Nippes – Unangenehme Überraschungen im Erdreich scheinen in Köln immer häufiger zu werden: Altlasten aus vergangenen Jahrzehnten haben schon manches Bauprojekt erschwert. So aktuell auch auf dem vorgesehenen Baugebiet Neusser Straße/Simonskaul in Weidenpesch, wo das Ausmaß und die Fläche der Boden-Kontamination noch nicht ganz klar scheint. Oder im Bürgerpark Nord, wo das Dreikönigs-Gymnasium ab September 2020 ein Interim bekommen soll und die Ausgasungen einer Altdeponie aus dem Erdreich per Drainage abgeleitet werden müssen. Nun hat es auch Gartenfreunde erwischt: Teile des Geländes des Kleingartenvereins Flora e.V. im Inneren Grüngürtel liegen auf einer Fläche, auf der Altlasten vermutet wurden. Bei Kontroll-Bodenuntersuchungen hat die Stadt nun festgestellt, dass in sechs Gärten die Grenzwerte für das Schwermetall Blei und für Benzo(a)pyren – eine langkettige, als krebserregend geltende Kohlenwasserstoff-Verbindung – überschritten wurden: bei zwei Parzellen „vielfach“, bei vieren sind die Prüfwerte lediglich „überschritten“.
Als Vorsichtsmaßnahme hat die Stadt – als Verpächterin aller Kleingartenflächen – empfohlen, dass Obst und Gemüse in den betroffenen Parzellen bis auf Weiteres nur noch in Hochbeeten angebaut werden sollen. Außerdem solle man ungeschützten Bodenkontakt über die Haut meiden und darauf achten, dass Kinder nur auf dicht bewachsenem Rasen oder versiegelten Flächen spielen. Eine akute Gesundheitsgefahr bestehe für die Nutzer aber nicht; die Empfehlung sei vorsorglicher Natur. Auf seiner Internet-Seite verweist auch der Verein darauf, dass „die identifizierten Stoffe im Boden nicht toxisch (d.h. giftig) sind“ und kaum in Pflanzen und Früchte übergingen, da sie schlecht wasserlöslich seien. Allerdings könne es zu „Anhaftungen an Wurzelgemüse oder auf dem Boden liegenden Gemüse“ kommen, dann könne der Verzehr gesundheitsschädlich sein.
Das Altlasten-Verdachtsareal liegt im Nordwesten der weitläufigen Kleingarten-Anlage, sie grenzt an das Sechzig-Veedel. Betroffen ist ein Carré zwischen dem Josephkirchsplatz, der Krüthstraße und dem durch das Areal verlaufenden Fuß- und Radweg, wo auch das Clubheim liegt. Die Boden-Belastung ist uralt: Bereits auf einer historischen Karte von 1895, heißt es, sei eine Grube eingezeichnet; vermutlich um die Jahrhundertwende sei sie mit bisher unbekanntem Material verfüllt worden. Die Kleingärten entstanden erst rund 20 Jahre später, als der Verein gegründet wurde.
Die Kleingärtner bleiben unterdessen gelassen. „Das Ganze wird in der Öffentlichkeit mehr hochgekocht als nötig“, so schätzt Daniel Grothe, Vorsitzender des Flora e.V., die Lage ein. „Die Stimmung bei den betroffenen Pächtern ist eigentlich ganz in Ordnung.“ Er hebt hervor, dass man sehr zufrieden sei mit der Informationspolitik seitens der Stadt: „Sie hat uns ordentlich über die Befunde informiert. Jeder Garten wird nun gesondert untersucht und gegebenenfalls saniert.“ Schließlich sei es besser, dass die Information über Altlasten im Erdboden überhaupt an die Kleingärtner weiter gegeben worden sei und nun etwas dagegen getan werde, als die Sache zu verschweigen.
DIE HISTORIE
Der 1919 gegründete Flora e.V. ist mit mehr als 320 Parzellen einer der größeren unter den 116 Vereinen im Kölner Kreisverband. Die Gesamtfläche beträgt rund sieben Hektar – neben dem Haupt-Areal zwischen Escher und Merheimer Straße liegt auch ein Teil entlang des Lohseparks sowie kleine Parzellen um Lentpark und Fort X. In den 1970er Jahren fielen etliche Gärten den Planungen zur – letztlich verworfenen – Grüngürtel-Stadtautobahn zum Opfer. Die Anlage zeichnet sich durch Naturnähe und lockeres Flair aus, im Clubheim gibt es viele Veranstaltungen – wie die öffentlichen „Science Green Slams“. (bes)