„Kölsch ist für mich ein Wohlfühlfaktor“Worringer nimmt an Sprachstudie für Dialektatlas teil

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Wilhelm Jüllich steht vor dem Eingangstor der alten Pfarrkirche Alt. St. Pankratius in Köln-Worringen.

Wilhelm Jüllich steht vor dem Eingangstor der alten Pfarrkirche Alt. St. Pankratius in Köln-Worringen.

Für den digitalen Dialektatlas werden in Köln Freiwillige für ein Interview gesucht. Voraussetzung ist eine lange familiäre Verwurzelung mit dem Veedel.

„Ortsfeste aus Großstädten gesucht“ – Mit diesem Aufruf sucht das Institut für Germanistik der Uni Bonn Personen, die Dialekt sprechen und eine lange familiäre Ortsansässigkeit haben. Erfasst werden sollen die lokaltypische Aussprache, Wörter und Grammatik. Die Ergebnisse werden in einem digitalen Atlas archiviert. Das Projekt „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland“ ist auf 17 Jahre angelegt und wird von der NRW-Akademie der Wissenschaften und der Künste und dem Bund bis 2032 mit über acht Millionen Euro gefördert.

„Dialekt ist ein Stück Heimat und Identität. Die Zahl der Menschen, die Mundart beherrschen, nimmt weiter ab. Wir wollen das, was noch heute da ist, festhalten und für die Nachwelt bewahren“, sagt die Germanistin Prof. Claudia Wich-Reif, die das Projekt an der Bonner Universität leitet. Seit Beginn der Arbeiten wurden bereits mehr als 1200 Orte in ganz NRW erfasst, vor allem in ländlichen Gegenden. Jetzt konzentriert man sich auf die Städte, darunter Köln.

Worringer nimmt an Dialektatlas teil

Auf den Aufruf in Köln sind bislang zehn Personen aus acht Veedeln interviewt worden, unter anderem aus Esch, Worringen, Ehrenfeld, Wichheim (heute Holweide), Brück, Rath und Zündorf. Einer von ihnen ist der Worringer Wilhelm Jülich.

„Das ist ein tolles Forschungsprojekt, ich freue mich, dass mein Worringer Kölsch, die Sprache meiner Kindheit, für die folgenden Generationen erhalten bleibt“, sagt Jülich. „Bei uns zu Hause wurde nur Platt gesprochen. Meine Oma und meine Mutter konnten gar kein Hochdeutsch. Als ich in den Kindergarten kam, mussten wir der Reihe nach Süßigkeiten aufzählen, eigentlich kein Hexenwerk. Als ich dran war, sagte ich: ‚Kuletsch‘. Keiner wusste, dass ich Lakritz meinte“, erinnert sich der 66-jährige Kölner, dessen Urgroßeltern schon im Kölner Norden tief verwurzelt waren.

Prof. Wich-Reif

Prof. Claudia Wich-Reif ist die Projketleiterin des digitalen Dialketatlases an der Uni Bonn , vor einer Landkarte NRW

Im Kindergarten und später in der Grundschule lernte Jülich ‚schön sprechen‘, wie es im Elternhaus hieß. In den 1970er und 80er Jahren gehörte es zum guten Ton und war ein Zeichen von Bildung, wenn Hochdeutsch verwendet wurde. Mundart hatte ein schlechtes Image – ein Mensch, der Dialekt sprach, wurde von seiner Umgebung oft als dumm angesehen.

„Dialekte wurden in Deutschland jahrelang stigmatisiert und wurden nicht an die Kindergeneration weitergegeben. In der Schweiz oder Österreich, wo Mundart Alltagssprache ist, käme niemand auf die Idee, dass jemand der Dialekt spricht, nicht klug sei“, sagt Wich-Reif. Deshalb sei die Freude über Menschen wie Herrn Jülich, die noch aktiv die Ortssprache sprechen und zur Entwicklung des Dialekts im Kölner Norden beiträgt, groß.

Studie zeigt Unterschiede im Kölsch

„Ich rede gerne Kölsch – und trinke es auch gerne. Mit Kölsch kann ich mir viele Sachen von der Seele reden. Wenn ich emotional bin, dann denke ich in Kölsch. Kölsch ist für mich ein Wohlfühlfaktor“, beschreibt Wilhelm Jülich sein Verhältnis zum heimatlichen Dialekt.

Jülich, der in den frühen 1980er Jahren in Berlin Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert hat, wohnt heute mit seiner Familie in Rath. Mit seiner Schwester und alten Freunden aus der Schulzeit spricht er noch richtig Kölsch. „Meine Frau kommt aus Hamburg, unser Sohn ist zwar in Köln geboren, er spricht kein Kölsch, versteht es und reagiert, wenn ich ihn Schäng rufe, die kölsche Version von Johannes“, sagt er.

Die bisherigen Erhebungen in Köln zeigen, dass es Unterschiede zwischen dem sogenannten Stadtkölsch und dem Landkölsch, das in den späteren Eingemeindungen gesprochen wird, gibt. „Die Gewährsperson aus Ehrenfeld sagt beispielsweise Auch (Auge), Fleisch und Leiter, die aus Wichheim hingegen Ooch, Fleesch und Leeder. In allen Stadtteilen sagt man Appl (‚Apfel‘), Aap (‚Affe‘) und Kamelle (‚Bonbons‘). Fast alle sagen Öllisch, nur die Person aus Wichheim benutzt das hochdeutsche Wort Zwiebel“, so Wich-Reif.

Per Klick auf den Sprachatlas kann man sich heute schon anhören, wie beispielsweise das Wort Haus, ob Huus, Jius oder Wuusin in NRW ausgesprochen wird. Um die Sprache in Köln zu erheben, bedarf es weiterer älterer, vor allem auch jüngerer Kölner, mit familiären Wurzeln in Meschenich, Rondorf, Godorf, Junkersdorf, Fühlingen, Merkenich, Longerich, Nippes und Bayenthal. 

Wilhelm Jüllich setzt sein Kölsch manchmal ganz bewusst ein. Auf dem Wochenmarkt oder mit Handwerkern spricht er Dialekt, da sei man mit den Leuten sofort auf Augenhöhe. Aber es gibt auch andere Erlebnisse: „In einem kölschen Brauhaus habe ich mal Kühl bestellt. Der Köbes schüttelte den Kopf und sagte: ‚Haben wir nicht.‘ Ich sagte, das steht auf der Karte – gemeint ist Grünkohl. Das macht dann schon Spaß.“

www.dmw-projekt.de