Die Flutkatastrophe in der Eifel und im Rheinland jährt sich zum dritten Mal, noch immer gehen Anträge auf Entschädigungen beim Land ein.
NRW-Ministerin Ina Scharrenbach„Mehr Haushalte als erwartet waren gegen Flutschäden voll versichert“
Das Land hat nach der Flutkatastrophe insgesamt 12,3 Milliarden Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. Bislang wurden rund 4,1 Milliarden Euro abgerufen. Hat sich Landesregierung bei sich bei der Schadenhöhe verschätzt?
Ina Scharrenbach: Durch die inzwischen bis 30. Juni 2026 verlängerten Antragsfristen gehen wir davon aus, dass noch weitere Anträge eingehen werden. Bedingt durch längere Umsetzungszeiten insbesondere bei den großen kommunalen Maßnahmen ist davon auszugehen, dass Nachbewilligungen erforderlich werden. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass die ursprünglich – unmittelbar nach dem Schadensereignis – durch das Land und die Kommunen geschätzten Schadenshöhen nicht erreicht werden. Das hängt aus unserer Sicht auch damit zusammen, dass deutlich mehr Haushalte als erwartet einen vollständigen Versicherungsschutz hatten und viele Antragstellende mit eher kleineren Schäden bewusst auf eine Antragstellung verzichtet haben.
Was passiert mit den nicht abgerufenen Geldern – bleiben die jetzt im Sparstrumpf für künftige Hilfszahlungen?
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Die Mittel für den Wiederaufbau wurden durch den Bund und die Länder zweckgebunden zur Verfügung gestellt. Nicht verausgabte Mittel können daher nicht für andere Zweckbestimmungen genutzt werden.
Auch drei Jahre nach der Katastrophe gehen immer noch Erstanträge ein. Woran liegt das?
Zu Beginn der Förderung wurden durchschnittlich 2000 Anträge von Privatleuten im Monat gestellt, jetzt sind es immerhin noch rund 100 pro Monat. Manche Betroffene benötigen einfach Zeit, um das Ereignis zu verarbeiten. Der Abwägungsprozess, ob man ein zerstörtes Haus, das direkt am Gewässer liegt, dort wieder aufbaut oder an anderer Stelle, ist ja von großer Tragweite und braucht Zeit. Auch aus emotionalen Gründen oder aufgrund des Alters gibt es Betroffene, die noch nicht wieder aufgebaut haben. In diesem Zusammenhang war es wichtig, dass wir uns erfolgreich im Bundesrat dafür eingesetzt haben, dass die Antragsfrist bis zum 30. Juni 2026 und die Bewilligungsfrist auf den 31. Dezember 2030 verlängert wurde. Landesweit wurden rund 26.000 Anträge mit einem Gesamtvolumen von rund 818 Millionen Euro für Privatpersonen bewilligt. 96 Prozent aller Anträge wurden abschließend bearbeitet. Das zeigt, dass wir beim Wiederaufbau bereits weit gekommen sind. Das landesweite Servicetelefon steht Betroffenen übrigens weiterhin für Fragen zur Verfügung.
Ähnlich wie bei den Corona-Entschädigungen haben Betrüger auch bei der Fluthilfe versucht, durch falsche Angaben illegal Geld zu kassieren. Wie hoch ist der entstandene Schaden?
Gemessen an der Gesamtanzahl der Fälle ist die Zahl der verdächtigen Anträge mit rund einem Prozent sehr gering. Im Rahmen der Antragsbearbeitung wurden bislang 489 Betrugsverdachtsfälle identifiziert. Hiervon sind 231 Fälle mit einem Volumen von rund 8,2 Millionen Euro bewilligt. Das weitere Verfahren obliegt den Strafverfolgungsbehörden.
Wie fliegen Betrüger auf?
Wir haben Sicherungsmechanismen eingebaut, um Betrüger zu ermitteln. Jedoch bitte ich um Verständnis, dass ich diese öffentlich nicht nennen werde, um den Betrügern das Leben nicht leichter zu machen.
Die Flut hat Straßen und Brücken zerstört, Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser wurden zum Teil schwer beschädigt. Wie schreitet der Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur voran?
Bisher wurden für den Bereich der öffentlichen Infrastruktur 740 Anträge gestellt, davon sind 505 Anträge mit einem Volumen von rund 2,7 Milliarden Euro bewilligt worden. Das entspricht einer Bearbeitungsquote von rund 87 Prozent.
Wie zufrieden sind Sie damit?
Wir sind fast überall gut im Zeitplan. In Eschweiler wurde zum Beispiel das Sankt-Antonius-Hospital sehr stark beschädigt. Das Krankenhaus ist seit Ende März 2023 wieder mit allen Stationen in Betrieb. Am Marien-Hospital in Erftstadt wurden auch die Bauarbeiten an mehreren Stationen abgeschlossen. Die Stiftung Marienhospital in Euskirchen hat 11,9 Millionen Euro erhalten. Auch in Euskirchen wurden verschiedene Brücken neu gebaut oder saniert. Jede Fertigstellung ist ein Erfolg, das gilt auch für kleinere Projekte. So konnte in Leichlingen der Sportplatz Balker Aue mit Kunstrasenplatz und Tartanbahn fertiggestellt werden. Dafür haben wir rund 400.000 Euro bewilligt.
Ist NRW für die nächste Katastrophe jetzt gut gerüstet?
Beim Hochwasserschutz haben wir schon viele Verbesserungen erreicht. Und wir sind jetzt dabei, uns selbst besser für die Bewältigung künftiger Ausnahmesituationen wie den Wiederaufbau aufzustellen. Es sollte bei solchen Ereignissen eine Alarmreserve geben, die klar und fokussiert ist und weiß, was zu tun ist. Es geht hierbei um die kurzfristige Aktivierung von geschultem Personal. In den Behörden sollten sich Freiwillige melden können, die im Ernstfall sofort für den Kriseneinsatz abgestellt werden können. Gerade in den ersten Wochen und Monaten eines Großschadenereignisses ist es wichtig, dass die Opfer Ansprechpartner haben, die erste Antworten auf drängende Fragen haben.