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„Echte Herausforderung“Wie Abwasser in Ehrenfeld zur Wärmequelle werden soll

Lesezeit 3 Minuten
(v.l.) Dr. Sarah Debor, Ulrike Franzke, Ina Scharrenbach, Erika Werres und Stephan von Bothmer im Innenhof des neuen Wohnquartiers „Lück“.

(v.l.) Dr. Sarah Debor, Ulrike Franzke, Ina Scharrenbach, Erika Werres und Stephan von Bothmer im Innenhof des neuen Wohnquartiers „Lück“.

216 Wohnungen des neuen Quartiers „Lück“ in Ehrenfeld sollen ab 2026 durch Energie aus Abwasser versorgt werden.

Warmduscher, aber auch Menschen, die Spaghetti al dente kochen oder ihre Kartoffeln abschütten – sie alle sorgen dafür, dass das Abwasser konstant zwischen 10 und 15 Grad warm ist. Eine Restenergie, die bislang kaum genutzt wird. Doch der Projektentwickler „WVM Immobilien“ hat sich an das Thema herangetraut und die „Naturstrom AG“ als Experten für erneuerbare Energien ins Boot geholt.

Wenn das neue Wohnquartier „Lück“ an der Subbelrather Straße Anfang 2026 bezugsfertig ist, soll das Abwasser aus dem Kanal unter der nahe gelegenen Äußeren Kanalstraße die Energie für die Wärmeversorgung der insgesamt 216 Wohnungen liefern.

Wärmeversorgung zu 100 Prozent über erneuerbare Energien

Wärmetauscher zapfen dann die Energie des Kanalwassers ab und leiten sie zu einer Wärmepumpe in der Heizzentrale des Gebäudekomplexes weiter. Dort wird die Temperatur auf 40 Grad erhöht und das Wasser anschließend in die Wohnungen transportiert.

„Der Strom für die Heizzentrale kommt direkt von den Photovoltaikanlagen auf den Gebäudedächern. Bei Bedarf kommt Öko-Strom aus dem Netz hinzu, sodass die Wärmeversorgung zu 100 Prozent über erneuerbare Energien gesichert ist“, erklärte Dr. Sarah Debor, Geschäftsfeldleiterin bei der Naturstrom, bei einer Baustellenbegehung.

Ein Modul des Wärmetauschers wird gerade in den Kanal unter der Äußeren Kanalstraße abgelassen.

Ein Modul des Wärmetauschers wird gerade in den Kanal unter der Äußeren Kanalstraße abgelassen.

Prominenteste Teilnehmerin war Ina Scharrenbach (CDU), Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, die sich vor Ort ein Bild von den Fortschritten des Projekts machen wollte. Schließlich wird es vom Land Nordrhein-Westfalen mit 12,7 Millionen Euro unterstützt. „Sie zeigen, dass es funktioniert, von diesen Erfahrungen profitieren andere Bauwillige, die Mieterinnen und Mieter und natürlich die Umwelt“, lobte Scharrenbach den Pioniergeist des Investors WVM.

Hört sich alles nach einem Königsweg zur Energiewende an – doch ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Die Technik an sich sei bekannt und werde schon seit zehn Jahren auch in Köln angewandt, berichtete Gregor Bergrath, zuständig für die Generalentwässerungsplanung der Stadtentwässerungsbetriebe (Steb), zum Beispiel an zwei Schulen in Mülheim und Porz-Wahn. Was die Versorgung eines ganzen Wohnquartiers angehe, habe die WVM mit „Lück“ in der Tat Neuland betreten.

Konzept hat Potenzial für Köln

Von einer „echten Herausforderung“ sprach denn auch Erika Werres, Geschäftsführerin WVM-Gruppe. Sie habe nachgerechnet und sei auf „rund 500 Menschen“ gekommen, die an der Planung und Umsetzung des alternativen Energie-Konzepts für das neue Quartier beteiligt waren. Eine Menge an technischen und rechtlichen Fragen sei zu klären. So verlaufen etwa die Leitungen von der Äußeren Kanalstraße zu den „Lück“-Gebäuden unter öffentlichem Straßenland und privaten Grundstücken, da müssen Einwilligungen vorliegen, oft sind die Zuständigkeiten komplex.

Und nicht jeder Kanal sei geeignet für den Einbau der Wärmetauscher, die von der Firma „Uhrig Energie“ hergestellt werden. „Unter der Äußeren Kanalstraße ist der Kanal drei Meter hoch, wie in einem Action-Film, das ist kein Problem. Aber einen Durchmesser von 80 Zentimetern sollte der Kanal mindestens haben“, erklärte Stephan von Bothmer, Geschäftsführer des Unternehmens.

Anhand eines wannenartigen Moduls aus Edelstahl, von denen gerade 166 miteinander verbunden werden und den Kanalboden auf einer Länge von 120 Metern auskleiden sollen, erläuterte er, wie es funktioniert: Das Abwasser läuft über die Wanne, erwärmt dabei Wasser, das kalt in einem Rohr entlang der Wanne ankommt und auf der anderen Seite mit erhöhter Temperatur zur Wärmepumpe fließt.

Rund 600.000 Kanalkilometer gebe es bundesweit, so von Bothmer: „Da geht was, zehn Prozent der Wärmeversorgung könnte man so abdecken.“ Auch Steb-Vorständin Ulrike Franzke glaubt an die Zukunft des Abwassers als Energiereservoir, etwa „sieben Prozent der Kölner Kanäle wären für Wärmetauscher geeignet“, meint sie.

Und: „Wir erarbeiten gerade einen Leitfaden für Investoren, die sich für diese Technik interessieren.“ Denn das Thema wird gerade heiß: „Rund 50 Anfragen liegen uns derzeit vor“, sagte Gregor Bergrath.