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Mit langen Haaren und BarfußSo platzen die Bläck Fööss in den Kölner Karneval herein

Lesezeit 5 Minuten
Bläck Fööss barfuß

Tommy Engel (v.l.), Erry Stoklosa, Peter Schütten

  1. 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
  2. Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
  3. Auch wenn die Band beim Publikum schnell als „musikalische Hoffnungsträger des Brauchtums“ galt, musste so mancher Fastelovends-Offizielle erstmal schlucken.

Köln – Der „Rievkoche-Walzer“ war das erste kölsche Lied, das die Bläck Fööss nach ihrer Gründung 1970 für eine Schallplatte aufnahmen und mit dem sie in der folgenden Session dann auch erstmals auf den Karnevalsbühnen und in den Sitzungssälen auftraten. Allerdings nicht – wie bis dato von Sängern gewohnt – im schwarzen Anzug oder in einer bunten Fantasieuniform, sondern in Jeans und Freizeitlook, mit langen Haaren und nackten Füßen, mit E-Gitarren und Verstärkern.

Auch wenn die Band beim Publikum schnell als „musikalische Hoffnungsträger des Brauchtums“ galt, musste so mancher Fastelovends-Offizielle erstmal schlucken. „Viele Präsidenten oder Literaten engagierten uns wohl nur, um ihren Mut zu demonstrieren, überhaupt solche langhaarigen Exoten auf die Bühne zu lassen“, erinnerte sich Tommy Engel gut 20 Jahre später in seiner Biografie „Engel Bengel Botzestengel“. Für die meisten Präsidenten sei es schon ein Kreuz gewesen, solch eine Gruppe ankündigen zu müssen, von der sie nicht wussten, wo sie sie einordnen sollten. Häufig rettete man sich mit dem Hinweis, dass Tommy ja der Sohn des legendären Rickes Engel von den Vier Botze sei und außerdem ein Patenkind des langjährigen Festkomitee-Präsidenten Thomas Liessem.

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Aber wie sah der kölsche Fastelovend aus, in den die Fööss da Anfang der 70er Jahre so urplötzlich hereinplatzten? Wer waren die Strippenzieher und wer saß hinter den Elferratstischen? Zu welchen Liedern wurde geklatscht und geschunkelt, und welche Redner gingen in die Bütt und sorgten mit ihren Pointen für Lacher? Darüber haben wir mit Wicky Junggeburth gesprochen.

Wicky Junggeburth

Umfangreiches Archiv: Wicky Junggeburth

Der Prinz des Jahres 1993, der mit „Einmol Prinz zo sin“ einen Evergreen schuf, anschließend als Solokünstler die kölschen Couplets wieder auf die Bühne holte und seit 20 Jahren für den WDR den Rosenmontagszug kommentiert, besitzt wohl das umfangreichste Archiv mit Liedern und Reden des Nachkriegskarnevals. „Es war schon eine sehr piefige Zeit. Der Karneval war durchaus etwas ordinär, und so mancher großer Künstler hatte seine beste Zeit längst hinter sich“, kommentiert Junggeburth. „Die Bläck Fööss haben damals keinem etwas weggenommen und niemanden verdrängt. Denn das, was sie machten, war neu. Das hatte es so zuvor nicht gegeben.“

Das Kölner Festkomitee und die Präsidenten

Unumstrittener Brauchtums-Chef in Köln war Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten (1914 bis 1994). Der bekannte Unternehmer und Pferdezüchter kam über die KG Grosse Kölner zur Ehrengarde, die ihn 1946 zum Präsidenten wählte. Wie schon sein Vater im Jahr 1927 wurde auch er Prinz – 1959.

