Köln – Der im Juni vom Stadtrat zum Dezernenten für Wirtschaft und Stadtentwicklung gewählte CDU-Politiker Niklas Kienitz kam mit seinem Rückzug offenbar einer öffentlichen Blamage zuvor. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hätte er den mit rund 125 000 Euro im Jahr vergüteten Spitzenposten wohl ohnehin nicht antreten dürfen.
Die für die Kommunalaufsicht zuständige Abteilung der Bezirksregierung war schon vor Tagen zu dem Ergebnis gekommen, dass dem 45-jährigen Juristen die Eignung für das Dezernentenamt fehlt. Er habe weder die erforderlichen beruflichen Fachkenntnisse noch ausreichend Führungserfahrung, heißt es in einem internen Papier der Bezirksregierung.
Am vorigen Samstag teilte der derzetige CDU-Fraktionsgeschäftsführer Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit, er stehe für das Amt nicht mehr zu Verfügung. Ein Rückzug aus eigenem Entschluss, von Kienitz selber begründet mit „massiven persönlichen Anfeindungen“ und „Bedrohungen“ - ist das vor dem Hintergrund der Vorgänge in der Bezirksregierung noch glaubhaft?
Keine Strafanzeige gestellt
Das negative Prüfergebnis der Bezirksregierung wäre aufgrund der einzuhaltenden Fristen spätestens zu Beginn dieser Woche bekannt geworden. Und wie ist es zu bewerten, dass bis Montagmittag weder der Polizei noch der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige des nach eigenen Angaben bedrohten Politikers vorlag?
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Kienitz war 2018 in eine Postenaffäre verstrickt. Er unterzeichnete damals eine geheime Vereinbarung der SPD, der CDU und der Grünen über die Vergabe von Führungspositionen der Stadtwerke und der Verwaltung. Seine Wahl zum Dezernenten verdankte er einer Vereinbarung der CDU, der Grünen und der Fraktion von Volt. Der Bündnisvertrag sieht vor, dass die Union jemanden für das neu geschaffene Ressort mit mehr als 500 Beschäftigten vorschlagen darf.
Die Grünen haben sich im Gegenzug einen solchen Vorzug für das Verkehrsdezernat und das neue Dezernat für Klimaschutz gesichert. Anders als Kienitz erfüllen die zeitgleich mit diesem gewählten Kandidaten Ascan Egerer und William Wolfgramm nach Auffassung der Bezirksregierung die Voraussetzungen.
Spärliche Auskünfte der Behörden
Was wie eine Inszenierung wirkt, mit der Kienitz und seine Unterstützer die Dezernenten-Schlappe zu vertuschen suchen, wirft weitere Fragen auf. Zum Beispiel die: Welche Rolle nimmt Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein? War sie vorab darüber informiert, dass ein Brief der Bezirksregierung drohte? Haben sie und Kienitz ein gemeinsames Vorgehen abgesprochen?
Nein, betont Stadtsprecher Alexander Vogel. „Der Stadt liegen bisher keine Ergebnisse der Prüfungen vor“, teilte er am Sonntag mit. Für die Stadt sei das Verfahren beendet, da Kienitz nicht mehr zur Verfügung stehe. Alle Fragen, die das Prüfverfahren betreffen, seien an die Bezirksregierung zu richten.
Die Aufsichtsbehörde in der Zeughausstraße erweist sich ebenfalls als wenig auskunftsfreudig. „Nachdem Herr Kienitz seinen Rückzug erklärt hatte, wurde die Prüfung nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher. Was er nicht sagte: Prüfvorgänge gelten erst dann als offiziell abgeschlossen, wenn sie von Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) unterzeichnet sind.
Landesministerium war informiert
Insofern spricht vieles dafür, dass die Fachleute in der Bezirksregierung zu einem Urteil gekommen sind - und lediglich die letzte Unterschrift fehlte, aus welchen Gründen auch immer. Das Kommunalministerium in Düsseldorf war informiert, wie dessen Sprecher Robert Vornholt bestätigte: „Dem Ministerium ist die Personalie zwar bekannt, aber es handelt sich um eine Zuständigkeit der Bezirksregierung Köln. Da der Bewerber seine Kandidatur zurückgezogen hat, handelt es sich formal um einen nicht angeschlossenen Prüffall, der keiner weiteren Kommentierung bedarf.“
Die parteilose Stadtchefin Reker, die von den Grünen und der CDU unterstützt wird, äußerte Bedauern über den Rückzug des Christdemokraten. „Niklas Kienitz wäre ein sehr guter Beigeordneter geworden. Durch seine Vernetzung, seine Erfahrung und langjährigen Kenntnisse der Stadtentwicklung wäre er ein Gewinn für den Verwaltungsvorstand und die Stadt Köln gewesen.“ Die Kommunalexperten der Bezirksregierung waren von der im Sinne der Gemeindeordnung zu überprüfenden Eignung des Bewerbers allerdings nicht ganz so überzeugt.
SPD spricht von Klüngel-Skandal
„Es muss jetzt schnellstmöglich Licht ins Dunkle dieses Klüngel-Skandals gebracht werden“, fordert SPD-Fraktionschef Christian Joisten. „Dazu müssen die Beteiligten offenlegen, welche Rolle sie in diesem unwürdigen Spiel gespielt und wann sie was gewusst haben.“ Und weiter: „Es muss jetzt klipp und klar ausgeschlossen werden, dass es weitere Geheimabsprachen über Posten innerhalb der Stadtverwaltung zwischen Grünen, CDU, Volt und Oberbürgermeisterin Reker gegeben hat.“
Die FDP treibt unterdessen ein anderer Gedanke um. In dem von Anfang an „merkwürdigen“ Auswahlverfahren seien insgesamt 130 Personen als ungeeignet aussortiert worden, sagte deren Fraktionschef Ralph Sterck. „Wir machen uns Sorgen, woher nun eine geeignete Besetzung kommen soll.“