Köln-Bickendorf – „Die Mauer muss weg“, sagt Wolfgang Stöcker mit Bestimmtheit. Die Mauer und die künstliche Böschung an der Subbelrather Straße Ecke Teichstraße sollen weichen, um den Blick freizugeben für einen Dorfteich. Einen Dorfteich, den Bickendorf an dieser Stelle dringend braucht – und den das Bauerndorf Bickendorf bis Anfang des 20. Jahrhunderts ebendort auch hatte. Zum Ortstermin an der Mauer des Lindweiler Hofs ist nicht nur Wolfgang Stöcker von der Interessengemeinschaft Künstler für Bickendorf erschienen, sondern auch Michael Schmitz, ebenfalls IG-Mitglied und Anwohner an der Subbelrather Straße von schräg gegenüber.
Ihm steckt das Hochwasser von 2021 noch in den Knochen. „Ich lebe hier seit 1960, aber so weit ist das Wasser bisher noch nie gekommen“. Bis hoch zum Kääzmanns am Kreisel, dort wo die Subbelrather auf die Rochusstraße trifft, seien die Keller damals vollgelaufen.Besonders die topografische Senke an der Subbelrather/Ecke Teichstraße hat sich in den letzten Jahren bei extremen Starkregen in einen See verwandelt.Die StEB Köln haben darauf reagiert. Sie haben Teile des Stadtgebietes im Bereich der Teichstraße und das Kanalnetz als digitalen Zwilling abgebildet und Maßnahmen erarbeitet. Eine Maßnahme ist die Optimierung des Kanalsystems. Wehre werden bei einer drohenden Starkregenprognose so geschaltet, dass sich das Wasser unterirdisch früher ableiten lässt, bevor es oberhalb des Straßenniveaus Schaden anrichtet.
Hubwehr an der Scheibenstraße
„Es gibt eine Steuereinheit, ein sogenanntes Hubwehr, an der Scheibenstraße, mit dem wir den Wasserspiegel im Kanal und somit auch an der Teichstraße senken können“, sagt Ingo Schwerdorf von den StEB Köln. Darüber hinaus könnte ein unterirdisches Retentionsbecken entstehen, das unterhalb der Schule Lindweiler Hof zukünftige Wassermengen aufnehmen kann.
Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln informieren auf ihrer Homepage über die Schutzmöglichkeiten bei Starkregen. Zusätzlich wird eine telefonische Beratung unter 0221-221/26868 angeboten. Unter starkregen@steb-koeln.de bzw. 0221-221/26868 können auch Termine zur persönlichen Beratung bei den StEB Köln vereinbart werden.
Derzeit ist aber noch unklar, ob der Platz dafür zur Verfügung steht. Stöcker und Schmitz bevorzugen die Dorfteich-Variante. Die Sicht des StEB-Fachmanns ist: „Wenn der Teich realisierbar, machbar und finanzierbar ist, spricht grundsätzlich nichts dagegen“, so Schwerdorf. Im übrigen habe ein Teich immer den Vorteil des kühlenden Effekts auf eine sich im Sommer aufheizende Stadt.
Bürgerantrag für Bezirksvertretung Ehrenfeld
Michael Schmitz und Wolfgang Stöcker bereiten derzeit einen Bürgerantrag vor, den sie in die Bezirksvertretung Ehrenfeld einbringen wollen. „Das Wasser kann in der Stadt kaum noch h versickern, Grünflächen sind Mangelware“, konstatiert Schmitz, der sich schon vor Jahren für begrünte Dächer eingesetzt hat, lange bevor dies bei der Stadt Köln Priorität wurde. Michael Schmitz hat auch am Bickendorfer Kulturpfad mitgewirkt.
Geschichte des Lindweiler Hofs
Der Lindweiler Hof ist einer der drei großen Gutshöfe, die sich rund um den Dorfteich in Bickendorf befanden. Der Lindweiler Hof ist als einziger noch als solcher zu erkennen. Der Gutshof gehörte im 19. Jahrhundert dem jüdischen Kaufmann Julius Harff, der benachbarte Dorfteich war zu seiner Zeit als Jüddepool bekannt.
Noch älter ist wohl die Bezeichnung Kradepohl. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entfernt. Der letzte Bewohner des Lindweiler Hofs, der ein großzügiger Gutshof mit umlaufender Mauer, Torbögen und Stallgebäuden war, war Hans Knauf, der hier bis ins Jahr 1964 lebte. Knauf zog mit einem ehemaligen Zirkuspferd und einem Wagen durch die Nachbarschaft, um noch Brauchbares einzusammeln. Das Pferd war berüchtigt für seine Bissattacken.
Der Hof wurde dann umgewandelt in eine Schule, die Torbögen und Stallungen verschwanden, nur das Haupthaus blieb stehen. In mehrere Flachdachbauten zog schließlich die Förderschule Lindweiler Hof. Durch die Überflutung am 14. Juli 2021 wurde diese unbrauchbar, Räume im Keller sind weitgehend zerstört, die Bausubstanz ist angegriffen. Die Schule ist seitdem in der ehemaligen Hauptschule an der Paul-Humburg-Straße in Longerich untergebracht.
Die Tafel an der Mauer des Lindweiler Hofs an der Subbelrather Straße erinnert an den „Kradepohl“ auf dem Gelände des damaligen Gutshofs. Dass das Dorf wieder einen Teich erhält, an den heute nur noch der Straßenname erinnert und die immer häufiger werdenden Überflutungen der Senke, ist Schmitz und Stöcker ein Herzensanliegen.„Im Zusammenklang mit der geplanten »Schwammstadt - Köln« erfüllt Bickendorf bemerkenswerte Voraussetzungen innerhalb dieses großen Szenarios Modellviertel zu werden, eine Art Reallabor, in dem an sehr konkreten Maßnahmen ausprobiert werden könnte, wie die Stadt als Schwamm funktioniert“, heißt es im Bürgerantrag. Doch die Realisierung der Vision Dorfteich hängt auch davon ab, wie die Stadt in Sachen Schulgebäude entscheidet.
„Die verwaltungsinternen Abstimmungen zur Zukunft des Schulstandortes Rochusstraße 80 sind noch nicht abgeschlossen. Wenn es soweit ist, wird eine Beschlussvorlage der Politik zur Entscheidung vorgelegt“, heißt es dazu von der Stadt. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 26. August 1902 hieß es übrigens über den Kradepohl: „Zur Nachtzeit werden Mistjauche vermischt mit menschlichen Ausscheidungen, sowie verendete Hunde und Katzen hineingeworfen. Der in Bickendorf gelegene Sammelweiher entspricht nicht mehr der Neuzeit und wäre zu entfernen.“ Wie sich die Zeiten doch ändern.