Man muss sich zusammentun: Erstmals seit 1955 kommen die Kölner Tollitäten aus verschiedenen kleineren Karnevalsgesellschaften.
Proklamiert wird das Dreigestirn am 11. Januar 2019 im Gürzenich – wir stellen sie jetzt schon vor.
Köln – Nach 64 Jahren soll erstmals wieder ein gemischtes Trio die Rollen im Dreigestirn übernehmen. Die designierten Tollitäten mit Prinz Marc Michelske (34), Bauer Markus Meyer (32) und Michael Everwand (49) als Jungfrau Catharina treten für drei verschiedene Gesellschaften an: Michelske für die Schlenderhaner Lumpe, Meyer für die Große Allgemeine KG und Everwand für die Lesegesellschaft. Beim Sessionsauftakt werden die drei von Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn und Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf dem Heumarkt erstmals öffentlich den Jecken vorgestellt. Feierlich proklamiert werden sie am 11. Januar im Gürzenich.
Mit der Wahl dieser drei will das Festkomitee zeigen, dass durchaus Mitglieder kleinerer KGs die Chance haben, in die edlen Ornate zu schlüpfen. Man muss sich halt zusammentun. Das hatte es zuletzt 1955 gegeben. Damals stellte die Ehrengarde mit Alfred Neven DuMont, dem späteren Verleger und Herausgeber von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Express“, den Prinzen, Bauer und Autohaus-Chef Hans Borgel kam von der Deutzer KG Schäl Sick und Verlagskaufmann Günter Balve vertrat als Jungfrau die Blauen Funken.
Waren DuMont und Balve damals beruflich miteinander verbunden, so ist das Netzwerk zwischen den kommenden Tollitäten erheblich vielschichtiger gestrickt. Michelske schlüpft zwar für die Schlenderhaner ins Prinzen-Ornat, er ist aber wie seine beiden Kollegen auch Mitglied bei der Großen Allgemeinem und bei der Lesegesellschaft, bei der sein Vater Egon der Präsident ist. „Somit ist mein Präsident auch der Vater des Prinzen“, erläutert Everwand, der für die Lese ins jecke Rennen geht, gleichzeitig Geschäftsführer bei der Allgemeinen ist, für die Meyer – kürzlich zu deren Präsidenten gewählt – den Bauern macht. Alles klar? Zuvor war Meyer Schatzmeister, hatte so den Überblick über die Finanzen der KG und wusste, dass man sich eine Position im Dreigestirn leisten könnte. Er war dann auch der Motor im Trio, der Initiator für die letztendlich erfolgreiche Bewerbung.
„Du willst das doch auch, hatte er immer wieder gesagt“, erinnert sich Prinz Marc I., der als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei arbeitet. „Aber zwischen wollen, können und machen ist schon ein Unterschied. “ Doch Meyer habe nicht locker gelassen. Dazu habe ihm sein Vater – auch Mitglied beim Treuen Husar – stets zugeredet. So sei das Thema Prinz schon seit gut vier Jahren in der Familie besprochen worden: mit Ehefrau Sharon, deren Vorfahren aus Irland stammen, und den drei Kindern Claire (10), Mary (8) und Tom (2).
„Wenn ich allerdings sagen würde, ich hätte schon als Kind von »Einmol Prinz zo sin« geträumt, dann wäre das falsch. Das stimmt ja auch nicht“, sagt Michelske. „Erst in den letzten Jahren, als ich mehr und mehr auf der Bühne miterlebt habe, was das Dreigestirn alles so macht und dass da ganz normale Menschen hinter stecken, hat sich der Wunsch verfestigt, diese Rolle mal zu übernehmen.“ Da sieht es sich am rechten Fleck.
