Grisha Alroi-Arloser wuchs in Bergisch Gladbach auf und studierte in Köln. In Israel hat er Sorge um seine Söhne, die eingezogen wurden.
Ex-Kölner in Tel Aviv„Die Situation ist so existenzbedrohend wie noch nie“
Am Montag war dreimal Raketenalarm in Tel Aviv, für ihn sei das „fast Luxus“, er habe einen Schutzraum in der eigenen Wohnung, sagt Grisha Alroi-Arloser. „Ich nehme mein Handy, gehe in den Raum und komme nach zehn Minuten wieder raus. Und mit Raketenalarm leben wir hier seit jeher.“ Die Situation nach den brutalen Terrorattacken der Hamas aber sei „so dramatisch und existenzbedrohend, wie wir sie noch nie hatten“.
Nach dem Mord an mehr als 1000 Israelis, mindestens 150 Entführten, verschleppten Kindern, Familien, Holocaust-Überlebenden, vergewaltigten Frauen und immer neuen Angriffen bleibe eine traumatisierte Nation zurück. „Wir haben das Selbstverständnis verloren, dass unser Staatswohl in den eigenen Händen liegt.“ Und, natürlich: „Es droht noch ein viel größerer Krieg.“
Grisha Alroi-Arloser studierte in Köln, viele Verbindungen sind geblieben
Grisha Alroi-Arloser wuchs in Bergisch-Gladbach auf und studierte in Köln, seine Kontakte ins Rheinland sind nach seiner Auswanderung nach Tel Aviv im Jahr 1978 eng geblieben. In Köln hat er mehrere Freunde, sein Vater ist auf dem jüdischen Friedhof in Köln begraben. Lange war der heute 67-Jährige Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer und Präsident der Israelisch-Deutschen Gesellschaft.
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Solidarität zu erfahren, tue gut, sagt Grisha Alroi-Arloser, „aber ich merke, wie die internationale Solidarität schon jetzt bröckelt: Immer öfter ist von Verhältnismäßigkeit die Rede. Ich frage mich: Wie soll Verhältnismäßigkeit aussehen? Soll die israelische Armee nur so viele Menschen im Gaza-Streifen töten, wie die Hamas ermordet hat? Diese Debatte ist so verlogen.“
Seine zwei Söhne wurden nach den Terrorangriffen vom 7. Oktober eingezogen, „der eine ist relativ sicher in einer Führungsposition der Luftabwehr, der andere in einer Eliteeinheit mittendrin und sehr gefährdet.“
Grisha Alroi-Arloser zählte lange zu denen, die einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern für möglich hielten und die Besiedlung des Westjordanlands kritisch sahen. Jetzt sei „die letzte Hoffnung auf Frieden mit den arabischen Nachbarn gestorben.“
Momentan lebe er in ständiger Sorge um seine Söhne. In Tel Aviv gebe es, wie überall in Israel, keinen Alltag mehr. „Die Schulen sind zu, die Cafés und Strände leer, die Menschen fahren zu Beerdigungen, sie schauen Nachrichten, jeder kennt Menschen, die ermordet oder entführt wurden“. Bei ihm seien es Kinder eines Kollegen: „Ein Kind wurde ermordet, eins entführt, ein drittes ist vermisst.“
Nach Israel sei er einst auch gegangen, weil „das der einzige Ort auf der Welt ist, an dem man getrost aufhören kann, Jude zu sein“, wie Alroi-Arloser einstmals in einem Beitrag sagte. In Deutschland habe er sich mit seinem Judentum identifizieren müssen – in Israel nicht. „Heute macht es mich traurig, dass jüdische Gemeinden in Deutschland seit dem Beginn des Krieges verstärkt bedroht werden, jüdische Wohnungen mit Hakenkreuzen beschmiert werden. Das ist unfassbar.“
Trümmer einer abgeschossenen Rakete landeten vor der Haustür
Er habe immer versucht, optimistisch zu bleiben, sagt Grisha Alroi-Arloser. Jetzt befürchte er, „dass sich diese Auseinandersetzung nicht auf den Gazastreifen beschränken lässt, sondern es auch im Norden losgeht, durch die vom Iran angefeuerte Hisbollah im Libanon, in der Westbank, in Ostjerusalem und – Gott behüte! – seitens israelischer Araber in israelischen Städten, wie das im Mai 2021 der Fall war“.
Das würde bedeuten, „dass wir am Ende einen Drei- oder Vierfrontenkrieg hätten“. Die dritte große Angst sei, „was mit den zahllosen israelischen Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder, Alte – geschieht, die als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Das wird die Auseinandersetzung mit der Hamas viel schwieriger gestalten. Es wird unheimlich viele menschliche Tragödien geben.“
Vor ein paar Tagen sei ein Stück einer von der israelischen Luftabwehr abgeschossenen Rakete aus dem Gazastreifen auf der Straße vor seiner Haustür gelandet. Auch das sei gefährlich. Aber eigentlich in diesen Tagen nicht der Rede wert.