Die Ärztin und Olympionikin Kathrin Marchand wechselte nach einem Schlaganfall zum Parasport. Jetzt lockt sie der Schnee
Kölner OlympionikinKathrin Marchand wechselt vom Ruderboot auf die Langlaufski
Im Sommer in Paris sind Tränen geflossen. Die Paralympischen Spiele waren sportlich betrachtet eine Enttäuschung. Heute, gut zwei Monate später, lächelt Kathrin Marchand wieder. Sie hat neue Pläne, die ihr dieses nervöse Kribbeln in den Bauch zaubern, das Wettkampfsportler überall auf der Welt antreibt.
Seit ihrem Schlaganfall vor drei Jahren lebt die Kölner Athletin und Ärztin in der Überzeugung, dass Chancen ergriffen werden sollten, wann immer das Leben sie bereit hält. „Ich weiß, dass es ganz schnell vorbei sein kann“, sagt die 34-Jährige. Deshalb fliegt sie in der kommenden Woche ins norwegische Lillehammer und steigt dort nicht wie gewohnt ins Ruderboot, sondern auf Langlaufski.
Kölnerin war erfolgreich als Spitzenruderin
Aber der Reihe nach: Kathrin Marchand hat beim RTHC Bayer Leverkusen eine überaus erfolgreiche Karriere als Spitzenruderin hingelegt. Sie gewann so manche Medaille bei Welt- und Europameisterschaften und zweimal startete sie bei Olympischen Spielen. 2012 im Achter und 2016 im Zweier ohne Steuerfrau, damals wurde sie mit Kerstin Hartmann Achte. Anschließend beendete sie ihre Spitzensportkarriere und konzentrierte sich auf ihr Examen und ihren Beruf als Ärztin. Sie lebte wild, mit viel Arbeit, weiterhin viel Sport zum Ausgleich, Freunde treffen, wenig Schlaf. Bis zum 1. September 2021.
Alles zum Thema Fühlinger See
- Erste Acts bekannt Dicke Überraschung – Band feiert sieben Jahre nach Auflösung Comeback auf Summerjam
- Drei Kölner Heldinnen „In dem Moment funktioniert man einfach nur“
- Festival am Fühlinger See „Eat Play Love“-Veranstalter hofft auf bis zu 20.000 Besucher
- Badespaß in der Natur Die 11 schönsten Badeseen in Köln und Region
- NRW-Party und Baustellen Was diese Woche in Köln wichtig wird
- Satzung konkretisiert Freizeitsportler sind auf Regattabahn am Fühlinger See verboten
- Olympia in Köln „Welse lutschen höchstens mal am Zeh“ – Im Fühlinger See mit einem Schwimmtrainer
An diesem Tag erlitt Marchand mit 30 Jahren einen Schlaganfall. Seither ist ihr Sehvermögen eingeschränkt und ihre linke Seite deutlich schwächer als die rechte. Marchand trat im Job kürzer, sie arbeitet halbtags in der Orthopädie einer Kölner Privatklinik. Und sie fand zurück zum Wettkampfsport, nahm die Paralympischen Spiele in Paris im deutschen Vierer mit Steuerfrau in Angriff. Am Ende fehlten sechs Hundertstelsekunden zu Bronze. „Sehr ärgerlich“, sagt Marchand.
Langlauf-Trainer fragten Kathrin Marchand an
Der Plan sei gewesen: „Einmal Paralympics und dann Ciao.“ Aber was heißt das schon? Pläne? Das Leben macht doch ohnehin, was es will.
Die verschiedenen Disziplinen im paralympischen Sport suchen händeringend nach leistungsstarken Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Nationalmannschaften. Die haben es noch ein bisschen schwerer als die olympischen Kollegen, weil der Einstieg in den Leistungssport für Menschen mit einer körperlichen Behinderung noch beschwerlicher und weniger selbstverständlich ist. Doppelstarts von erfolgreichen Para-Athletinnen und -Athleten im Sommer und im Winter sind daher keine Seltenheit. Bestes Beispiel ist Andrea Eskau, die in Elsdorf lebt und im Sommer mit dem Handbike und im Winter mit dem Langlauf-Schlitten jeweils vier paralympische Goldmedaillen gewonnen hat.
So fragten die Skilanglauf-Verantwortlichen im Deutschen Behindertensportverband (DBS) also bei Kathrin Marchand an, ob sie sich eine dritte Sportkarriere auf Langlaufski vorstellen könne. „Ich finde Skilanglauf cool, wir habe das früher immer im Trainingslager gemacht“, erzählt die 34-Jährige. Skilanglauf ist wie das Rudern eine Ausdauersportart und es sind ebenfalls Arm- und Beinkraft gefordert. Marchand ist daher überzeugt: „Ich bringe gute körperliche Voraussetzungen mit.“
Kölnerin trainiert auf Rollskiern am Fühlinger See
Allerdings hat sie seit 2009 nicht mehr auf Langlaufskiern gestanden. Aktuell trainiert sie den Bewegungslauf am Fühlinger See auf Rollskiern. Und es ist noch ungewiss, ob sie für den paralympischen Skilanglauf „klassifiziert“, also zugelassen wird. Dafür müssen Experten bei einer Untersuchung zu dem Schluss kommen, dass ihre Einschränkungen groß genug sind, um berechtigt in eine der gängigen Startklassen eingeordnet zu werden. Das will Marchand in der kommenden Woche im norwegischen Lillehammer herausfinden. Dort findet eine Klassifizierung statt, mit einer körperlichen Untersuchung am Donnerstag und Test-Wettkämpfen am Freitag und Samstag.
Die Kölnerin rechnet damit, in die Klasse LG 8 eingeordnet zu werden. Dort Starten Athletinnen mit Einschränkungen an einem Arm, sei es durch Amputation, Fehlbildung oder Lähmung. In dieser Klasse wird im Ski nordisch nur ein Stock als Anschubhilfe genutzt.
Das Prozedere und auch ihr erster Wettkampfstart bereiten Marchand noch etwas Sorgen. „Vielleicht fahre ich im Rennen allen hinterher und das war eine Witz-Idee“, sagt sie. Aber die Kölner Ärztin traut sich trotzdem. Es reizt sie, „etwas anderes zu probieren, aus meiner Blase herauszukommen, neuen Input zu erhalten“. Und dann sind da ja noch die Paralympics im Frühjahr 2026 in Mailand und Cortina. Es wären Marchands vierte Spiele. Was ihr noch fehlt, ist eine olympische oder paralympische Medaille.