Der Prinz in spe ist im Severinsklösterchen geboren, in der Südstadt aufgewachsen und somit schon qua Geburt ’ne echt kölsche Jeck. Wie der Vater zählt er zu den Treuen Husaren, „aber ein Traditionskorps ist als Verein nicht mein Ding. In einer Familiengesellschaft fühle ich mich richtig aufgehoben.“ Ist er so etwas wie ein Vereinsmeier? „Ein bisschen schon.“ Außer den vier Karnevalsvereinen engagiert sich Michelske noch in der Elterninitiative des Kindergartens und im einem Tierschutzverein. „Nur die Schulvereine der beiden Töchter überlasse ich meiner Frau.“
Dafür begleitet er die Mädels aber montags („Das geht auch während der Session, an dem Tag haben wir frei“) zum Schwimmtraining. Da steht er allerdings nur am Beckenrand. Selber fit hält er sich ab und an beim Training mit den Tänzern seiner KG, dem Tanzkorps Colonia Rut-Wieß. Aber mit ihnen auf die Bühne will er nicht. „Das überlasse ich denen, die das besser können.“ Michelske mag Musik. „Meine ersten Konzerte waren Johnny Cash und die Bläck Fööss. Ich höre auch gerne AC/DC, irischen Folk, deutschen Hip-Hop und natürlich kölsche Lieder. Damit die Kinder das auch mitkriegen.“ Dazu liest er gerne und viel. „Am liebsten Fantasy-Romane. Als Ausgleich zum Leben im Büro.“
Für seine Zeit als Prinz hat er im Beruf wie zu Hause alles schon geregelt. Zur Verstärkung habe man sich ein Au-Pair-Mädchen hinzugeholt und man lebe ja in Bickendorf das Konstrukt Großfamilie. Vater und Schwiegermutter wohnen im gleichen Haus, der Schwager auf der anderen Straßenseite. „In der Kanzlei kriegen meine Mitarbeiter das auch ohne mich hin“, glaubt er. „Dazu haben einige Kollegen zugesagt, für mich einzuspringen. Ab und ab werde ich sicher mal im Auto am Computer arbeiten. Auf dem Weg zwischen Gürzenich und Sartory.“Ebenfalls dreifacher Vater ist Michael Everwand, der aus Opladen stammt, Geschäftsführer des Familienbetriebs Everwand & Fell in Solingen ist und mit Lebensgefährtin Jenny Blei (47) in Meschenich wohnt. Die Session wird er als Jungfrau Catharina bestreiten. Diese Namenswahl hat einen ernsten Hintergrund, denn seine Tochter Catharina ist vor neun Jahren im Alter von 14 Monaten gestorben – an einem angeborenen Herzfehler. „Das war traurig und lebensbejahend zugleich. Sie hat mir gezeigt, was im Leben wichtig ist.“ Seine beiden Söhne (12 und 15) leben bei ihrer Mutter und haben „keinen Bock auf Karneval“.Warum will so einer nun für eine Session ins Kleid? „Ich habe mich schon in den 80-er Jahren im Karneval als Mädchen verkleidet“, sagt Everwand. „Das hat mich nicht abgeschreckt. Und Jungfrau im Dreigestirn ist ja eine Rolle.“ Für die muss er sich jedoch von seinem Bart trennen. „Ich laufe ja unrasiert durch die Welt, aber nach 18 Jahren muss der nun ab.“ Er interessiert sich für Oldtimer und ist gern mit dem Rad unterwegs. Mit Freundin Jenny, die in der Modebranche tätig ist und zur Damen-KG Goldmarie zählt, geht er gerne auf Bälle, aber auch zu Konzerten in die Lanxess-Arena und ins Stadion (Scorpions, Helene Fischer, Depeche Mode) sowie ins Scala-Theater und ins Musical. „Ich mag die Vielfalt“, sagt Everwand. „An Musik höre ich eigentlich alles. Und das kölsche Liedgut geht immer.“ Nur mit dem Sommerkarneval hat er es nicht. „Nein, das geht nicht.“Ähnlich wie der angehende Bauer Markus, der stattdessen seine Hobbys pflegt: Er spielt Saxofon im Musikverein Bleibuir, hat eine Dauerkarte für den 1. FC Köln, besitzt mehrere Pferde („Zwischen zwei und fünf“) und hat als Springreiter an Turnieren teilgenommen. „Wenn man aus der Eifel kommt und ins Dreigestirn geht, ist die Position doch schon vorher klar“, sagt Meyer und lacht. „Mein älterer Bruder war auch mal Bauer – in unserem Heimatort.“ Doch ihn zieht es in die Großstadt. „Ich wohne zwar in der Eifel, aber als Vermögensberater bin ich viel bei Kölner Kunden unterwegs.“ Dann passen seine Eltern mit auf seinen zweijährigen Sohn Felix auf. Von seiner Ehefrau hat sich Meyer kürzlich getrennt.Da er eher schlank ist, hat er bei den Anproben nicht gleich ins Bauern-Ornat gepasst. „Das war nach einem Schnittmuster von vor zwei Jahren geschneidert und muss nun noch kleiner und enger gemacht werden.“ Als Kind hat er zu Karneval als Indianer oder Cowboy in einem Pony-Kutsche gesessen, später ist er auch mal im Kuh-Kostüm herumgelaufen. Auf seinen Wunsch hin wird das Dreigestirn auch ein Auswärtsspiel bei einer Mädchensitzung in einer Eifel-nahen Gemeinde haben – in der berüchtigten „Hölle von Vettweiß“. Meyer: „Da hat sich bisher noch kein Kölner Dreigestirn hingetraut.“Aber in der Gegend kennt sich Meyer auch sprachlich aus, denn mit dem Kölschen hapert es ein wenig, wie bei den anderen beiden auch. Alle drei sprechen eher Kölsch mit Knubbeln. Da ist das Sessionsmotto „Uns Sproch es Heimat“ schon eine Herausforderung. „Wir werden nicht versuchen, radebrechend kölsch zu sprechen, weil wir es in der Schule und zu Hause eben nicht gelernt haben“, sagt Everwand. Dabei hat er durchaus Talent für Sprachen. Nach Niederländisch, Englisch, Französisch und Spanisch lernt er gerade Italienisch.„Unser Bühnensprache ist eher rheinisch, aber wir werden ein kölsches Lied singen“, verrät Michelske. „Ich habe Gesangsunterricht genommen und singen gelernt. Das habe ich zwar schon immer gerne gemacht, aber halt nicht gekonnt. Jetzt wird es bühnen-tauglich.“