Köln – Wenn Davide Marinetti mit seinem Eiswagen zum Wasserspielplatz in Nippes fährt und die Klingel drückt, hört man es sofort: „Der Eiswagen, Mama, der Eiswagen!“ Dann kommen die Kinder gerannt. Davide strahlt, wenn er sich aus dem Wagen beugt und den Kindern ihre Eiswaffel reicht. „Das sind die schönsten Momente meiner Arbeit“, sagt der Italiener.
Mit seinem Bruder und seinem Vater betreibt Davide eine eigene Eismanufaktur, die einzig für den Straßenverkauf produziert. Ein echter Familienbetrieb. Vor etwa 14 Jahren hat Vater Grazio Marinetti einen Eiswagen und eine Eismaschine seinem Nachbarn abgekauft. Zuvor hatte er immer wieder verschiedene Jobs gehabt, mal als Bauarbeiter, mal im Stahlwerk. In den Wintermonaten ging er meist zurück zur Familie nach Sizilien. Erst als der Eiswagen kam, blieb er dauerhaft in Deutschland.
Mittlerweile sind aus einem Eiswagen drei geworden. Die Söhne Angelo (30) und Davide (24) sind ins Geschäft eingestiegen. Jeden Morgen stehen die Marinettis in ihrer Eiswerkstatt in Mülheim. Sahnepulver, Milch, Zucker, Früchte und italienische Schokolade werden dort in die Maschinen gekippt und über Stunden zu einer cremigen Masse verrührt. „Mehr Details verraten wir nicht. Das Rezept ist für uns alles“, sagt Angelo.
Die Marinettis sind bei trockenem Wetter täglich ab 13.30 Uhr mit ihren Eiswagen im Airport-Businesspark in Gremberghoven, im Niehler Hafen, am Wasserspielplatz im Nippeser Tälchen und an den Beachvolleyballfeldern am Rheinauhafen unterwegs.
Zu besonderen Anlässen kann man einen Eiswagen mieten oder zu einem bestimmten Ort bestellen. (mer)
eisvonangelo@gmail.com
Wenn Vater Grazio über die Eiswerkstatt redet, benutzt er das italienische Wort „Labor“, das angesichts der Räumlichkeiten gar nicht mal unpassend ist. Denn in der Manufaktur blitzen die Edelstahlflächen vor Sauberkeit. „Wenn man mit Eis arbeitet, muss die Hygiene tiptop sein“, sagt Angelo. In der Werkstatt arbeiten die Söhne allein, dem Vater sind die insgesamt drei Eismaschinen zu laut. „Da werde ich verrückt im Kopf. Wenn ich mir das jeden Tag anhören müsste, könnte ich danach nicht mehr Auto fahren“, sagt der 58-Jährige.
In der Tat machen die Maschinen ordentlich Lärm, besonders die älteste, ein deutsches Modell aus den 60ern. Im vergangenen Jahr haben die Marinettis eine neue gekauft, die in einer Stunde fast das Fünffache an Eis produziert. Dennoch schmeckt das Eis aus der alten Maschine immer noch einen Tick besser, finden die Marinettis. Gelato italiano aus einer deutschen Maschine. „Die Deutschen mögen Qualität. In Italien könnte ich nicht einen Euro pro Kugel verlangen, egal wie gut das Eis ist“, sagt Angelo.
Vanille, Mango, Haselnuss, Malaga … Wenn die insgesamt 16 Sorten fertig und in Kübel gefüllt sind, geht die Arbeit weiter. Dann kommen Mutter Nunzia und Schwiegertochter Noccia und putzen die Eiswerkstatt so lange, bis alles wieder glänzt wie im Labor. Die Herren der Familie sind zu dem Zeitpunkt bereits auf Tour: Das Eis unters Volk bringen. Alle drei haben ihre mehr oder weniger festen Routen durch die Stadt.
Unterwegs erzählt Angelo vom Leben als Eismann. „Für die Kinder bist du wie der Weihnachtsmann. Wenn man Eis verkauft, hat man keine Kunden, nur Freunde. Alle mögen dich, weil du ihnen Freude bringst.“#
Doch der Beruf ist auch ein Knochenjob. Jeden Morgen stehen er und sein Bruder ab sieben Uhr in der Werkstatt. Danach fahren sie bis 18, 19 Uhr durch die Stadt. An manchen Tagen verkaufen sie keine einzige Kugel. Wenn es regnet, brauchen sie gar nicht erst loszufahren, das Wetter bestimmt das Geschäft. „Mein Chef ist Gott“, sagt Angelo und lacht dabei. Aber wenn Gott dein Chef ist, kann man nicht mal eben Urlaub beantragen, Beschwerde einlegen oder um mehr Gehalt bitten. Wie viel die Marinettis mit ihren Eiswagen verdienen, verschweigen sie lieber, aber es reicht gerade zum Leben.
„Für einen festen Job würde ich das Eisgeschäft aufgeben“, sagt Angelo. Eigentlich ist er Elektriker, im vergangenen Winter arbeitete er als Aushilfe in einer Metzgerei. Was im nächsten Winter kommt, weiß er noch nicht. Mal sehen. Sicher ist anders – und genau das ist ein Problem. Seine Frau Noccia ist schwanger.
Doch so lange er keine gute Alternative hat, fährt Angelo weiter den Eiswagen und verkauft Freude in Kugeln. In Gremberghoven drückt er zwei Mal kräftig auf die Klingel, und schon kommen die Kunden aus den Bürogebäuden im Laufschritt zum Wagen. Darin unterscheiden sich Erwachsene nicht von Kindern. „Das Eis von Angelo ist für uns wie eine zweite Mittagspause, wir kommen fast jeden Tag“, sagt Neithard Warnke und gibt die Sammelbestellung der Kollegen auf. Die Kunden müssen schnell sein. Wenn zwei bis drei Minuten nach dem Klingeln keiner gekommen ist, fährt Angelo weiter.
Nach demselben Stop-and-Go-Prinzip fährt am anderen Ende der Stadt auch sein Vater Grazio mit dem Eiswagen durch die Straßen. Gerade stand er noch im Rheinauhafen. Als dort das Geschäft schlechter wurde, ist er zu seinen Stammkunden nach Lindweiler gefahren. Wenn der Sizilianer durch die Wohnsiedlungen fährt und klingelt, winken ihm die Leute vom Balkon aus zu. „Ich kenne den Wagen noch aus meiner Kindheit“, erinnert sich die Mutter von Angelina und Alina, während die Mädchen an ihrem rosafarbenen Kaugummi-Eis schlecken. Er selbst esse inzwischen gar kein Eis mehr, sagt Grazio. Höchstens wenn es ganz heiß ist, dann gönne er sich eine Kugel Zitrone zur Abkühlung.