn aber noch nicht finden können, dafür seien einfach zu viele Menschen unterwegs. Er sei sehr überrascht, wie viele Jecke dem Aufruf gefolgt wären, für die Kulturangebote auf die Straße zu gehen. Er freut sich, dass so viele mit ihm hier sind.

Seit 1991 zieht der Jeisterzoch durch wechselnde Kölner Stadtteile.
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Melanie treibt vor allem die „Angst vor der anstehenden Wahl“ am nächsten Morgen auf die Straße. Ihr Gesicht hat sie weiß geschminkt. Sie hoffe darauf, beim Geisterzug noch einmal „gute Gemeinschaft zu spüren“, sagt die 38-Jährige. Dazu habe sie auch Freunde motiviert, mit ihr an diesem Abend zu demonstrieren. Glenn ist in einem venezianischen Ganzkörperkostüm im Geisterzug unterwegs. Der 28-Jährige sagt, er habe in den letzten Wochen gemerkt, wie wichtig es für ihn sei, für seine politischen Anliegen auf die Straße zu gehen: Theater und Museen seien wichtige Orte, wo Gesellschaft und das Miteinander verhandelt würden, die brauche es weiterhin.

Geisterzug-Teilnehmer Glenn sagt, Kölner Theater und Museen seien wichtige Orte, wo Gesellschaft und das Miteinander verhandelt würden.
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„Gerade in Zeiten, in denen rechte Kräfte erstarken“, ergänzt Gill (51) aus Köln. „Dagegen muss man laut sein und ein Zeichen setzen“. Sie hat sich goldene Drachenflügel umgeschnallt und trägt auf dem Kopf zwei schwarz schimmernde Hörner. Neben ihr demonstrieren Hexen und Zombies.

Der Geisterzug startete 2025 am Eigelstein.
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Andere stehen mit blutunterlaufenen Augen, weißen Laken und umschlungen von Lichterketten am Straßenrand, schauen den Demonstrierenden zu oder schließen sich dem Zug spontan an. Kamelle und Strüßje gibt es bei diesem politischen Umzug nicht – und auch keine Karnevalslieder zum Mitsingen. Stattdessen wird Lärm gemacht: mit Trommeln und Pauken, Trillerpfeifen, Fahrradklingeln und Rasseln.
Ein Hundebesitzer mit Totenmaske kniet etwas abseits am Straßenrand und hält seinem vierbeinigen Begleiter die Ohren zu. „Wir sind eben alles andere als eine schweigende Masse“, ruft Fahnenträger Boris (43) stolz über den Lärm hinweg. Mit seiner Gruppe „KG Tote Funken“ ist er in diesem Jahr zum zehnten Mal beim Geisterzug mit dabei – mit dem Anliegen, den politischen Karneval jedes Jahr in ein anderes Kölner Viertel zu bringen.