Der Bahnstreik kommt im Rheinland wegen der Sperrung der A1 zur Unzeit. Unser Autor hat sich durch die Stadt gequält.
Der Bahnstreik und die gesperrte A1Quälend langsam geht es durch Köln, die Stadt leidet unter schwerer Verstopfung
Natürlich beruhigt es die Nerven hinterm Lenkrad, wenn es einen Schuldigen gibt. Bloß weil Du schlauer sein wolltest als das Navi und partout auf die Mülheimer Brücke abbiegen musstest, um dem Morgenstau auf der A3 vor dem Kreuz Köln-Ost zu entkommen. „Ungewöhnlich starker Verkehr“, warnt das Navi schon seit sieben Uhr in der Früh. Egal, welche Route Du auch wählst.
14 Jahre lang war die alte Leverkusener Brücke schuld
Zu blöd, dass die alte Leverkusener Rheinbrücke als Blitzableiter an diesem Dienstagmorgen nicht mehr taugt. 14 Jahre lang war sie grundsätzlich an allem schuld war, wenn der Verkehr auf dem Kölner Autobahnring zum Erliegen kam.
Doch selbst der größte Autonarr muss einsehen, dass eine neue Brücke erst an die Autobahn angeschlossen werden muss, bevor man sie benutzen kann. Sie ist schließlich keine Fähre. Das passiert gerade – noch bis zum 4. Februar. Und deshalb hat die A1 zwischen Köln-Nord und dem Leverkusener Kreuz Betriebsferien.
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„Die A1 ist bis zum 4. April gesperrt.“ Am Montag hat sich der WDR diesen einen winzigen Versprecher geleistet und nach einem Musikstück sofort korrigiert. Drei Minuten, doch die Aufregung, das Entsetzen über diese „Katastrophe“ hat noch lange nachgehallt.
Auch Lokführer erleben das Verkehrschaos jeden Tag
7.16 Uhr. Der Verkehrsfunk meldet 15 Minuten plus auf der A1 zwischen Köln-Lövenich und Köln-Nord. Und in Gegenrichtung drei Kilometer Stau ab Burscheid. 15 Minuten plus auf der A4 Richtung Frankfurt zwischen Opladen und dem Dreieck Heumar, 20 Minuten auf der A4 zwischen Overath und Refrath. Die Zoobrücke läuft langsam zu, auf der A4 baut sich zwischen Köln-Süd und Poll wegen Bergungsarbeiten ein Stau auf. Zwischen Frechen und dem Kreuz Köln-West dürfte bei der Verkehrslage das Plus von zehn Minuten selbst den gestrengen ADAC mit seiner Staustatistik milde stimmen.
Das Schlimme an der Dauerbaustelle Mülheimer Brücke ist: Du kommst nicht mehr runter, kannst in aller Ruhe die Bauarbeiter beobachten, während eine KVB-Bahn nach der anderen an Dir vorbeizieht. Die 18, die 13, die 13, die 18. Die fahren wenigstens. Was nicht immer selbstverständlich ist.
Das Deutschlandticket in der Tasche, die Fäuste unterm Lenkrad geballt und im Radio poltert Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft, der gerade einen Sechs-Tage-Ausstand angezettelt hat, man müsse „länger und härter“ streiken, weil das Bahnmanagement „beratungsresistent“ sei.
Ja wie lange denn? Bis alle Lokführer zu 100 Prozent im Homeoffice arbeiten? Ist doch kein Wunder, dass alle Straßen verstopft sind.
Durchatmen. Das war jetzt unsachlich. Tat aber mal gut. Wieder 20 Meter geschafft. Reg‘ Dich ab. Die Lokführer erleben das Verkehrschaos doch auch jeden Tag. Auf der Schiene. Mehr als 1000 Baustellen pro Jahr allein in NRW. Pünktlichkeit ist Glückssache, Schichtpläne sind reines Wunschdenken und die Bahnkunden verdrehen bei jeder Bahnsteigansage die Augen. „Wegen kurzfristiger Erkrankung des Personals fällt dieser Zug heute aus. Wir bitten um Entschuldigung.“ Nie war der Krankenstand beim Fahrpersonal so hoch wie im vergangenen Jahr. Wenn dieser Weselsky nur nicht so polarisieren würde!
Autofahrer suchen ihr Heil am Niehler Ei
Die Mülheimer Brücke – geschafft. „Jeder neue BMW 5er ist voller neuer Ideen.“ Das ist der letzte Werbespot vor Nachrichten und Verkehrshinweis. Ein Auto „in der Form seines Lebens“. Mit der Ausstattungsvariante Stau-Auflöser könnte das etwas werden mit uns.
