Nach TumultenPolitiker und Schausteller beraten über Zukunft der Deutzer Kirmes
Lesezeit 5 Minuten
Köln – Ein Treffen, das jedes Jahr anberaumt wird. Aber nicht jedes Jahr erhält es so regen Zulauf: Die Gemeinschaft Kölner Schausteller (GKS) hat am Dienstag zum Jahresgespräch eingeladen. Vor einem, wie Willi Krameyer, einer der Vorsitzenden der GKS, es selbst formuliert, „etwas brisanteren Hintergrund“ als die letzten Jahre.
Der diesjährige Anwohner-Frust und der Massenandrang auf die Deutzer Kirmes insbesondere am Mittwoch, dem rabattträchtigen Familientag, in Kombination mit nahegelegenen Gewaltdelikten auf dem Rheinboulevard hat stadtweit nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für einschneidende Veränderungen gesorgt: Seit letztem Wochenende muss das Frühlings-Volksfest jeden Abend um 21 Uhr schließen. Der zweite Familientag am Mittwoch, 27. April, ersatzlos gestrichen – normalerweise verlangen alle Fahrgeschäfte an diesem Tag nur den halben Preis und viele Stände locken mit Rabatten.
Wie konnte es dazu kommen und wie soll es nun in Zukunft weitergehen mit der Kirmes in Deutz, im Herbst und im nächsten Jahr? Kölner Schausteller, Anwohner und Lokalpolitiker beteiligten sich an der offenen Runde auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen.
„An diesem Mittwoch kamen drei Dinge zusammen. Wir hatten Kaiserwetter, boten halbe Fahrpreise und die Menschen dürsten nach zwei Jahren Pandemie nach Abwechslung und Beschäftigung. Mit diesem Ansturm hat keiner gerechnet“, so Krameyer, der selbst eine Wurstbude auf dem Volksfest betreibt. So habe man nach Sicherheitskonzept angemessen reagiert und die Zuschauerströme kontrolliert ablaufen lassen, die Musik ausgeschaltet. Den diesjährigen Unmut darüber und die Anwohnerbeschwerden erklären er und seine Kollegen sich mitunter durch eine erhöhte Sensitivität nach zwei Jahren Pause: „Wir haben mittlerweile verlernt, wie man umgeht mit vollen Volksfesten und Großveranstaltungen.“
Um dem Verkehrschaos, dem Müllproblem und Wildpinklern Herr zu werden, habe man dieses Jahr zahlreiche Maßnahmen ins Leben gerufen und mit einem großen Personalaufgebot bereits gearbeitet. Mit einigen Erfolgen: Detlev Lang vom Bürgerverein Deutz spricht von Fortschritten in den Belangen des Anwohnerschutzes. „Die meisten Deutzer haben nichts gegen die Kirmes. Die Beschwerdeführer sind auf direkte Einladung zu Terminen wie heute noch nie gekommen.“
Mit Brandbrief an die Stadt Köln gewendet
Von der Bürgerinitiative Deutzer Werft, die sich mit einem Brandbrief an die Stadt Köln wandte, erschien zum Gespräch am Dienstag niemand. Dafür äußerte sich eine Gruppe von Anwohnern aus der Siegburger Straße. Mit versöhnlichen Worten. Für sie gehöre die Kirmes zu Deutz – Erbrochenes und Urin an ihrer Hauswand erleben sie nicht nur zu Kirmes-Zeiten, sondern generell jeden Sommer. Ebenso randalierende Halbstarke und Ausschreitungen am Rheinboulevard.
„Wenn einer die Problematik der Anwohner ernst nimmt, dann sind das wir, sonst wären wir nicht seit Jahren so bemüht und immer gesprächsbereit. Irgendwo endet räumlich unsere Kompetenz aber auch. Der Rheinboulevard ist ein öffentlicher Raum und scheinbar auch ohne Kirmes ein Problem-Hotspot. Und jetzt halten 250 Schausteller-Familien ihren Kopf dafür hin“, so Tanja Hoffmann, Aufsichtsratsmitglied der Kölner Schausteller.
Stadt und Ordnungshüter wären außerhalb der Festveranstaltung gefragt, die Situation unter Kontrolle zu behalten. Die Schausteller wünschten sich für den Herbst und die Zukunft lediglich ein Zurück zu den ursprünglichen Regeln: „Zwei Jahre lang haben wir das Berufsverbot solidarisch mitgetragen. Jetzt möchten wir in Zukunft nur gerne wieder bis 22 Uhr öffnen dürfen. Die Kölner stimmen ja mit ihren Füßen und Besucherzahlen ab: Kirmes in Köln ist von den Bürgern gewollt“, schlussfolgerte Willi Krameyer. „Wir wollen nicht als Last, sondern auch als Wirtschaftsfaktor für Köln gesehen werden. Hier arbeiten 800 Personen, die ihre Einkäufe bei lokalen Händlern verrichten, ihre Steuern zahlen und vier Wochen mit Auf- und Abbau Geld in die Stadt spülen. Deswegen wollen wir einfach nur fair behandelt werden.“
Wunderschönes Viertel im Herzen einer Millionenstadt
Zuspruch gibt es auch von SPD und Grüne. „Jedes Jahr bringt die Kirmes einen handfesten Finanziell in die Stadtkasse“, sagt Mike Hohmann von der SPD. Man dürfe bei allem Unmut nicht vergessen: Deutz sei ein wunderschönes Viertel im Herzen einer Millionenstadt. Mit dem entstehenden Andrang durch Großveranstaltungen müsse man Lösungen finden, damit umzugehen.
Stefan Fischer, Bezirksvertreter vom Bündnis 90/Die Grünen zeigte sich optimistisch: „Seit vielen Jahren haben wir gemeinsam immer wieder Lösungen für wachsende Problematiken gefunden und ich bin überzeugt, dass wir das auch nach diesem Volksfest tun.“ Auch seitens CDU Deutz ist man sich sicher: „Die Kirmes gehört zu Deutz und das ist gut so. Aber die Beschwerden der Bürger sollten wir ernst nehmen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.“
Bürgerversammlung in Deutz geplant
Alle Deutzer Bürger sind nochmals am 10. Mai zur Bürgerversammlung von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eingeladen. In der Kirche St. Heribert auf der Deutzer Freiheit lädt er alle Deutzer ein, „sich in emotionsgedämpfter Atmosphäre mit etwas Abstand über die diesjährigen Ereignisse der Frühlings-Kirmes zu unterhalten.“ Er erschien am Dienstag laut eigener Aussage nicht nur als Politiker, sondern auch als Kirmes Fan. „100 Jahre Kirmes-Tradition kann man nicht einfach so wegschmeißen. Da springe ich noch eher in den Rhein, bevor die Kirmes wegkommt.“
Die Versammlung startet am 10. Mai um 19 Uhr in der Kirche St. Heribert, Einlass ab 18.30 Uhr. Neben den Bürgern sind auch Vertreter der Schausteller, der Polizei, des Ordnungsamts und der AWB geladen. Während der gesamten Veranstaltung herrscht Maskenpflicht.