50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
Denn Anfang der 70er Jahre war der Karneval von strengen Regeln und flachen Witzen geprägt – bis die Fööss kamen. Ein Rückblick.
Köln – „Zu Beginn der 70er Jahre hatten die Bläck Fööss einfach keine Konkurrenz. Eine Gruppe mit sechs Musikern – so etwas gab es bislang nicht. Und dann auch noch in Jeans und Freizeitlook, mit langen Haaren und nackten Füßen, mit E-Gitarren und Verstärkern“, erinnert sich Wicky Junggeburth an die Anfänge der Band im Karneval. Der Sänger und Prinz des Jahres 1993 besitzt wohl das umfangreichste Archiv mit Liedern und Reden des Nachkriegskarnevals.
In jener Zeit führte Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten vor und hinter den Kulissen ein strenges Regiment, und in den Sälen dominierte Opas Karneval. Im Publikum saßen die Männer in Smoking oder Anzug, die Damen in Abendkleidern. Und auf der Bühne wechselten Traditionskorps und Tanzgruppen, Redner und Sänger.
Die Büttenredner
Zu den schillerndsten Figuren jener Jahre gehörte zweifellos Horst Muys. Ständig auf der Flucht vor irgendwelchen Gerichtsvollziehern, soll er das verdiente Geld sogleich wieder ausgegeben oder versoffen haben. Stammkneipe war das „Klein Köln“ mit seinem Publikum aus Prostituierten, Zuhältern und sonstigen Kriminellen. Muys hatte Beziehungen zu den schweren Jungs der Unterwelt und zu den leichten Mädchen aus der Brinkgasse. Er geriet mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt und saß einige Male im Klingelpütz ein. Auch mehrere Kinder von verschiedenen Frauen wurden ihm nachgesagt.
Nach dem Start im Ensemble von Willy Millowitsch und zehn Jahren im Eilemann-Trio trat Muys ab 1961 als Redner und Sänger auf. Seine frivolen, oft anzüglichen Witze entsprachen nicht den Moralvorstellungen seiner Zeit. Trotzdem war Muys – vielleicht ob seiner Anarchie – bei einem großen Teil des (männlichen) Publikums äußerst beliebt. Er galt als einer aus dem Leben, halt als „d’r leeve Jung“ wie er sich nannte. Aber das war er nicht für alle. So verließ Oberbürgermeister Theo Burauen bei einem Auftritt empört den Sitzungssaal, woraufhin Muys wenig später vom Festkomitee – angeordnet von Präsident Leisten – mit einem Auftrittsverbot belegt wurde. Das umging er und trat bei privaten Karnevalsveranstaltungen in Kinos auf, die nicht von einem Elferrat, sondern von einen Conferencier geleitet wurden.
Zudem hatte Muys mit seinem Rednerkollegen Harry Fey (bekannt als Reimredner „Glöckner vum Rothusturm“) mehrere Langspielplatten der Reihe „Die Wildsäue“ aufgenommen, die mit dem Aufdruck „Für Jugendliche unter 21 Jahren verboten“ nur unter der Ladentheke gehandelt wurden. „Vor allem Fey war unglaublich ordinär und auch rassistisch. Darüber hat man sich damals keine Gedanken gemacht“, sagt Junggeburth.
Doch als die Fööss in den Karneval kamen, war Muys nicht mehr dabei. Er war im Sommer 1970, so Junggeburth, „an seinem Lebenswandel verstorben“, hatte aber mit „Ene Besuch em Zoo“ noch einen Hit hinterlassen. Den hatte Hans Knipp geschrieben, der später auch an vielen Titeln der Fööss beteiligt war und schon auf sich aufmerksam gemacht hatte, als er mit seiner Komposition „Mer schenke d’r Ahl e paar Blömcher“ die karnevalistische Hitparade des WDR gewann.