Vor den beiden Linksabbiegern auf der Barbarastraße zur Amsterdamer Straße spielen gestresste Autofahrer Tetris und fahren noch die kleinste Lücke zu, um die nächste grüne Welle zu erwischen. Dort treffen wir vermeintlich schlauen Navi-Schnippchenschläger auf Gleichgesinnte, die dem üblichen A57-Stau am Autobahnende Richtung Innenstadt entgehen wollten, indem sie am Kreuz Köln-Nord den Wurmfortsatz auf der gesperrten A1 bis zur Ausfahrt Niehl genommen haben, um ihr Heil am Niehler Ei zu suchen. Na prima! Jetzt verstopfen wir alle zusammen die Amsterdamer Straße. Und wieder zieht die KVB an uns vorbei.
Diesmal ist es die 16, mit der man jetzt sofort und ohne Stau bis nach Bad Godesberg fahren könnte. Mit dem Deutschlandticket. Für 49 Euro im Monat. Der Preis wird zumindest in diesem Jahr nicht erhöht. Das haben die Verkehrsminister am Montag versprochen. Das ist eine halbe Tankfüllung. Ziellos herumfahren ist allemal besser als sinnlos im Stau stehen. Wenigstens die KVB hat dieser Weselsky noch nicht unter Kontrolle.
Wir quälen uns Richtung Zoobrücke. Auf der A57 hat eine Wanderkolonne der Autobahn GmbH am Montag mitten im Berufsverkehr in Höhe Dormagen auf dem Weg nach Düsseldorf Sträucher geschnitten. Das Straßenbegleitgrün, wie es im Fachjargon heißt. Der linke Fahrstreifen gesperrt. Am letzten Tag vor dem Bahnstreik. Weil der Frühling vor der Tür steht. Einfach mal testen, wie weit man die Pendlernerven zwischen Köln und Düsseldorf noch ausreizen kann. Bloß gut, dass ich heute nicht nach Düsseldorf muss.
Mein Kollege behauptet, es sei trotz Bahnstreik ein ganz normaler Pendlermorgen gewesen. „Ich hatte mein Notebook in der Redaktion vergessen und war heute Morgen schon dort. Der Verkehr in der Stadt war nicht schlimmer als sonst.“ Nicht schlimmer als sonst? Der hat einfach die besseren Nerven.
Bundesweite Werbekampagne für das Deutschlandticket
Die Verkehrsminister des Bundes und der Länder wollen in Kürze eine bundesweite Werbekampagne fürs Deutschlandticket starten. Weil der Zuschuss von drei Milliarden Euro jährlich, mit dem sie die Einnahmeausfälle der Verkehrsunternehmen ausgleichen, für 2025 garantiert nicht reichen wird. Im Jahr der Bundestagswahl den Ticketpreis erhöhen? Das wäre kein gutes Signal.
10,5 Millionen D-Tickets fahren schon durch Deutschland. Nur zehn Prozent mehr würden knapp eine Milliarde Euro mehr in die Kasse spülen.
Mit solchen Rechenspielen kann man sich auch die Zeit vertreiben. Drei Rotphasen und 1000 Meter weiter: Wie hält der kleine Blumenladen an der Ecke mit seinen dünnen Wänden diesen Lärm bloß aus? Grün. Beim nächsten Grün könnte es etwas werden mit der freien Fahrt bis zum Rechtsabbieger auf die Innere Kanalstraße. Dort hat der Einfädel-Kampf seinen morgendlichen Höhepunkt schon erreicht hat.
Komisch. Der Lüfter vor dem Kühler hat den ganzen Morgen nicht einmal dieses klackernde Geräusch von sich gegeben, als hätte jemand ein Holzstäbchen in den Propeller gesteckt. Vorführeffekt. Das müsse er sich genauer ansehen, sagt der freundliche Kfz-Meister meines Vertrauens, als ich endlich auf dem Werkstatthof in Nippes eintreffe. Mit 60 Minuten Verspätung. Bei der Bahn gäbe es jetzt Geld zurück.
Ob ich den Wagen dalassen kann? Zwei Tage könne das schon dauern. Auch wegen der Ersatzteile. Behalten Sie ihn einfach! Um ein Haar wäre mir dieser Satz herausgerutscht. Aber bei diesem Gewerkschaftsboss kann man ja nie wissen, wann der nächste Zug wieder fahren wird.