Ferdi Leisten

In Öl für die Ahnen-Galerie: Festkomitee-Präsident Ferdi Leisten

Im Festkomitee war Leisten zunächst Zugleiter, dann Schatzmeister und Vizepräsident, ehe er 1963 Thomas Liessem als Präsident ablöste und diesen Posten bis 1973 behielt. „Leisten war ein strenger Herrscher – vor und hinter den Kulissen. Der galt als der »Meister Propper« des Kölner Karnevals“, sagt Junggeburth. „Sein Wort hatte Gewicht. So konnte er auch beispielsweise Horst Muys wegen dessen zotiger Witze ein Auftrittsverbot bei den Kölner Karnevalsgesellschaften erteilen und das auch durchziehen.“ Bei der Prinzen-Garde saß inzwischen Hans Becker auf dem Präsidentenstuhl und bei den Roten Funken Hansgeorg Brock. Beide waren mit Konsequenz und Strenge, einem recht autoritären Führungsstil und einem kasernenhof-mäßigen Umgangston durchaus vertraut. Ähnlich eher wenig demokratisch ging es bei den anderen Traditionskorps zu, so bei den Blauen Funken mit Präsident Hanns Göbbels oder bei den Ältstädtern unter Fritz Figge.

Das Dreigestirn und der Rosenmontagszug

Das erste Dreigestirn, mit dem die Fööss auf den Treppen des Gürzenich oder im Foyer des Sartory zusammentrafen, kam 1971 von der Kölnischen KG. Das waren Prinz Rudolf Hochgürtel, der Inhaber von drei exklusiven Kölner Modegeschäften, sowie Bauer Erich Thonon und Jungfrau Josefine (Josef Feldbusch). Der Zoch ging in jenem Jahr unter dem Motto „Rosen, Tulpen und Narzissen – das Leben könnte so schön sein“. Während die Karnevalsoberen mit den jugendlichen Protesten jener Zeit nur wenig anfangen konnten, ging man auf die „sexuelle Revolution“ durchaus gerne ein. Auf Festwagen und als Pappmaché-Figuren zeigten leicht bekleidete Frauen viel Busen und viel Bein.

Karneval Bläck Fööss

Recht freizügig unterwegs: Großfiguren im Rosenmontagszug 

Doch ehe die Fööss mit ihren Liedern die Vorlage für das Motto gaben, sollte es noch etwas dauern: 1980 hieß es „Mer losse d’r Dom verzälle“ und 2020 dann „Et Hätz schleiht em Veedel“. In diesem Jahr waren die Musiker der Fööss dann auch genau wie zu ihrem 40-jährigen auf Einladung des Festkomitees auf einem eigenem Wagen im Zoch mit dabei.

Der Kölner Sitzungskarneval

Anfang der 70er Jahre war es noch ganz klassisch Opas Karneval, wie man ihn so ähnlich heute wieder bei sogenannten Nostalgie- oder Flüster-Sitzungen wiederfindet: mit Traditionskorps und Tanzgruppen, Rednern, Sängern und Bands. Für den Kölner ab 35 Jahren aufwärts, der Schwerpunkt lag beim mittleren Alter – war der Besuch einer Prunksitzung schon ein Muss. Die Männer mit schwarzem Anzug und Papiernelke im Knopfloch, die Damen in eleganten Abendkleidern. Und auf den Tischen standen „Kalte Ente“ und der legendäre Käseigel. Dazu ging man vielleicht noch zu einer Pfarrsitzung. Da durfte man dann ja auch schon im Kostüm hinkommen.

Im Fernsehen fand der Kölner Sitzungskarneval allerdings zu der Zeit nicht statt. WDR und ARD hatten die Übertragungen nach dem Eklat um Jupp Schmitz bei der Prinzenproklamation 1964 – da war er zu seinem Lied „Der Hirtenknabe von St. Kathrein“ mit Lederhose und Trachtenhütchen aufgetreten und vom Publikum lautstark ausgepfiffen worden – für zehn Jahre aus dem Programm verbannt. Vielleicht auch ganz gut so, denn manche Pointen aus der Bütt zielten tief unter die Gürtellinie und auf einigen Herrensitzungen – so auch im Gürzenich – gab es Nummerngirls, die viel unverhüllte Haut zeigten, manchmal trat eine „Oben Ohne“-Tänzerin auf. Das sorgte für heftige Diskussionen um einen Verfall der Sitten. Und so musste auch das Tanzmariechen der Altstädter nach Nacktaufnahmen für eine Illustrierte ihr Amt beim Traditionskorps aufgeben.