AboAbonnieren

Kritik vom Ex-PolizeidirektorBezirksbeamte bald nur noch „Troubleshooter“

Lesezeit 4 Minuten

Der ehemalige Polizist Udo Behrendes ist seit 2013 im Ruhestand.

  1. Bezirksbeamte sollen die Sicherheit in den Vierteln in den Blick nehmen und Ansprechpartner für die Nachbarn sein.
  2. Das Polizeipräsidium Köln hatte vor 15 Jahren eine Organisationsreform durchgeführt, um diesen Ansatz zu fördern.
  3. Die Straßenkriminalität und die Gewaltdelikte im öffentlichen Raum gingen innerhalb eines Jahres um rund 15 Prozent zurück.

KölnUdo Behrendes, Leitender Polizeidirektor im Ruhestand, war 2004 maßgeblich an der Einführung des Bezirks- und Schwerpunktdiensts (BSD) in den Veedeln verantwortlich – jener Einheiten, die den lokalen Kontakt zu Anwohnern und Institutionen pflegen und die nun im Zuge der beabsichtigten Polizeireform stark ausgedünnt werden sollen. In diesem Gastbeitrag, um den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den 64 Jahre alten, ehemaligen Chef des Leitungsstabes gebeten hat, kritisiert Behrendes die geplanten Maßnahmen.

Die Polizei arbeitet überwiegend reaktiv: Der Wach- und Wechseldienst kümmert sich rund um die Uhr um Notrufe aus der Bevölkerung. Kriminal- und Verkehrskommissariate nehmen ihre Ermittlungen vorwiegend retrospektiv aufgrund des Verdachts einer bereits begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit auf.

Polizeiliche Bezirksbeamte arbeiten demgegenüber proaktiv: Idealtypisch sollen sie, grundsätzlich befreit von Einsatz- und Ermittlungsaufgaben, mit ganzheitlicher Perspektive die Sicherheit in einem bestimmten Veedel in den Blick nehmen, für die Wohnbevölkerung und die Geschäftswelt auch ohne besonderen Anlass ansprechbar sein, Kontakte zu Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen pflegen und sich mit städtischen Dienststellen und sozialen Diensten darüber austauschen, was man gemeinsam zur Verbesserung der jeweiligen lokalen Sicherheit tun kann.

Alles zum Thema Polizei Köln

Das könnte Sie auch interessieren:

Für diesen Aufgabenbereich teilt das Innenministerium den örtlichen Behörden eine Planstelle je 10 000 Einwohner zu. Angesichts dieser Relation wird schnell deutlich, dass die konkrete Umsetzung der hier kurz umrissenen Inhalte der Bezirksdienstarbeit für einen „Einzelkämpfer“ nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Das Polizeipräsidium Köln hatte daher vor 15 Jahren eine Organisationsreform durchgeführt, um diesen Ansatz nachhaltig weiterzuentwickeln. Aus der empirischen Polizeiforschung weiß man, dass „Plural Policing“, eine sozialraumorientierte, auf zielgerichtete Präsenz, Dialog und Kooperation ausgerichtete Polizeiarbeit einen Erfolg versprechenden Weg zur Verbesserung der Sicherheitslage und des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung darstellt.

In einem Modellprojekt wurde zunächst in der Kölner Innenstadt ein Bezirks- und Schwerpunktdienst (BSD) gebildet, in dem den etablierten Bezirksbeamten je drei weitere Beamte an die Seite gestellt wurden, um die gezielte Präsenz zum Beispiel rund um den Dom, am Neumarkt, auf den Ringen und am Ebertplatz dauerhaft zu stärken und die Zusammenarbeit mit dem städtischen Ordnungsamt, dem Jugendamt, dem Gesundheitsamt und den freien Trägern der Sozialarbeit zu intensivieren.

Schon bald stellten sich messbare Erfolge ein: Die Straßenkriminalität und insbesondere die Gewaltdelikte im öffentlichen Raum gingen innerhalb eines Jahres um rund 15 Prozent zurück. Darüber hinaus sank auch die Zahl der Notruf-Einsätze, da durch die proaktive Präsenz des BSD an Brennpunkten viele Konfliktsituationen frühzeitig deeskaliert werden konnten.

Das Modellprojekt wurde seinerzeit wissenschaftlich begleitet. Der Gutachter empfahl nach Auswertung aller Daten und einer internen Mitarbeiterbefragung, die Organisationsreform auf die anderen örtlichen Polizeiinspektionen zu übertragen. Bis Ende des Jahres 2007 wurde daraufhin der Personalkörper für die bürgernahe und sozialraumorientierte Polizeiarbeit in ganz Köln und Leverkusen mehr als verdoppelt. Bereits ein Jahr später waren flächendeckend Rückgänge der Straßenkriminalität zu verzeichnen.

Erfolgsmodell wird vernachlässigt

Dieses Erfolgsmodell wird nun leider schon seit Jahren vernachlässigt. Das Personal des BSD wurde zunächst in mehreren kleinen Schritten überall verringert und die ursprünglich zur Unterstützung der lokalen Bezirksdienstarbeit vorgesehenen Beamten wurden immer mehr auch für Aufgaben außerhalb ihrer angestammten Bereiche eingesetzt und als stille Einsatzreserve genutzt.

Nun ist ein weiterer, substanzieller Einschnitt geplant. Im Zuge einer nochmaligen Reduzierung der Gesamtzahl der BSD-Mitarbeiter werden die meisten Polizeiwachen dann nur noch, wie vor der Reform 2007, die vom Innenministerium zur Verfügung gestellten Planstellen des Bezirksdienstes besetzen können. Lediglich in der Kölner Innenstadt soll die beschriebene Grundstruktur des BSD grundsätzlich erhalten bleiben. Darüber hinaus soll in Ehrenfeld ein Schwerpunktdienst vorgehalten werden, um von dort aus Unterstützungsleistungen für den gesamten linksrheinischen Bereich von Godorf bis Worringen zu organisieren.

Sicherheit im Milieu

Das rechtsrheinische Pendant soll von Kalk aus die Bezirksdienstarbeit von Porz-Langel bis Opladen unterstützen. Es liegt auf der Hand, dass die so gestalteten Schwerpunktdienste zukünftig nur noch als punktuelle Troubleshooter fungieren werden und sich eben nicht mehr mit spezifischen Struktur- und Milieukenntnissen dauerhaft und nachhaltig um die Sicherheit in einem kleinräumigen Bereich kümmern können.

Im Jahr 2011 hatte die Leitung des Kölner Polizeipräsidiums die mittelfristig ausgerichtete Behördenstrategie „Orientierung 2020“ erarbeitet. Darin wurden die Fortführung und der Ausbau der BSD-Konzeption als priorisierte Daueraufgabe festgelegt. Diese strategische Schwerpunktsetzung wurde nun wohl endgültig zu den Akten gelegt.