Um über ungeklärte Mordfälle zu berichten, haben unsere Autoren mit Ermittlern, Wissenschaftlern und Hinterbliebenen gesprochen. Wir geben Einblick in ein großes Projekt.
Ungeklärte Mordfälle in KölnEin Jahr Recherche – So entstand die Serie „Cold Cases Köln“
Genau 196 Fälle von Mord und Totschlag sind in Köln und dem Umland seit 1970 ungeklärt. Fälle, in denen die Täter bis heute frei herumlaufen oder ihr Geheimnis mit ins Grab genommen haben. Fälle, in denen Menschen um ihre getöteten Brüder, Schwestern, Freunde oder Kinder trauern und ohne Gewissheit nur schwer abschließen können.
Wie gelingt es ihnen, trotzdem weiterzuleben? Haben Sie noch Hoffnung, dass der Mörder eines Tages gefunden wird? Und was unternimmt die Polizei, um Jahrzehnte später doch noch die entscheidende Spur zu finden? Das wollten wir wissen, als wir mit der Arbeit zu unserer Reportageserie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ begonnen haben.
„Rentnercops“ ermitteln in ungelösten Tötungsdelikten
In monatelanger Recherche haben wir acht der 196 Fälle ausführlich zusammengetragen. Einige sind mehr als 30 Jahre alt, sodass sich die Berichterstattung darüber nur noch im Microfiche-Archiv des DuMont-Verlags finden ließ. Dort liegen viele Texte und Bilder von den Fällen, die auch bei der Polizei nach Jahren ergebnisloser Ermittlungen irgendwann im Archiv gelandet sind und zu sogenannten Cold Cases wurden, also ungeklärten Tötungsdelikten. Aber sind sie wirklich unlösbar?
Um das herauszufinden, hat die Polizei Köln vor etwas mehr als einem Jahr eine „Ermittlungsgruppe Cold Case“ mit sechs Beamtinnen und Beamten eingerichtet. Unterstützt werden sie und andere Polizeibehörden in NRW von 28 „Rentnercops“ des Landeskriminalamts – erfahrene Ermittler, die freiwillig aus dem Ruhestand zurückgekehrt sind, um neue Ermittlungsansätze in alten Mordfällen zu finden.
Spurensuche bei der Ermittlungsgruppe Cold Case
Genauso wichtig wie die mühevolle Spurensuche der Polizei darzustellen, war es uns, mit Hinterbliebenen der Opfer zu sprechen. In den Folgen dieser Serie berichten sie von dem schmerzvollen Erinnern an die Tat und darüber, wie sie mit der bis heute andauernden Ungewissheit umgehen.
An diesen alten Fällen arbeitet die Kölner Polizei
Jeder und jede entwickelt dabei eine eigene Strategie, mit dem Verlust umzugehen. Was alle eint, ist die Hoffnung, dass sich auch nach 30 Jahren oder mehr Täter, Mitwisser oder andere Zeugen offenbaren. Dass sich Menschen bei der Polizei melden, die das bis heute aus unterschiedlichen Gründen nicht getan haben.
In zahlreichen Gesprächen gab uns Markus Weber, Leiter der Kölner „Ermittlungsgruppe Cold Case“, einen Einblick in die Arbeit seines Teams. Gemeinsam überlegten wir, welche Fälle sich für die Serie eignen – und welche Angehörigen bereit wären, mit uns zu sprechen.
Da wäre zum Beispiel Helmut Hahn. Der Kölner Rechtsanwalt steht gerade am Grab seiner Eltern in Dellbrück, als ihn Markus Weber anruft. Ob er bereit sei, mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über den Mord an seinem 98 Jahre alten Vater vor sieben Jahren zu sprechen und ob er seine Handynummer an die Redakteure weitergeben dürfe, will Weber wissen. Hahn zögert keine Sekunde und sagt zu.
Kölner Polizei bittet um Hinweise zu Cold Cases
Da wäre Dirk Kremer, der Bruder des vor mehr als 30 Jahren am Heumarkt getöteten Horst Strohe. In der Nacht auf den 12. September 1992 streckte der Täter Strohe mit einem Tritt gegen das Gesicht nieder und trat ihm auf den Boden noch gegen den Hals und den Oberkörper, bis Strohe starb. War es ein geplanter Mord, oder war Strohe ein Zufallsopfer? Sollte die Tat kein Mord, sondern Totschlag gewesen sein, wäre sie heute verjährt. „Das ist extrem unbefriedigend und man fühlt sich sehr hilflos“, sagt Kremer heute. „Aber mir ist nicht wichtig, dass jemand dafür ins Gefängnis kommt. Ich möchte endlich Klarheit.“
In Webers Büro im Polizeipräsidium in Kalk türmen sich all diese Cold Cases nach Aktenzeichen sortiert in Holzschränken. Darüber stehen weitere, dutzende Leitz-Ordner, ebenfalls mit ungelösten Kapitalverbrechen, die alten Fahndungsplakate kleben an den Schranktüren. Ein ganzer Raum in der Asservatenkammer ist bis unter die Decke vollgestellt mit Kartons, in denen Tatwerkzeuge, Kleidungsstücke und andere Fundstücke der Cold Cases liegen. Irgendwann vielleicht, so die Hoffnung, findet sich noch ein bisher nicht beachtetes Detail. Oder es meldet sich doch noch jemand mit einem Hinweis, der zur Aufklärung beitragen könnte.
An diesen alten Fällen arbeitet die Kölner Polizei
Zeuginnen und Zeugen, die Angaben zu einer der Taten, zum Täter oder zur Täterin machen können, werden gebeten, sich bei der Polizei Köln zu melden – entweder telefonisch unter 0221/229-0, per E-Mail an poststelle.koeln@polizei.nrw.de oder auf einer Polizeiwache.