AboAbonnieren

Ein Sommertag in Köln 1973Fühlinger See – ein Badeparadies im Rohbau

Lesezeit 4 Minuten
Fuehlinger See

  1. Was war früher los in den Kölner Sommerferien? Wir sind ins Redaktionsarchiv gestiegen, um nach schönen, verrückten, nassen, sonnigen oder lustigen Geschichten zu suchen.

Köln-FühlingenAus dem „Kölner Stadt-Anzeiger" im Jahr 1973:

Das Paradies ist noch im Rohbau. Dennoch nehmen es täglich tausende Kölner in Beschlag. Der Hochbetrieb am Fühlinger See lässt schon jetzt ahnen, welchen Ansturm den Norden erwartet, wenn Kölns schönstes und größtes Erholungs- und Wassersportgebiet erst einmal fertiggestellt ist. Niemand kümmert sich um die Verbotsschilder, die Baden, Zelten und Grillfeuer unter Strafe stellen. Schwimmen ist nur im provisorischen Freibad erlaubt. Doch das Treiben außerhalb der Legalität wird kaum kontrolliert. Nur die Polizei ist aktiv. Sie belegt Falschparker mit deftigen Strafzetteln und hofft, sie so zu vertreiben.

Der See ist blau wie das Mittelmeer. Schon das allein schafft Urlaubsatmosphäre. Auch wenn im Hintergrund hohe Industrieschlote und Raffinerien stehen. Immer weitere Teile des Kiesgrubengeländes sind in den letzten Jahren ausgebaggert worden. Die zwei Kilometer lange Regattabahn ist schon zur Hälfte ausgebaut.

Schwimmen ist dort, wie an den meisten Stellen des Sees, verboten. Steilhänge mit holprigem Kiesbelag soll den Badenden den Spaß verderben. Die Rechnung geht nicht auf. Wer ins Wasser will, den stört auch nicht, dass die spärlich angepflanzten Uferstreifen mit flachen Disteln übersät sind. Auch die Polizei tut mehr als erlaubt. In der Mittagspause hüpfen die Beamten mal kurz ins Wasser.

Wasser hat Seltenheitswert

Ohne Frage – dieses Wasser hat Seltenheitswert, zumindest in einer Großstadt wie Köln. Klar, sauber, blau, ruhig. Kein Chlorgestank, kein Sonnenölfilm auf dem Wasser, wie in den öffentlichen Bädern an der Tagesordnung, stört das Vergnügen. Und der Platz: Da kann der Wasserfreund in Ruhe über Stunden seine Runden drehen, ohne dass ihm ein Springer im Nacken sitzt oder ein Schwimmerbein ihm auf die Nase haut.

Enger wird es dort, wo legal gebadet wird, im provisorischen Strandbad. Trotz guten Willens hat die Stadt es nicht mehr geschafft, für diese Badesaison Umkleidekabinen, Toiletten und Brausen zu errichten. Das Geld, zwei Millionen Mark, fehlte. Damit der Norden in diesem Sommer nicht ganz auf dem trockenen sitzt, wurde ein seichter Hang angeschüttet und ein Areal für Nichtschwimmer abgegrenzt. Hier gibt’s auch eine Badewache, die sich häufig aus Angehörigen der Feuerwehr rekrutiert. Am Wochenende überwacht die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft das Freizeitgeschehen.

Nur wenige Abfalleimer

Eine Imbissstube kann dem Ansturm kaum gerecht werden, auch ein städtischer Toilettenwagen, außerhalb des Geländes, hilft notdürftig aus, ist aber nicht zu allen Tageszeiten geöffnet. Keine Frage, wohin ein Großteil des Inhalts von Bier- und Limonadendosen wandert, die überall herumliegen. So reichlich hier der Abfall herumliegt, so selten trifft man einen Abfalleimer an.

Das stört die Badegäste. Sie mögen darüber hinwegsehen, dass es auf den Liegefläche genauso viele plattgetretene Grashalme wie Zigarettenkippen gibt, auch für das Fehlen von Umkleidekabinen lässt sich eine Übergangslösung schaffen. „Aber der Dreck, der muss weg“, sagen die Freizeit-Kölner.

„Mein Sohn hat sich dieser Tage im Wasser den Fuß aufgeschnitten. An einer Scherbe“, berichtete Sibylle Wolf aus Niehl, Mutter von vier Kindern. Jetzt hat sie ihnen Plastiksandalen gekauft. Wenn das Freizeitzentrum vor der Haustür ausgebaut ist, will die Familie dort gern ihre Sommerferien verbringen. Auch das Eintrittsgeld, das dann erhoben würde, wäre kein Hinderungsgrund. Die Familie wünscht sich vor allen Dingen einen angenehmen, weichen Sandstrand. Jetzt ist die Ufererde mit dicken Kieseln bespickt. Schön wäre es auch, wenn extra Ballspielflächen angelegt würden. „Hier ist doch Platz genug“, sagt sie.

Ufererde ist mit dicken Kieseln gespickt

Nicht nur die Ballspieler, sondern auch die Hunde mit ihren Besitzern wünscht Dr. Karl Peters aus Bocklemünd in eine gesonderte Ecke. Im Augenblick ist das Gelände für Hunde, Fahrräder, Mopeds und Kraftfahrzeuge gesperrt, aber daran hält sich niemand. Peters, der aus Bocklemünd mit dem Fahrrad kam („Das ist gesund, und ein Parkplatz ist schwer zu finden“), plädiert ebenfalls dafür, dass schnellst möglich Trinkwasseranschlüsse angebracht werden. „Eine Familie mit vielen Kindern kann nicht ständig die teure Limonade kaufen“, argumentiert er.

Der Fühlinger See ist beliebt bei Freizeitsportlern.

Über die Parkplatzmisere klagen alle. Auch die Polizei, die in immer größeren Einsätzen die Falschparker vertreibt. So wird der kostenlose Badespaß teuer: Zehn Mark Strafe. Man merkt an allen Ecken das Provisorium dieser unfertigen Freizeitanlage. Das Paradies hat noch viele Fehler.