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Bizarrer RechtsstreitKölner verklagt Russland

Lesezeit 4 Minuten

Steht seit Jahren leer: Die ehemalige russische Handelsvertretung an der Aachener Straße.

Köln – „Die“ würden schon sehen, was sie davon haben, sagt Franz Sedelmayer. Seine Stimme klingt entschlossen. „Die“, das sind die Russen, besser gesagt der russische Staat, und vor allem Wladimir Putin, Präsident der Russischen Föderation.

„Die wollen mich mürbe machen, aber ich werde so lange kämpfen, bis ich mein Recht und Geld bekommen habe“, sagt Sedelmayer. Seit eineinhalb Jahrzehnten kämpft der Geschäftsmann in einem bizarren Rechtsstreit mit der russischen Regierung um eine Entschädigung für seine zu Unrecht erfolgte Enteignung. Jetzt hat er eine neue Runde eingeläutet im Kampf „David gegen Goliath“: Das Amtsgericht Köln hat der Zwangsversteigerung einer ehemaligen russischen Handelsvertretung zugestimmt. Das vierstöckige Wohn- und Bürohaus an der Aachener Straße, das seit Jahren leer steht, hat laut Gutachten einen Verkehrswert von 1,3 Millionen Euro.

Firmensitz in St. Petersburg

Die aberwitzige Geschichte hat ihren Ursprung zu Beginn der 1990er-Jahre, als Sedelmayer unter anderem die russische Miliz mit Uniformen, kugelsicheren Westen und Fahrzeugen ausstattete. Mit einem Partner erwarb der bayerische Kaufmann in bester St. Petersburger Lage eine Gründerzeitvilla für den Firmensitz, die er für viel Geld renovierte.

Alles zum Thema Aachener Straße (Köln)

Russlands damaliger Präsident Boris Jelzin ließ das Grundstück jedoch enteignen, weil er es als Staatsresidenz nutzen wollte. Er sei darüber telefonisch von Wladimir Putin informiert worden, der zu jener Zeit in der Petersburger Stadtverwaltung zuständig war für den Kontakt mit ausländischen Geschäftsleuten, so Sedelmayer. In den Jahren 1989 bis 1995 seien rund 1200 Joint Ventures in Nordwestrussland „kalt übernommen, enteignet oder geschlossen worden“. Die westlichen Investoren hätten Gebäude errichtet und Ausrüstungen geliefert und dann hieß es: „Goodbye, geht nach Hause!“

Moskau bot Sedelmayer immerhin ein Ersatzgrundstück an, das dieser jedoch ablehnte. Stattdessen zog er vor Gericht. Das internationale Schiedsgericht in Stockholm verurteilte das Land 1998 zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 4,9 Millionen Euro. Und das Kammergericht Berlin, immer dann zuständig, wenn deutsche Staatsbürger Zivilstreitigkeiten im Ausland haben, bestätigte, dass die Ansprüche in Deutschland vollstreckt werden können.

Sputnik-Satellitenmodelle und eine Rakete

Also machte sich Sedelmayer auf die Suche nach pfändbarem russischem Eigentum. Spektakuläre Versuche, etwa Sputnik-Satellitenmodelle und eine Rakete auf der internationalen Raumfahrtausstellung in Berlin zu konfiszieren, scheiterten. Die Pfändung von Staatskarossen, Flugzeugen oder Botschaftsgebäuden ist nicht möglich, weil diese hoheitlichen Zwecken dienen und geschützt sind.

Bei Immobilien jedoch sieht die Sache anders aus. Und schon einmal, vor etwa vier Jahren, wurde Sedelmayer in Köln fündig. Damals beantragte er, einige Grundstücke an der Friedrich-Engels-Straße im Stadtteil Sülz zwangsversteigern zu lassen, die die Russen ebenfalls als Handelsvertretung genutzt hatten. Bevor es jedoch zur Versteigerung kam, genehmigte die Russische Föderation einer Firma, die zu 100 Prozent dem russischen Staat gehörte, ein 25-jähriges Nießbrauchrecht per Grundbucheintrag. Wohl ein letzter verzweifelter Versuch zu verhindern, dass Franz Sedelmayer einen Zugriff auf die Grundstücke hat. Das Oberlandesgericht Köln entschied jedoch, dass der nachträglich eingetragene Nießbrauch die Ansprüche des deutschen Geschäftsmannes keinesfalls beeinträchtigen kann. Doch sein Geld hat der 50-Jährige bisher trotzdem nicht erhalten: Denn die Nießbrauch-Firma war es, die die Grundstücke im Dezember 2008 für 2,84 Millionen Euro ersteigerte. Und seitdem laufen wieder zahlreiche Anfechtungsverfahren, die meist auf Details der Sedelmayer-Ansprüche abzielen.

Sieben Gerichtsverfahren

„Das machen die nur, um Zeit zu schinden“, sagt der Betroffene. Allein in sieben neuen Landgerichts-Verfahren würde behauptet, er habe seine Ansprüche falsch ins Grundbuch eintragen lassen. Trotzdem habe er bereits eine Million Euro aus dem Geschäft erhalten. Denn er habe die Mieteinnahmen eines der Gebäude pfänden lassen, in dem die Stadt russische Kontingentflüchtlinge untergebracht hat. „Ich bin sicher, dass mir früher oder später auch der Versteigerungserlös der Grundstücke zugesprochen wird“, so Sedelmayer. Vorher jedoch seien jetzt eben die Immobilien auf der Aachener Straße an der Reihe. Angesetzt jedenfalls ist der Termin für den 24. Oktober. „Da bin ich mal gespannt, mit welchen Tricks noch versucht wird, die Versteigerung zu verhindern“, sagt Sedelmayer und lacht.