Köln – 2,3 Milliarden Euro wird der Ausbau der S-Bahn-Stammstrecke, der sogenannten Westspange, im Herzen von Köln kosten. Seit Anfang Juli steht die Finanzierung. Der Bund wird 1,4 Milliarden übernehmen, das Land bis zu 900 Millionen zuschießen, um den schlimmsten Engpass im Bahnknoten Köln zu beseitigen. „Mit dem Ausbau der Westspange lassen sich große Engpässe im Kölner Hauptbahnhof auflösen“, sagt NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU).
Darin sind sich alle Experten einig. Doch wie der Bau zweier zusätzlicher S-Bahngleise im dicht bebauten Gebiet zwischen dem Hansaring und Hürth-Kalscheuren, der Bau einer neuen Verbindungskurve zum Bahnhof Köln-West und die Erweiterung des S-Bahnhaltepunkts Hansaring um einen weiteren Bahnsteig umgesetzt werden können, wirft viele Fragen auf. Die drängendste hat der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Börschel an das Verkehrsministerium gestellt: Müssen mitten in Köln Häuser für die S-Bahn weichen?
Schon beim Bau der S-Bahn-Stammstrecke in den 1980er Jahren mussten zwischen Hauptbahnhof und Hansaring 24 Häuser abgebrochen, Bewohner und Gewerbetreibende umgesiedelt werden. Die Stadt suchte damals für 149 Mietparteien neue Wohnungen, 24 Gewerbebetriebe wurden verlagert oder eingeschränkt.
„Offenbar ist im Verkehrsministerium niemandem mehr bewusst, was im kollektiven Gedächtnis vieler Menschen im Eigelstein- und Ursulaviertel fest verankert ist“, schreibt der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Börschel in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung.
„Wenn nun am Bahnhof Hansaring ein zusätzlicher Bahnsteig entstehen und die Gleiskapazität zwischen Hauptbahnhof und Hansaring ein weiteres Mal erhöht werden soll, ist sonnenklar, dass sich Menschen Gedanken machen und Erinnerungen, oftmals an die eigene Geschichte, dabei eine Rolle spielen.“
Im Eigelsteinviertel seien bei der bis 2013 andauernden Sanierung „zahlreiche Gebäude neu errichtet oder aufgestockt worden, so dass entlang der heute bestehenden Trasse noch mehr Wohnraum existiert als ehedem“, heißt in der Anfrage Börschels.
Von der Landesregierung will der SPD-Politiker deshalb wissen, ob die Planungen einen Abbruch von Gebäuden von vornherein ausschließen und wie im Umfeld der Haltestelle Hansaring ein weiterer Bahnsteig mit zusätzlichen Gleisen entstehen soll, obwohl die Gebäude schon jetzt bis an die Trasse heranreichen. Auch will Börschel wissen, ob beim Bau der Verbindungskurve zwischen Hansaring und dem Bahnhof West bestimmte Varianten „von vornherein ausgeschlossen“ seien.
Auf seine erste Anfrage zum Ausbau hat Börschel am 5. Juli eine aus seiner Sicht „ungehörige und Empathie lose“ Antwort erhalten. Das Verkehrsministerium verweist darin lediglich darauf, dass rund 60 Millionen Euro für die Grundlagenermittlung und die Vorplanung zur Verfügung stehen. Beides solle bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Bis dahin könne man keine detaillierten Aussagen treffen.
Mit offenen Karten spielen
„Damit tut Verkehrsminister Wüst dem Projekt mit seiner Geheimniskrämerei keinen Gefallen“, schreibt Börschel. „Wer Akzeptanz für den Ausbau des Bahnknotens Köln in der Bevölkerung nicht verlieren will, muss von vornherein mit offenen Karten spielen.“
Beim Nahverkehr Rheinland (NVR) hält man sich in dieser Frage zurück und verweist auf die Machbarkeitsstudie, die am 5. Juli im Beisein von Bahninfrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla, einem Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und dem NRW-Verkehrsminister in Auftrag gegeben wurde.
Klageverfahren vermeiden
Klar scheint jedoch, dass beim NVR niemand ein Interesse daran hat, den Trassenausbau mit Konflikten aufzuladen, die im Planfeststellungsverfahren zu langwierigen und zeitraubenden Klageverfahren führen könnte. Vorrangiges Ziel müsse es sein, den Ausbau auf der vorhandenen Fläche zu realisieren, sagt ein Insider.
Der Grund liegt auf der Hand: Ohne den Ausbau der Stammstrecke sind weitergehende Projekte wie der Lückenschluss des S-Bahnrings mit einer neuen Linie über die Südbrücke, eine linksrheinische S-Bahnverbindung zwischen Köln und Bonn und der Ausbau der Oberbergischen Bahn zu einer S-Bahn nicht machbar. Auch der geplante Deutschlandtakt im Fernverkehr wäre wegen der Engstelle im Kölner Hauptbahnhof gefährdet.