- Seit dem 30. Mai dürfte das Kölner Künstler Theater (KKT) eigentlich wieder öffnen, doch die Ränge bleiben leer, die Türen zu.
- Die Vorgaben für eine Öffnung in Corona-Zeiten sind streng, auch auf der Bühne gelten besondere Regeln.
- Wir haben mit Georg und Ruth zum Kley gesprochen, sie schauen als Betreiber des Theaters in eine unsichere Zukunft.
Köln-Ehrenfeld – Die Scheinwerfer beleuchten noch immer die Bühne und die giftgrüne Kulisse. Sie beleuchten das Zottel Mottel und Rüssel, die Puppen. Sie beleuchten die Schauspielerin Annemarie Mayer, die auf der Bühne steht und die Puppen sprechen und tanzen lässt. Doch etwas ist anders an diesem Samstag im „Kölner Künstler Theater“. Die Ränge sind leer, Stühle stehen gestapelt im Raum, anstatt wie sonst aufgereiht auf Zuschauer zu warten. Es ist, als hätte man dem Theater in Ehrenfeld das Wichtigste genommen, das Herz herausgerissen. „Das ist schlicht ein trauriger Anblick“, sagt Mayer.
Jetzt läuft nur noch eine Kamera mit, wenn sie hier auf der Bühne steht. Das Theaterstück für Kinder wird ins Internet übertragen. Wenigstens ein bisschen Normalität in einer Zeit, in der nichts mehr normal ist, in der die Schauspieler das Kribbeln im Bauch vor der Aufführung und die zum Greifen nahe Anspannung der Zuschauer auf den Rängen vermissen.
„Für uns als Theatermacher ist das jetzt eine ganz neue Situation“, sagt Ruth zum Kley, die das Kölner Künstler Theater (KKT) gemeinsam mit ihrem Mann Georg betreibt. Bisher schauen zwanzig bis hundert Personen die Videos durchschnittlich im Netz, „das ist immerhin fast wie ein volles Haus“, sagt Mayer. Und doch kann es nur schwer davon ablenken, auf welche Zeiten sich das Theater einstellen muss.
Kölner Künstler Theater darf seit Ende Mai wieder öffnen
Zwar erlaubt die NRW-Landesregierung den Theatern, Opern, Konzerthäusern und Kinos grundsätzlich ab dem 30. Mai wieder zu öffnen, doch die Vorgaben sind streng: Alleine das KKT dürfte nur noch rund ein Drittel der Zuschauer hereinlassen, müsste dafür aber mehr Personal einstellen, das den Einlass kontrolliert. Wie genau die Zuschauer dann korrekt platziert werden sollen, ist noch unklar.
Und, fast wichtiger: Auch auf der Bühne gelten strenge Vorgaben. Grundsätzlich sollen die Schauspieler mindestens zwei Meter Abstand einhalten. Sprechen sie besonders laut, sollen es sogar sechs Meter sein.
„Unter diesen Voraussetzungen können wir am 30. Mai gar nicht öffnen“, sagt zum Kley. Zu teuer, gar ein Verlustgeschäft, wären die Aufführungen mit mehr Personal und weniger Zuschauern. Mit rund drei Wochen Vorlauf hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Start erlaubt, erst seitdem kristallisierten sich scheibchenweise die genauen Regelungen heraus. Das sei zu kurzfristig, kritisiert Marc Grandmontagne, geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins mit Sitz in Köln, gegenüber dieser Zeitung. „Ich gehe davon aus, dass nur eine Minderheit der Theater in Nordrhein-Westfalen in der Lage sein wird, so zeitnah die entsprechenden Regeln umzusetzen und am 30. Mai öffnet“, so Grandmontagne.
Corona thematisch auf der Kölner Bühne?
Im Kölner Künstler Theater sitzen manchmal auch Aktivisten aus dem Hambacher Forst mit RWE-Managern an einen Tisch zusammen. Zumindest im Jugendstück „Tribute von Burgina“, das aktuell eigentlich auf dem Spielplan steht. Doch die Szene kann so unter geltenden Regeln gar nicht aufgeführt werden. Also einfach das Drehbuch ändern? Oder die Schauspieler mit Masken auftreten lassen? „Dann hätten wir Corona auch thematisch auf der Bühne“, sagt Ruth zum Kley. „Die Frage ist aber: Wollen wir das?“
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Es sind solche Fragen, die sie hier im kleinen Theater gerade umtreiben. Bertolt Brecht hat seinerzeit den Begriff der „vierten Wand“ zwischen Bühne und Publikum geprägt – und damit den aus seiner Sicht Idealtypus eines Theaterstücks skizziert, bei dem der Zuschauer möglichst viel Distanz zum Inhalt des Stückes gewinnt, um es aus einer Außenperspektive besonders klar beurteilen zu können. Für die Theatermacher wird die Idee der „vierten Wand“ zum Publikum gerade ganz praktische Realität. Oft sprechen sie hier gerade über Mindestabstände, Maskenpflicht und Sitzordnungen, über Plexiglasscheiben im Pausenraum und veränderte Drehbücher. Darüber, was die Corona-Krise langfristig für ihr Theater bedeuten könnte, sprechen sie nur wenig.
Vorsichtiger Optimismus im KKT
Marc Grandmontagne vom Deutschen Bühnenverein erwartet indes, dass in den Kommunen, die nach Corona klamme Kassen erwarten, in den kommenden Jahren über die Verteilung der Finanzen gestritten werden wird. Wer wird das Geld bekommen? Die Theater und Bühnen? Oder doch die Schwimmbäder, Jugendeinrichtungen und der öffentliche Nahverkehr? „Für manche Theater wird das zur existenziellen Frage werden“, sagt Grandmontagne. „Und für die privaten Bühnen ist die Situation sowieso dramatisch.“
Im KKT wollen sie nach vorne schauen, sich erstmal nicht von Corona-Regeln und Langfrist-Sorgen beeindrucken lassen. „Natürlich hatten wir am Anfang auch manchmal depressive Stunden, aber es hilft ja nichts – wir müssen eben weitermachen“, sagt Georg zum Kley. Noch reicht das Geld für einige Wochen. Anfang September will das Theater dann wieder an den Start gehen – unter noch unklaren Vorzeichen. Klar ist nur, mit welchem Stück eröffnet werden soll. Es heißt „Zauberwelten“, eine Inszenierung, die mit Farben und Bewegung spielt, ein Stück ohne Sprache, ohne Berührung. „Das wird der entscheidende Vorteil sein“, sagt Ruth zum Kley.