Daneben tummelten sich in der Bütt Redner wie Max Mauel, Karl Schmitz-Grön und Franz Unrein als „Schütze Bumm“, Hans Friedrich – der Puppenspieler aus dem Hänneschen kam jedes Jahr in einer neuen Type –, Toni Geller als „Redner der Blauen Partei“, Hans Hachenberg als die „Doof Noss“ und Heinz Eschweiler als „Buur us däm Vüürjebirg“ sowie als Leihgaben aus dem Umland Wolfgang Reich (Düsseldorf) und Kurt Lauterbach (Solingen). Mit Zwiegesprächen überzeugten die Brüder Gerd und Karl Jansen als „Tünnes und Schäl“, dazu die „Greechmaats-Junge“ (Fritz Esser und Philipp Herrig) oder die Zwei Drüjje (Christian Gehlen und Josef Lambert).
Einzelsänger und Trios
Ein Pianist saß am linken Bühnenrand, der Sänger stand – in dunklem Anzug und mit rot-weißem Krätzchen – in der Mitte am Mikrofon, und beim dritten Refrain setzte das Orchester mit ein. So oder ähnlich sah der Auftritt eines Sängers aus. Das waren vor allem einst erfolgreiche Künstler, die nun ihre Karriere ausklingen ließen und in Potpourris die Refrains ihrer beliebtesten Titel zusammenfassten. So Karl Berbuer („Heidewitzka“), Fibbes Kneip („Ääze, Bunne, Linse“), Jupp Schlösser („De Hüsjer bunt am Aldermaat“) oder Fritz Weber („Ich bin 'ne kölsche Jung“), der als der „singende Geiger“ gehandelt wurde und sich selbst mit dem stets gleichen Vers ankündigte: „Jetzt kommt mein Medley »Frisch von der Leber – mit Fritz Weber»“.
Aber genau so etwas wollten die Leute hören. Ebenso die Evergreens von Jupp Schmitz („Am Aschermittwoch ist alles vorbei“), der Ende der 60er Jahre einen Hit nachlegte: „Es ist noch Suppe da“. Moderne Texte und teils auch frische Melodien brachten Ludwig Sebus („Luur ens vun Düx noh Kölle“) und Marie-Luise Nikuta („Mer losse uns nit lumpe“) auf die Bühnen, die beide ihre großen Erfolge aber noch vor sich hatten.
Nach dem Abschied der Vier Botze standen in den 70ern höchsten drei Musiker gleichzeitig auf der Bühne. So das Steingass-Terzett („Der schönste Platz ist immer an der Theke“), das sich 1972 nach 20 Jahren im Geschäft auflöste, sowie das Eilemann-Trio („Sie will ja nach Sevilla“). Die Formation um den studierten Pianisten Günter Eilemann zählte zu den bekanntesten Künstlern des Karnevals, trat im benachbarten Ausland, auf Kreuzfahrtschiffen und sogar in den USA auf. Überregional bekannt wurden die Eilemänner durch Fernsehauftritte bei Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kulenkampff und Hans Rosenthal sowie immer wieder bei Heinz Schenk im „Blauen Bock“.
In dieser Show waren auch Willy Millowitsch und vor allem Willy Schneider („Man müsste nochmals 20 sein“) Stammgäste. „Wenn der mit seinen Liedern á la Rhein, Wein, Mägdelein im Karneval auftrat, war es mucksmäuschenstill im Saal“, so Junggeburth. „Ob Weinlieder, Ostermann-Hits oder Operetten-Melodien. Schneider konnte alles singen. Das war eine Persönlichkeit. Und er hatte zu der Zeit einfach die beste Stimme.“
Karrierestart der Bläck Fööss
Doch dann tauchten in diesem eingefahrenen Künstler-Kanon in der Session 1970/71 die Bläck Fööss auf, stellten sich den Literaten vor und wurden gleich für die großen Säle gebucht. Mit neuen Tönen, tollen Gitarren-Rhythmen und mehrstimmigem Gesang holten sie die Jugend in den Karneval zurück.
Die Fööss überzeugten das Publikum mit Melodien und tiefgründigen Inhalten, die sie humorvoll vortrugen. Junggeburth: „Ich habe sie von Anfang an miterlebt, denn sie haben sich wohltuend von allem abgehoben, was man so kannte. Sie haben Standards gesetzt, die von anderen nur schwer zu erreichen waren.“ So wurden die Fööss zur „Mutter aller kölschen Bands“.