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DiagnosenWarum Köln die HIV-Statistik anführt

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Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist in Deutschland leicht zurückgegangen. Experten warnen jedoch davor, dies als Trendwende zu interpretieren.

Köln – Die Nachricht verhieß nichts Gutes: Das Robert-Koch-Institut (RKI) gab am Montag bekannt, dass in Köln die Zahl der diagnostizierten HIV-Infektionen im Verhältnis zur Größe der Stadt bundesweit am höchsten sei. Dem Jahresbericht des RKI zufolge gab es 2011 rund 15,9 Fälle je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Düsseldorf waren es rund 15 und in der Hauptstadt Berlin nur 11,27 Fälle pro 100.000 Einwohner. Sind die Menschen in Köln unvorsichtiger geworden in Bezug auf Aids? Das könne man aus den Zahlen nicht ableiten, betont die stellvertretende Geschäftsführerin der Kölner Aidshilfe Heidi Eichenbrenner im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die vergleichsweise hohe Zahl der diagnostizierten Fälle sei vor allem darauf zurückzuführen, dass immer mehr Menschen, die glauben, sich einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu haben, zum Test bereit seien.

Die Angst vor einem möglichweise positiven Testergebnis ist groß. Nicht wenige scheuen daher die Wahrheit. Bis vor wenigen Jahren musste eine Person, die sich womöglich mit HIV angesteckt hatte, mindestens sieben bis zehn Tage, manchmal auch Wochen auf das Testergebnis warten. Das war mit Leidensdruck verbunden, weil man lange mit der Ungewissheit leben musste. Um das zu verhindern, bietet die Kölner Aidshilfe seit einigen Jahren Mittwoch- und Donnerstagabend einen Schnelltest an. Man kann jederzeit vorbeikommen, die Beratung erfolgt anonym, das Ergebnis erfährt man innerhalb einer Stunde. Ist das Resultat positiv, muss ein Bestätigungstest durchgeführt werden, dessen Ergebnis am Montag vorliegt. Weil das Angebot niedrigschwellig ist, hat es sich fest etabliert, betont Eichenbrenner.

Virus richtet früh Schäden an

Die Aidshilfen weisen darauf hin, dass es wichtig ist, möglichst frühzeitig von einer HIV-Infektion zu wissen. Denn das Virus richtet schon kurz nach der Ansteckung erhebliche Schäden an. HIV zerstört nach wenigen Wochen das immunologische Gedächtnis des Darms. Auch innere Organe wie Niere und Leber werden geschädigt. Ein beträchtlicher Teil der HIV-Infektionen ist auf Personen zurückzuführen ist, die sich frisch angesteckt haben und von ihrer Infektion nichts wissen. Kurz nach der Ansteckung kommt es zu einer explosionsartigen Vermehrung des Erregers, was wiederum die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von HIV bei einem ungeschützten Sexualkontakt drastisch erhöht. Je früher man von der Infektion weiß und je früher das Virus medikamentös in Schach gehalten wird, desto günstiger in der Regel der Krankheitsverlauf.

Eichenbrenner führt als weitere Ursache für die vergleichsweise hohe Zahl der diagnostizierten HIV-Infektionen in Köln die Zunahme von Syphilis-Infektionen an, die in Deutschland insgesamt wieder auf dem Vormarsch sind. Sexuell übertragbare Infektionen (STI) wie Syphilis steigern die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung um das 2- bis 10-fache, warnt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. STI führen zum einem zu Entzündungen und Verletzungen von Schleimhäuten, wodurch eine Eintrittspforte für HIV entsteht. Zum anderen wandern aufgrund der Entzündung verstärkt Immunzellen zu den Schleimhäuten. Die Immunzellen wiederum sind Zielzellen für HIV. Diese nehmen das Virus auf und geben es weiter. Für die Aidshilfen ist klar: Die Verhinderung von HIV-Infektionen hängt auch entscheidend von der Aufklärung über andere sexuell übertragbare Krankheiten ab.