Ehrenfeld – Eine knappe Dreiviertelstunde dauerte der mit Spannung erwartete Start in die neue Ehrenfelder Zeitrechnung. Der fünfte Bezirksbürgermeister seit 1975 kommt erstmals nicht aus der SPD, sondern von den Grünen. Volker Spelthann wurde bei der konstituierenden Sitzung des Gremiums ohne Gegenstimme von 16 der 17 anwesenden Bezirksvertreterinnen und Bezirksvertreter gewählt. Seine drei Stellvertreter, die in die Arbeit der künftigen „Bürgermeisterei“ von Ehrenfeld eingebunden sein sollen, sind Udo Hanselmann (SPD), Jutta Kaiser (CDU) und Marlis Pöttgen (FDP).
Vorgänger Josef Wirges gewürdigt
In seiner Antrittsrede würdigte Spelthann – hauptberuflich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Regional- und Strukturforschung an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach – zunächst seinen Vorgänger Josef Wirges. „Für seine kraftvolle und unermüdliche Arbeit gebühren ihm unser allerhöchster Respekt und uneingeschränkte Anerkennung“, sagte Bezirksbürgermeister Volker Spelthann. Sich an seinen großen Fußstapfen in Zukunft orientieren zu können, werde ein großer Vorteil sein, sagte er weiter. Wirges selbst war zur Sitzung nicht erschienen. Sein Mandat als gewählter Bezirksvertreter gab er in der vergangenen Woche persönlich bei Oberbürgermeisterin Henriette Reker zurück.
Das könnte Sie auch interessieren:
Im Gegensatz dazu nutzte eine ganze Reihe ehemaliger Bezirksvertreter und Mitglieder des Rates die Gelegenheit, als Gäste dem neu zusammengesetzten Stadtteilparlament einen guten Auftakt in die fünfjährige Wahlperiode zu wünschen. Unter ihnen waren Bürgermeisterin Brigitta von Bülow, Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin und CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz. Nur 17 der 19 Bezirksvertreter waren in den Saal des Bürgerzentrums gekommen.
Politische Herausforderungen
Christoph Besser (Linke) fehlte entschuldigt. Liane Bchir von der AfD blieb der Sitzung unentschuldigt fern. Spelthann umriss „manche politische Weggabelung“ vor der man in der kommenden Zeit stehen werde. Die Umgestaltung der Venloer Straße, die Entwicklung des Max Becker-Geländes sowie das Radverkehrskonzept seien Projekte mit dem Potenzial, das Gesicht des Stadtbezirks auf Jahrzehnte hinaus zu prägen. Bei ihren Entscheidungen dazu solle sich die Bezirksvertretung auf den politischen Kompass und nicht auf Routinen verlassen. Vor allem sei es wichtig, mit den Bürgerinnen und Bürgern nach klugen Lösungen zu suchen. Beschlossene Maßnahmen sollten endlich beschleunigt werden. Was bislang nicht erledigt sei, erzeuge Frust und Politikverdrossenheit. Er wolle daran arbeiten, hier kürzere Wege zu suchen. Die Corona-Pandemie stelle viele vor wirtschaftliche Herausforderungen. Zudem wisse noch niemand, wie lange es noch dauert.
Ehrenfelder Mischung ist bedroht
Sicher sei indes, dass ein Teil der Ehrenfelder Mischung akut bedroht sei.Spelthann nannte hier die Club- und Kulturszene und die Kreativwirtschaft. „Gerade für sie möchte ich, dass wir in der Bezirksvertretung ein informierter, vorausschauender und unterstützender Ansprechpartner sind.“
Die Art des Miteinanders in der künftigen Arbeit werde dabei von großer Bedeutung sein. Das eindeutige Votum bei der Listenwahl von ihm und seinen Stellvertretern stimme ihn zuversichtlich. Zudem sei er froh, dass er damit auf langjährige Erfahrung in der Bezirksarbeit zurückgreifen könne. Die sei ein Schatz, den es zu pflegen gelte. Nur gemeinsam und in Zusammenarbeit mit Rat und Verwaltung könne man die Aufgaben lösen. Er selbst wolle sich unermüdlich dafür einsetzen: „Mit Optimismus, wachem Verstand und Ehrenfeld im Herzen.“
Verhaltene Kritik an der Besetzung von drei Stellvertreterposten für den Bezirksbürgermeister kam von der Fraktion Die Linke und dem Einzelvertreter von Die Partei. Mit ihrem gemeinsamen Antrag, nur zwei Stellvertreter zu wählen, fanden sie erwartungsgemäß keine Mehrheit. Dass sie beim anschließenden Wahlakt nicht mit „Nein“ stimmten, werteten Beobachter als Ausdruck der künftigen Harmonie und dem Willen zu respektablem Umgang.„Die Bezirksvertretung ist kein Ort für politische Scharmützel und Hetzreden“, sagte auch Udo Hanselmann (72, SPD), der als ältestes Mitglied des Gremiums zunächst die Sitzung leitete. Es gebe keine politische Kraft mit absoluter Mehrheit, merkte er an. Daher werde es immer erforderlich sein, diese von Fall zu Fall zu finden. Zu bedenken sei immer, dass die Bürger eine Politik in ihrem Interesse erwarteten. Angesichts der nicht eben berauschenden Beteiligung an der Kommunalwahl, stehe man überdies vor der Aufgabe, Vertrauen zurückgewinnen zu müssen.
Gelegenheit, weiter daran zu arbeiten, hat die Bezirksvertretung Ehrenfeld am Montag, 7. Dezember, ab 17 Uhr. Dann beginnt die erste Sitzung des Gremiums mit Anfragen, Anträgen und Beschlussvorlagen. Von den 19 Sitzen in der Bezirksvertretung wurden 13 mit neuen Mandatsträgern besetzt. Lediglich sechs Vertreter gehörten schon in der vergangenen Wahlperiode der Bezirksvertretung an. Die Mandate verteilen sich auf neun unterschiedliche Parteien und Gruppierungen.Kommentar