Schon vor Karneval stieg die Zahl der Virusinfektionen in Köln, auch Corona spielt wieder eine größere Rolle. Wie schlimm wird die Welle?
Zahlen gehen „steil nach oben“Angespannte Lage in Arztpraxen – Corona trifft Köln nach Karneval wieder
Die Infektionslage in der Stadt verschärft sich wieder. Dabei spielt das Coronavirus wieder eine zunehmend große Rolle. Neue Daten zeigen, dass es bereits in der Woche vor den Karnevalstagen einen deutlichen Anstieg an Corona-Erkrankungen gab. Zwar sind positive Testergebnisse und die Sieben-Tage-Inzidenz als Kenngrößen weiterhin wenig bedeutsam, weil die Zahl der PCR-Tests massiv gesunken ist. Während die Inzidenz zwischen einem Wert von 100 und 200 schwankt, hat sich die Viruslast im Kölner Abwasser, die im Stammheimer Klärwerk gemessen wird, schon bis zum 13. Februar in rund zwei Wochen verdoppelt. Neue Daten stehen wegen einer verzögerten Auswertung bislang nicht zur Verfügung.
Aber: „Der Anstieg ist unter anderem auf die neue Omikron-Sublinie XBB.1.5 zurückzuführen, die deutlich ansteckender ist“, heißt es von der Stadt. Weiterhin werden in Köln fünf Prozent der positiven PCR-Tests auf Varianten geprüft. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ waren schon vor Karneval knapp zehn Prozent dieser Tests auf die neue Sublinie zurückzuführen, Tendenz steigend. Berücksichtigt man die Verzögerung, die sich im Lauf der PCR-Testung und Überprüfung ergibt, ist inzwischen von einem weit zweistelligen prozentualen Anteil auszugehen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) handelt es sich bei XBB.1.5 um die bislang ansteckendste Variante des Virus. Ende November wurde sie erstmals in Deutschland nachgewiesen, in Köln ist sie inzwischen voll angekommen – und führt trotz einer inzwischen hohen Grundimmunisierung zu einem Anstieg der Corona-Infektionen.
Kölner Arztpraxis: Mehr als die Hälfte mit Grippe-Symptomen hat Corona
Und auch in den Praxen ist das Thema Corona zurück. So berichtet etwa Lothar Ruetz, Allgemeinarzt in Nippes, dass es „schon vor Karneval vermehrt Infekte“ gegeben habe. Und: „Mehr als die Hälfte derer, die sich aktuell wegen grippaler Infekte melden, testen wir aktuell positiv auf Corona.“ Im Schnitt habe Ruetz täglich etwa 100 Patienten in seiner Praxis, davon leide rund die Hälfte an grippalen Infekten – und von dieser Gruppe sei der Großteil Corona-positiv. Die Beschwerden seien im Vergleich mit anderen Jahren tendenziell heftiger, auch wenn es „solche Jahre immer mal wieder gab.“ Um einen möglichen Effekt durch Ansteckungen auf den Karnevalsfeiern auszumachen, sei es bislang zu früh. Doch Ruetz stellt sich auf einen weiteren Anstieg ein.
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Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Köln, sagt: „Wir nehmen sowohl beim Praxispersonal als auch bei den Patienten eine deutliche Zunahme von Corona-Infektionen wahr.“ Aus seiner Sicht ist mit einer weiteren Zunahme der Infektionsrate ist zu rechnen, da „aufgrund der emotionalen Entspannung in Bezug auf die Infektionsgefahr offensichtlich auch weniger getestet wird.“ Es sei damit zu rechnen, dass die über Karneval frisch Infizierten „im Augenblick ihr Umfeld anstecken.“ Mit einem deutlichen Anstieg der positiven Tests rechnet er ab der kommenden Woche.
Kölner Apotheken schon vor Rosenmontag voll
Ein Blick in die Apotheken verdeutlicht die sich anspannende Infektionslage. „Schon in der Woche vor Rosenmontag waren die Apotheken voll“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender der Kölner Apotheken. Innerhalb von vier Wochen habe sich die Quote der positiven Tests in den Apotheken verdoppelt. Aufgrund der weiterhin niedrigen absoluten Zahl an Tests schlägt sich dieser Trend nicht direkt in der Inzidenz nieder.
In den Apotheken gehe die Zahl jedoch schon seit dem Jahreswechsel „steil nach oben“. In der Karnevalswoche habe sich die Positivquote mit einem weiteren Anstieg von drei Prozentpunkten „noch einmal enorm erhöht“, das gelte besonders im Rheinland. „Weit über zehn Prozent der Tests sind in den Apotheken in Nordrhein-Westfalen mittlerweile positiv“, so Preis weiter. Bundesweit liegt der Schnitt bei rund 7,5 Prozent. Zudem nehme der Verkauf von Corona-Selbsttests stark zu.
Kölner Experten: Tests und Hygienemaßnahmen wieder wichtiger
Doch die Ansteckungen mit dem Coronavirus sind nicht das einzige Infektionsrisiko. „Wir gehen davon aus, dass ab dieser Woche viele Infektionskrankheiten zusätzlich auftreten werden“, sagt Thomas Preis. Er rechnet mit einem Anstieg bei Influenza, anderen Atemwegserkrankungen und auch dem RS-Virus. Denn die Medikamente, die für die Behandlung notwendig sind, werden immer häufiger gekauft. Manche Apotheken könnten einige häufig genutzte Medikamente schon nicht mehr herausgeben und weichen auf Alternativen aus. „Bei der Abgabe von Grippetabletten, Hustenmitteln und Nasenspray liegen wir nach ersten Einschätzungen deutlich über den Zahlen der beiden letzten Coronajahre“, sagt Preis. Das Niveau der Vor-Corona-Zeit sei allerdings noch nicht erreicht. Dennoch: „Die Infektionswelle nimmt jetzt wieder erheblich an Fahrt auf.“
Und jetzt? Preis fordert, dass wieder mehr Corona-Tests durchgeführt werden. „Es ist unverständlich, dass ab März die kostenlosen Bürgertests wegfallen sollen“, so Preis. Eine stärkere Krankheitswelle hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) schon Ende des vergangenen Jahres für Anfang März prognostiziert. „Wer eine Erkältung hat, sollte eine Maske tragen und wer Corona-positiv ist, sollte ganz besonders den Kontakt zu Schwangeren, chronisch Kranken und älteren Mitbürgern meiden“, so Preis weiter.
Auch an Schulen ist seit einigen Tagen ein problematischer Trend zu erkennen. In einem Gymnasium im Kölner Westen ist etwa die Hälfte der Oberstufen-Schüler nach Karneval krankgemeldet, rund 25 Lehrkräfte können dort zudem aktuell nicht arbeiten. Auch aus einem Innenstadtgymnasium ist nach den Karnevalstagen von einem außerordentlich hohen Anteil kranker Schüler in der Oberstufe zu hören.
Aus Sicht von Jürgen Zastrow ist es zurzeit „besonders wichtig, die Hygienemaßnahmen wieder zu beachten und sich zu testen.“ Zwar gebe es inzwischen deutlich weniger schwere Krankheitsverläufe, aber „der Unterschied zur normalen Grippe ist das Long-Covid-Risiko, das besteht weiterhin.“ Sollten sich die Krankheitsverläufe bei XBB.1.5 als schwerer herausstellen als bislang gedacht, ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Reaktivierung des städtischen Corona-Krisenstabs denkbar.