- Kinder mit Erkältungssymptomen sollen laut Landesverordnung keine Kitas betreten.
- Diese Regelung führt zu Frust bei vielen Eltern, denn Kindern läuft öfter einfach mal die Nase.
- Doch wie können Schutz vor Corona und Bedürfnisse von Eltern miteinander vereinbart werden?
Aus einem scheinbar gewöhnlichen Arbeitstag wurde für eine Mutter eine Odyssee. Gegen 8.30 Uhr wollte sie Ihr Kind wie üblich in der Kindertagesstätte abgeben, wurde aber zurückgewiesen. Der Grund: Das Kind hatte fünfmal geniest, es bestand laut Kita Verdacht auf eine Corona-Infektion. Die Frau suchte sofort einen Kinderarzt auf, der das Kind aber nicht auf das Virus testen konnte, und landete schließlich in einem Krankenhaus, wo sie zwei Stunden warten musste, bis ein Corona-Test durchgeführt werden konnte. Schließlich musste das Kind 48 Stunden zu Hause bleiben, und die Eltern mussten auf das Testergebnis warten. Am Ende lautete die Diagnose Heuschnupfen, berichtet Heike Riedmann von der Initiative Familien in der Krise.
Ein schmaler Grat
Schuld an der harten Linie der Kitas ist eine Verordnung aus dem NRW-Familienministerium, die sogenannte Handreichung vom 8. Juni. Darin ist geregelt, dass Mädchen und Jungen mit Symptomen, die auf eine Corona-Infektion hinweisen, keine Kindertagesstätte betreten dürfen. Auf diese Weise sollen Personal und andere Kinder geschützt werden. Dennoch bildet das Papier einen schmaler Grat ab, wie verschiedene Elternvertreter finden. Denn Kindern läuft schnell mal die Nase, ohne dass zwingend dahinter das Coronavirus stecken muss.
Zahlreiche Eltern kritisieren die Landesverordnung bereits massiv. „Wir bekommen täglich Nachrichten von Eltern, die vergeblich an die Türen von Kitas klopfen“, sagt Riedmann. „Die Eltern sind verzweifelt, weil sie nicht arbeiten können.“ Auch eine Ergänzung aus dem Familienministerium stimmt die Elternvertreter nicht milder. Minister Joachim Stamp (FDP) hatte nach ersten Protesten verfügt, dass die Eltern, nicht wie zuvor angeordnet, ein ärztliches Attest in der Kita vorlegen müssen. Nun reicht es bereits aus, wenn das betroffene Kind 48 Stunden lang ohne Symptome bleibt. „Das ist keine Erleichterung“, beurteilt Riedmann die Ergänzung. Denn nun müssten Eltern und Erzieher selbstständig entscheiden, was symptomfrei bedeute. Riedmann fordert stattdessen eine Art Katalog, bei welchen Beschwerden Kinder zwingend zu Hause bleiben müssen. Dieser solle aber weniger streng gefasst werden als bisher.
Eltern fühlen sich alleingelassen
„Das Problem ist bekannt“, sagt auch Attila Günüs, Vorsitzender des Kölner Jugendamtselternbeirat, der Eltern vertritt, die ihre Kinder in den 674 Kölner Kindertagesstätten betreuen lassen. „Bei den Eltern macht sich Frust breit, sie fühlen sich alleingelassen.“ Der Beirat habe bereits Gespräche mit dem Jugendamt geführt, die Stadt verweise aber auf das Land Nordrhein-Westfalen. Das Jugendamt erklärte gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger: „Die Kitas der Stadt Köln halten sich an diese Vorgabe, eine Ermessensentscheidung der Leitung gibt es somit nicht.“
Günüs sieht die Eltern aufgerieben, weil sie einerseits ihre Arbeit verrichten müssen, andererseits die Kinder betreuen sollen. Mit Sorge blickt er in den Herbst. „Dann beginnt die Erkältungszeit und jeder, der Kinder hat, weiß, dass sie oft verschnupft sind.“ Zudem seien die Kinderarztpraxen schon jetzt häufig überfüllt. Arbeitnehmer dürften sich aber nur zehn Tage pro Kind und Jahr freinehmen, wenn das Kind erkrankt. Wie Riedmann fordert Günüs diese Regel um einige Tage zu erweitern.
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Daniela Heimann vom Landeselternbeirat fordert die Landesregierung auf, Lösungen für das Problem zu finden. Das Familienministerium solle sich dazu mit dem Gesundheitsministerium zusammensetzen. Auch setzt sie sich für weitere Karenztage für Eltern mit erkrankten Kindern ein. Der Kölner Jugendamtselternbeirat verlangt zudem flächendeckende Tests für Erzieherinnen. Die Initiative Familien in der Krise regt sogenannte Pool-Tests an, bei denen der Speichel einer gesamten Kita-Kohorte untersucht wird und bei Verdachtsfällen sofort nachgetestet wird.
Bei einer Demonstration am kommenden Samstag um 12 Uhr auf dem Johannes-Rau-Platz in Düsseldorf, will die Initiative für ihr Anliegen werben. Es wird außerdem weitere Kundgebungen in anderen deutschen Städten wie Stuttgart und München geben, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen.
Kein Risiko eingehen
Michael Paetzold, Arzt, Vorsitzender des Sozialausschusses und Mitglied im Gesundheitsausschuss, warnt dagegen, die Kriterien aufzuweichen. „Ich kann die Probleme der Eltern verstehen.“ Verheerend wäre es aber, wenn sich durch einen nicht erkannten Infektionsfall zahlreiche Kinder in einer Kita ansteckten. Zudem ließen sich Symptome einer Corona-Infektion und Symptome für einfache Erkältungen auch für Mediziner nur schwer auseinanderhalten. „Da kann man kein Auge zudrücken.“ Paetzold und auch der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Ralf Unna (Grüne), raten zu Labortests, die binnen 24 Stunden Klarheit über eine Infektion verschaffen. Beide Politiker plädieren dafür, die Karenztage für Eltern maßvoll auszuweiten.