Innenstadt – Seit Marilyn Monroe (1926-1962) als Pin-up-Foto in den Spinden von unzähligen US-Soldaten klebte, hat sie die Fantasie vieler Menschen beflügelt. Es folgten eine berauschende Karriere als Schauspielerin in bevorzugt lustigen und erotischen Rollen, und die Entwicklung einer tragischen Lebensgeschichte, in der Höhenflüge und Abstürze, Glück und Unglücklichsein, Ruhm, Reichtum, Tablettenmissbrauch, Depression und Verzweiflung nah beieinander lagen. Der Mythos Marilyn beschäftigt seit den 1950er Jahren bis heute Frauen und Männer gleichermaßen, so auch Renate Petersen.
Malerische Übertragung
In der Überlebensstation für Obdachlose Gulliver zeigt die in Pulheim lebende Künstlerin ihre malerischen Interpretationen der Schauspielerin und Sängerin, die vor allem bekannt ist durch ihre blonden Haare, runde Kurven und ein offenes Lachen. Das alles kommt auch in dem bekannten Motiv von Monroe in einem von unten hochgewehten weißen Kleid zum Ausdruck, das sie trug, als sie sich in Billy Wilders Film „Das verflixte siebte Jahr“ über einen Belüftungsschacht stellte. Petersen hat das Motiv als Foto malerisch bearbeitet. Farbige Bearbeitung von Fotografien ist neben der malerischen Übertragung die bevorzugte Methode der Künstlerin.
Realistische Genauigkeit gegenüber der Vorlage ist das eine. Wichtiger ist ihr jedoch die Erzeugung bestimmter Gefühlszustände der Schauspielerin, die zwischen heiterem Übermut und tiefer Traurigkeit, lasziver Direktheit und innerer Verlorenheit schwanken. So setzt Petersen Monroe einerseits als naive Blondine und bewusste Verführerin, andererseits als erschöpfte und verletzliche Frau in Szene. Die Ausstellung bringt allerdings keine neuen Facetten zum bekannten Bild der Monroe hinzu, vielmehr bestätigt sie Klischees. Der Ausgangspunkt ist sicher die Feststellung, dass nahezu jeder Betrachter etwas von sich in dieser Ikone wiederfindet. Das ist der Sinn von Ikonen. Anders gesagt, niemand kommt an der Idee Marilyn vorbei. Entweder ist sie Vorbild oder Projektionsfläche, oder aber sie sorgt mit ihrem Frauenbild in Zeiten von Geschlechter-Gleichberechtigung und weiblicher Selbstbestimmung für eine Haltung der Abgrenzung.
Die Werke von Renate Petersen sind vor allem anderen von Bewunderung gekennzeichnet, gleichgültig ob sie Monroe im edlen Kleid oder wie in dem Film „Nicht gesellschaftsfähig“ in einer schlichten Jeansjacke zeigt. Das Motiv erscheint stets wichtiger als die malerische Ausführung, denn die ist trotz gezielter Brüche und vorsichtiger Expressivität so oberflächlich wie die inszenierte Schönheit der Sex-Ikone Monroe selbst. Aber das wird dem schwierigen Charakter und der seelischen Dramatik der aus einfachen Verhältnissen stammenden, als Halbwaise bei Pflegeeltern aufgewachsenen Norma Jeane Mortenson, die erst in Hollywoods Glamour-Welt zu Marilyn Monroe wurde, in drei Ehen scheiterte und mit nur 36 Jahre starb, nicht gerecht.
Dass gerade erst der Bademantel der Monroe für 29 000 Dollar versteigert wurde, ist schließlich nur eine kuriose Fußnote zu dieser Ausstellung an einem Ort, der von obdachlosen und in Armut lebenden Menschen aufgesucht wird, die sich oft nicht einmal eine Tasse Kaffee leisten können. Überlebensstation Gulliver, Trankgasse 20/Bahnbogen 1/Hohenzollernbrücke, geöffnet Mo-Fr 8-16 Uhr