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Enge, Nachtleben, GleiseWarum zwei Kölner Kreuzungen die gefährlichsten in NRW sind

Lesezeit 4 Minuten

Laut dem aktualisierten Unfallatlas ereigneten sich an gleich zwei Kreuzungsbereichen die meisten Unfälle in NRW. Was die Stadt dort jetzt plant.

Pendler hetzen über die Kreuzung, um ihre Straßenbahn noch zu erwischen, Autos quälen sich im Schleichtempo über den Hohenstaufenring, Radfahrer schlängeln sich im Schritttempo über die Straße, um nicht mit ihren Rädern in den Straßenbahnschienen hängen zu bleiben. Die Semesterferien sorgen zwar dafür, dass der Verkehr am Zülpicher Platz weniger hektisch ausfällt als sonst.

Und doch kriegt man auch an einem Vormittag im Juli einen Eindruck davon, warum der Bereich rund um den Zülpicher Platz, dem Hohenstaufenring und der Jahnstraße der gefährlichste Kreuzungsbereich in ganz Nordrhein-Westfalen ist.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls der aktualisierte Unfallatlas NRW vom Landesamt für Statistik. Der Atlas verortet alle Verkehrsunfälle mit Verletzten im Land punktgenau auf einer Karte. 20 Unfälle ereigneten sich im vergangenen Jahr rund um den Zülpicher Platz, bei 18 von ihnen waren Fahrradfahrer beteiligt. Damit liegt der Zülpicher Platz noch vor dem Bereich Universitätsstraße/Aachener Straße/Innere Kanalstraße (17 Unfälle) und dem Bereich Oberbilker Markt in Düsseldorf auf Platz 1 der gefährlichsten Kreuzungen.

Radfahrer bleiben am Zülpicher Platz mit dem Rad in den Gleisen hängen

Die Enge, das Nachtleben, die Gleise: Fragt man mit Anwohnerinnen und Pendler, warum sie glauben, dass der Zülpicher Platz die gefährlichste Kreuzung in Nordrhein-Westfalen ist, fallen ihnen viele Gründe ein: „Ich habe hier schon viele schreckliche Sachen erlebt“, sagt etwa Maria Breuer. „Jugendliche, die sich abends hier mit Lachgas versorgen und sich einen Spaß daraus machen, hier über die Kreuzung zu laufen.“

Betina Brücker meint: „Radfahrer, Straßenbahnen, Autofahrer: Es ist hier einfach zu wenig Platz für den ganzen Verkehr.“ Mit dem Fahrrad würde sie sich gar nicht mehr über die Kreuzung trauen. „Es gibt hier einfach viel zu viele Schienen, in denen man als Radfahrerin hängen bleiben kann.“

Das glaubt auch Christoph Schmidt vom Kölner Ableger des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC): „Bei vielen der Unfälle handelt es sich um Alleinunfälle von Radfahrern, wahrscheinlich verursacht dadurch, dass Radfahrer in den Gleisen hängengeblieben sind.“ Für Radfahrer sei es extrem schwierig, im dichten Verkehrsgewusel am Zülpicher Platz den richtigen Anfahrtswinkel zu wählen, um mit dem Reifen nicht in einer der vielen Gleise hängenzubleiben.

Viel dagegen machen könne man nicht: „Der Bereich wurde bereits zu großen Teilen verkehrsberuhigt und für Autos gesperrt. Bei der letzten Gleissanierung hat man darauf verzichtet, Gummiprofile unter den Schienen zu verbauen, die solche Unfälle verhindern könnten.“ Nun sei ein solcher Austausch wohl zu teuer.

Auch die Stadt gibt an, dass viele der Unfälle darauf zurückzuführen sind, dass Radfahrer durch die KVB-Gleise stürzen. „Die Unfallkommission konnte bisher keine zielführende Maßnahme finden, die die Sicherheit in diesem Bereich erhöhen könnte.“

Im Bereich Neusser Straße/Haltestelle Wilhelm-Sollmann-Straße habe die KVB die von Schmidt angesprochenen Gummiprofile, sogenannte Velogleise, getestet. „Laut den letzten Rückmeldungen der KVB veranlassen diese aber nicht zu einer optimistischen Einschätzung, wenn auch die letzte Bewertung noch aussteht.“ Derzeit teste die Stadt, ob die Sicherheit am Zülpicher Platz mit sogenannten Fahrradpiktogrammen verbessert werden kann.

Stadt will Rechtsabbiegerspuren an der Aachener Straße abbauen

Getan hat sich aber etwas im Bereich Universitätsstraße/Aachener Straße und Innere Kanalstraße. Vor zwei Jahren war die Kreuzung mit 15 Unfällen auf Platz 1 der gefährlichsten NRW-Kreuzungsbereiche. Nun steht die Kreuzung mit zwei Unfällen mehr auf Platz zwei. „Als Autofahrer hat man dort durch die Nähe zur A 57 fast das Gefühl, auf einer Zubringerstraße zu sein“, sagt Schmidt vom ADFC. Das Problem dort seien die sogenannten freilaufenden Rechtsabbiegerspuren an der Kreuzung, die Autofahrern das Abbiegen ohne Ampeln ermöglichen sollen.

Immerhin: Durch Sperrflächenmarkierungen in Richtung Ehrenfeld und A57 habe die Stadt das Tempo der abbiegenden Autos verringern können. Die Stadt verweist außerdem auf weitere Sicherheitsmaßnahmen an der Kreuzung wie Vorfahrtszeichen und Schutzblinker, die in den vergangenen Jahren hinzukamen. Der ADFC fordert, die Rechtsabbiegerspuren komplett abzuschaffen: „Das Abbiegen muss direkt an der Ampel geregelt werden“, so Schmidt. Das könne die Geschwindigkeit der Abbieger drosseln und den Radverkehr sicherer machen.

Tatsächlich soll genau das passieren, versichert die Stadtverwaltung: „Im Rahmen des geplanten Ausbaus der Ost-West-Achse sind größere Umplanungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im gesamten Kreuzungsbereich vorgesehen. Hierbei sollen laut derzeitigen Planungen drei der vier freilaufenden Rechtsabbieger entfallen.“

Nur die Spur von der Inneren Kanalstraße in Richtung Aachener Straße könne nicht baulich beseitigt werden. Dafür soll dort der Radweg unter anderem auf drei Meter verbreitert werden. Geplanter Baubeginn für den Bereich der Ost-West-Achse ist – Stand jetzt - 2027.

Insgesamt, so Schmidt vom ADFC, hat sich in Sachen Verkehrssicherheit für Radfahrer in Köln in den vergangenen Jahren bereits einiges getan, vor allem in der Innenstadt. „Nun muss die Stadt nur noch lernen, dass Köln mehr als einen Stadtbezirk hat.“ Um allerdings besser analysieren zu können, wo sich Unfallschwerpunkte in der Stadt befinden, fordert der Schmidt mehr Transparenz von der Polizei: „Vor Corona hat die Polizei noch jedes Quartal umfangreiche Daten zur Entstehung der Unfälle herausgegeben. Jetzt gibt es nur noch Rumpfdaten ohne Details.“